Hamburg. Neuer Konkurrent für FreeNow und Uber, Fahrten können per App gebucht werden – vor allem Neukunden profitieren in der Startphase.
Die grünen E-Scooter von Bolt sind inzwischen ein – bei manchen mehr, bei anderen weniger beliebter – fester Bestandteil des Straßenbildes in Hamburg. Gut 5000 der grün-lackierten und elektrisch angetriebenen Roller sind in der Hansestadt unterwegs, können per Smartphone-App gebucht werden, ebenso wie E-Bikes.
Nun erweitert das Unternehmen aus dem estnischen Tallin sein Angebot: Von Dienstag an lassen sich über die Bolt-App in Hamburg auch Fahrten in Fahrzeugen mit vier Rädern buchen, bei denen die Passagiere erheblich besser vor den norddeutschen Wetterunbilden geschützt sind. Bolt vermittelt künftig auch Taxifahrten und wird damit zum Konkurrenten von FreeNow und Uber.
E-Scooter-Verleiher Bolt vermittelt in Hamburg jetzt auch Taxis
„Über die App lassen sich Taxis mit Elektro- und mit Verbrennermotor buchen, für Rollstuhlnutzer geeignete Inklusionstaxis ebenso wie Großraumtaxis für Gruppen oder Fahrten von Passagieren mit viel Gepäck“, sagt Janek Smalla, der bei Bolt in Deutschland das Geschäft mit der Taxi- und Mietwagenvermittlung leitet. Zum Start könne man auf „eine solide dreistellige Zahl“ von Wagen in Hamburg zurückgreifen, die sich nun auch von Bolt vermitteln lassen. „Die Flotte besteht zu etwa 80 Prozent aus E-Taxis“, sagt Smalla.
Das tut das Unternehmen bereits in Berlin, Köln, Düsseldorf, Frankfurt, München und neuerdings in Nürnberg. Nun ist Bolt auch in Hamburg auf dem Weg zu einer Plattform wie SwitcHH, FreeNow oder Uber, über die sich unterschiedliche Mobilitätsdienste buchen lassen. „Wir haben mit den Scootern in Hamburg einen großen Kundenstamm gewonnen, dem wir jetzt auch andere Dienstleistungen anbieten wollen“, sagt Smalla. Die Taxi-Vermittlung in Hamburg sei für das Unternehmen ein Lückenschluss.
In Hamburg gibt es bald Taxifahrten zum Festpreis
Dass der Dienst nun auch an der Elbe startet, habe zudem viel damit zu tun, dass in Hamburg künftig – voraussichtlich ab Herbst – Taxifahrten zum Festpreis möglich sein werden. „Dann haben die Kunden schon vor Beginn der Fahrt Preisverlässlichkeit.“ Außerdem habe es auch in der Taxibranche selbst ein Interesse an einer weiteren Vermittlungsplattform gegeben – obwohl die Unternehmen dem Vermittler eine Provision für jede Fahrt zahlen müssen.
„Ich finde es gut, dass es jetzt einen zusätzlichen Anbieter gibt“, sagt denn auch Ivica Krijan vom Verband der Taxi-Mehrwagen-Unternehmen Hamburg. Er selbst hat sich mit den sechs Taxis, die für seine Firma in Hamburg unterwegs sind, dem neuen Vermittler Bolt bereits angeschlossen und das grüne Bolt-Logo auf die Wagen geklebt. Sein Grundsatz: „Ich tanze auf allen Hochzeiten. Wir fahren für alle, von denen man Fahrten vermittelt bekommt.“
Taxifahrer: Bolt verlangt weniger Provision von uns
Krijan erhofft sich von der Fahrtenvermittlung durch Bolt Zugang zu neuen Kundengruppen, die bislang eher nicht Taxi fahren. „Das Angebot wird vielfältiger, wenn mehr Anbieter auf dem Markt sind“, ist er überzeugt. Das gelte sowohl für die Taxikunden als auch für die Taxiunternehmen, die die Fahrten durchführen. Eine größere Konkurrenz unter den Vermittlungs-Plattformen sei gut für Firmen wie seine. „Weil Bolt jetzt da ist, werden die anderen Vermittler stärker als bisher um uns buhlen müssen.“
Tatsächlich gibt es handfeste finanzielle Gründe für Taxi-Unternehmen, sich Fahrten von dem neuen Anbieter vermitteln zu lassen: Bolt verlangt eine geringere prozentuale Provision vom Fahrpreis. Bei einer von FreeNow vermittelteten Fahrt müsse das Taxi-Unternehmen 13 Prozent des Fahrpreises als Provision an den Vermittler abgeben. „Bolt sagt: Wir wollen zehn Prozent“, sagt Krijan. Janek Smalla bestätigt das.
Zum Start des Services gibt es satte Rabatte
Und noch etwas lobt Krijan: Über Bolt könne er auch Kunden zufriedenstellen, die er gar nicht selber fährt. „Es kommt immer mal wieder vor, dass wir telefonische Anfragen bekommen, aber keinen Wagen in der Nähe haben“, sagt er. Bislang musste er absagen, nun könne er die Fahrt an Bolt weitergeben. Dann mache zwar ein anderes Taxi-Unternehmen den Umsatz – „aber ich habe wenigstens den Kunden nicht enttäuscht“. Bei anderen Fahrtenvermittlern sei so etwas bislang nicht möglich.
Weil Bolt möglichst schnell möglichst viele Kunden gewinnen will, die über die App ein Taxi buchen, und zugleich weitere Taxifirmen sucht, die sich Fahrten von der Plattform vermitteln lassen, wird der Start des neuen Services von allerlei Vergünstigungen begleitet. „Neukunden bekommen bei den ersten zehn gebuchten Taxifahrten im Stadtgebiet 50 Prozent Rabatt auf den Fahrpreis, für Bestandskunden sind es 35 Prozent“, sagt Janek Smalla. Und die Taxi-Unternehmen müssen in den ersten Wochen keine Provision an Bolt weiterreichen.
In Berlin bietet Bolt auch Carsharing und Mietwagen mit Fahrer an
In anderen Städten ist das Unternehmen aus Estland auf dem Weg vom Scooter-Vermieter zum Mobilitätsvermittler schon ein ganzes Stück weiter. „In Tallin bieten wir neben Carsharing, E-Bikes, Scootern, Taxi und Mietwagen auch Essenslieferungen und Lieferungen aus dem Supermarkt an“, sagt Smalla. In Berlin lassen sich bei Bolt E-Bikes und Scooter mieten, Taxi, Mietwagen und Carsharing-Autos buchen.
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Ist die Hauptstadt damit das Vorbild für die weitere Entwicklung in Hamburg? Ein bisschen. „Ein Carsharing-Angebot prüfen wir, konkret ist das aber noch nicht“, sagt Smalla, und: „Taxiähnliche Mietwagen planen wir in Hamburg nicht.“ Diese Mietwagen mit Fahrer, die in Städten wie Berlin und München der Taxibranche das Leben schwer machen, spielen in Hamburg tatsächlich praktisch keine Rolle.
Firmen, die einen solchen Fahrservice anbieten, konnten sich in der Stadt bislang nicht halten und verschwanden schnell wieder von der Bildfläche. Der Grund: Die Branchenaufsicht in der Verkehrsbehörde achtet peinlich genau darauf, ob sich die Firmen an die gesetzlichen Vorschriften für solche Fahrten halten.