Hamburg. Der Absatz von Elektroautos geht in der Hansestadt zurück. Warum? Das Abendblatt fragt bei Autohändlern und Branchenkennern nach.

Vor einem Jahr schien alles klar: Der Verkauf von Elektroautos hatte richtig Fahrt aufgenommen, die Lieferprobleme waren überwunden, eine ganze Reihe neuer Modelle mit ordentlichen Reichweiten kam auf den Markt – die Zukunft auf Hamburgs Straßen gehöre eindeutig der E-Mobilität, konnte man meinen.

Doch inzwischen zeigt sich ein ganz anderes Bild: Von Januar bis einschließlich April 2024 ist die Zahl der in der Hansestadt neu zugelassenen reinen Elektroautosum fast elf Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum auf 2503 Fahrzeuge zurückgegangen, ihr Anteil an den gesamten Neuzulassungen verringerte sich von 9,9 Prozent auf nur noch 8,1 Prozent. Mit anderen Worten: Autos mit Verbrennungsmotor sind wieder auf dem Vormarsch.

Auto kaufen in Hamburg: Warum Marken wie Mercedes-AMG neue Showrooms eröffnen

Dazu passt, dass der E-Pkw-Pionier Tesla im April den Abbau von 400 Stellen in seinem brandenburgischen Werk ankündigte und dass Marken wie Ferrari, Aston Martin und Mercedes-AMG – die alle für besonders PS-starke Benzinmotoren bekannt sind – neue Showrooms in Hamburg eröffnen. Die italienische Sportwagenmarke präsentiert bereits seit Ende April in den Stadthöfen unter anderem den Ferrari SF90 Stradale mit 999 PS. Dieses Modell hat zwar immerhin einen Hybrid-Antrieb. Aber der sorgt offenbar hauptsächlich für eine noch eindrucksvollere Beschleunigung, denn die elektrische Reichweite liegt bei gerade einmal 25 Kilometern.

Was ist da geschehen, wie konnte der Trend beim Pkw-Absatz so kippen? „Das Elektroauto ist in der Marktwirtschaft angekommen“, sagt Björn Böttcher, Geschäftsführer der Hamburger Autohandelsgruppe Dello. Nach seiner Beobachtung werden batterieelektische Pkw zuletzt „nur noch in überschaubarem Umfang“ verkauft.

Automarkt Hamburg: das Comeback der Verbrenner

Ähnliche Erfahrungen macht Michael Babick, Sprecher der Geschäftsführung des Hamburger Mehrmarkenhändlers Krüll Motor Company: „Um die Elektroautos ist es insgesamt sehr ruhig geworden, wozu die Streichung der staatlichen Förderung sicher deutlich beigetragen hat.“ Im Dezember 2023 hatte die Bundesregierung überraschend beschlossen, den „Umweltbonus“ von bis zu 4500 Euro mit praktisch sofortiger Wirkung wegfallen zu lassen.

„Das Elektroauto geht in Deutschland schweren Zeiten entgegen“, sagt dazu der Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer, der Direktor des Duisburger CAR Centers Automotive Research. Auch angesichts der „derzeitigen politischen Kampagnen gegen das Elektroauto aus Brüssel“ wird dieses nach Einschätzung von Dudenhöffer „in Deutschland zum Nischenauto“.

Kleine E-Autos sind bis zu 14.000 Euro teurer als entsprechende Verbrenner

Dazu trage bei, dass die Hersteller ihre eigenen Rabatte für die Batterie-Pkw zuletzt zurückgefahren haben, so der Experte: „Für die Autobauer macht es keinen Sinn, sich mit hohen Verkaufsförderungsaktionen gegen die politische Stimmung und die über Nacht gestrichenen staatlichen Verkaufsprämien zu stellen.“

Vor diesem Hintergrund verschärft sich ein Problem, das seit Jahren nicht ausgeräumt werden konnte: „Der Unterschied zwischen Verbrennern und vergleichbaren E-Autos im Hinblick auf den Anschaffungspreis ist noch sehr groß“, räumt Böttcher ein – bei Klein- und Kompaktwagen liegt er aktuell bei rund 11.000 Euro bis knapp 14.000 Euro. „Trotzdem sind die Ertragsmargen von Batterie-Fahrzeugen für Hersteller und Händler geringer als die von Autos mit Verbrennungsmotor“, so Böttcher.

„Einzelne Hersteller bemühen sich noch, mit attraktiven Konditionen den Wegfall der Umweltprämien wenigstens teilweise aufzufangen – und da läuft es etwas besser“, stellt Babick fest. Generell aber ist nach Berechnungen von Dudenhöffers Team der durchschnittliche Rabatt auf 15 gängige E-Auto-Modelle im April von zuvor 16,2 Prozent auf 12,6 Prozent gefallen, während die Preisnachlässe für 15 beliebte Verbrenner-Typen sogar leicht auf 16,9 Prozent zugelegt haben.

„Die Ladeinfrastruktur ist zum Teil noch immer desaströs“

Es sind allerdings offensichtlich nicht nur rein finanzielle Faktoren, die die Elektromobilität jetzt bremsen. „Außerhalb von Ballungsräumen und Autobahnen ist es um die Ladeinfrastruktur zum Teil noch immer desaströs bestellt“, urteilt Babick. „Wir hören von Kunden aber auch, dass sie es anstrengend finden, in Hamburg eine freie Ladestation aufzuspüren.“

Hinzu kommt, dass Autofahrer, die überlegen, auf welchen Antrieb sie demnächst setzen sollen, das politische Umfeld durchaus als unübersichtlich wahrnehmen können. So gibt es Bestrebungen, das von der EU für 2035 festgesetzte Aus für Neuwagen mit Verbrennungsmotor zu kippen. Und Volkswagen-Konzernchef Oliver Blume sagte vor wenigen Wochen in Hamburg, nach seiner Einschätzung könnten klimaneutrale Kraftstoffe schon in wenigen Jahren unter bestimmten Bedingungen weniger als 1,90 Euro je Liter kosten.

Kunden wollen kein E-Auto mit womöglich bald veraltetem Akku kaufen

Zwar ist in der Branche, wie Dello-Geschäftsführer Böttcher erklärt, „allen bewusst, dass sich auf lange Sicht die Elektrofahrzeuge durchsetzen werden“. Doch unter den Verbrauchern gebe es viele, die sich aufgrund der unsicheren Rahmenbedingungen sagten: „Dann nehme ich erst mal noch einen Verbrenner und warte die nächsten Jahre ab.“

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Zudem lässt der technische Fortschritt die Autokäufer zögern. „Die Batterietechnologie entwickelt sich von Jahr zu Jahr weiter, was bei potenziellen E-Auto-Kunden zu Verunsicherung führt – man möchte nicht ein Fahrzeug kaufen, das in wenigen Jahren nicht mehr dem aktuellen Stand der Technik entspricht“, sagt Babick. „Hilfreich wäre, wenn man neue Batteriegenerationen nachrüsten könnte.“

Dass bei der Wahl eines neuen Elektro-Pkw nicht nur die vertrauten deutschen oder europäischen Anbieter infrage kommen, scheint bei den Verbrauchern inzwischen jedenfalls akzeptiert zu sein, wie Babick beobachtet: „In der ‚neuen Autowelt‘ mit elektrischen Antrieben sind die Chinesen die Weltmeister. Wir stellen fest, dass zum Beispiel die Marke MG bei uns weiter gut nachgefragt wird.“