Hamburg. Viewlicity aus Ottensen hat Trainingsanlagen fürs Putten entwickelt. Sogar Hobbyspieler geben dafür bis zu 80.000 Dollar aus.

Vereinfacht gesagt, geht es beim Golfen um zwei sehr unterschiedliche Fähigkeiten: Beim Abschlag und auf der Bahn gilt es, den Ball mit kräftigen Schlägen möglichst weit und zielgerichtet in Richtung des Lochs zu treiben. Liegt der Ball dann auf dem kurz geschorenen Rasen des Grüns rund um das Loch, ist beim möglichen letzten Schlag, dem sogenannten Putt, dagegen vornehmlich Fingerspitzengefühl gefragt, damit die weiße Kunststoffkugel tatsächlich ins Ziel rollt.

Putten beim Golf: Tiger Woods vertraut auf Viewlicity aus Hamburg Ottensen

„40 Prozent aller Schläge beim Golf sind Putts“, weiß Christoph Pregizer (38), der seit dem 15. Lebensjahr selbst golft. Doch obwohl sie eminent wichtig sind für die Entscheidung über Sieg oder Niederlage „werden diese Schläge eher wenig trainiert“. Es ist eine Erkenntnis, aus der Pregizer und sein Kompagnon Lukas Posniak (39) ein Geschäftsmodell gemacht haben. Ihrem Hamburger Unternehmen vertraut inzwischen selbst der Golfstar Tiger Woods.

Putten sieht meist einfacher aus, als es tatsächlich ist. Das belegen zahllose Videos im Netz, in denen sogar Golfprofis daran scheitern, den Ball aus wenigen Metern Entfernung einzulochen. Er rollt bisweilen weit vorbei oder bleibt kurz vor dem Loch liegen. Der Grund: Anders, als es auf den ersten Blick scheint, ist das Grün zumeist eben nicht flach wie ein Brett, die Platzgestalter bauen gern mal Herausforderungen wie etwa Gefälle oder Bodensenken ein. Das Grün richtig zu „lesen“, den Ball mit der richtigen Geschwindigkeit in die richtige Richtung zu bewegen, erfordert reichlich und dauerhaftes Training.

PuttView aus Hamburg-Ottensen verkauft 150 Trainings-Grüns pro Jahr

Genau das ist es, was Pregizer und Posniak, die Gründer und einzigen Teilhaber der Firma Viewlicity, ermöglichen. Das Unternehmen mit Sitz in Ottensen entwickelt, fertigt und verkauft Indoor-Trainingsanlagen für Golfer, die ihr Putting verbessern wollen – und das ziemlich erfolgreich.

Neun Jahre nach der Gründung belaufe sich der Jahresumsatz „auf einen hohen einstelligen Millionen-Euro-Betrag“, sagt Lukas Posniak. Unter dem Markennamen PuttView werden pro Jahr etwa 150 Hightech-Übungsgreens abgesetzt. Viewlicity hat inzwischen gut 50 Beschäftigte und schreibt Gewinn.

Putten üben – eine Linie zeigt den richtigen Weg zum Loch

Der Großteil der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sitzt in einem Büro im 3. Stock eines Geschäftshauses an der Barnerstraße. Sie teilen sich den Platz mit einer Handvoll dieser Übungsgreens. Die bestehen kurz gesagt aus einer mit grünem Kunststoff bespannten Fläche mit einem Loch, darüber sind Kameras und ein Beamer installiert. Die Technik erfasst, wie der Ball zum Loch liegt, die PuttView-Software errechnet, wie der Ball geschlagen werden muss. Der Beamer projiziert eine Linie, die zeigt, in welche Richtung der Spieler den Golfball in Bewegung bringen muss, damit er die Ideallinie ins Loch nimmt. Auch diese Linie wird auf das Grün projiziert. Und anschließend lässt sich analysieren, ob der Spieler beim Training wirklich Fortschritte macht.

Wer aber schafft sich so etwas zu Preisen „zwischen 10.000 und 80.000 Dollar“ an, wie Posniak sagt? Er räumt ein: „Wir sind eher hochpreisig unterwegs, aber das ist bei Hochtechnologie im Golfsport üblich.“ Die Kunden seien etwa zur Hälfte Privatleute, heißt es. „Unsere Techniker haben Anlagen auch schon mal bei Milliardären installiert“, sagt Pregizer. Namen werden nicht genannt. Beim passionierten Golfer Donald Trump? Da schütteln die Gründer den Kopf.

Golf-Profi und Olympiasieger Tiger Woods trainiert daheim mit PuttView

Die andere Hälfte sind Geschäftskunden. „Golftrainer, Clubs, Indoor-Trainingsanlagen, auch der Collegesport spielt eine wichtige Rolle“, sagt Lukas Posniak. Doch es sind auch prominente Golfprofis, die mit PuttView trainieren. „Tiger Woods nutzt unsere Technologie“, sagen die Gründer. Und Justin Rose, der Golf-Olympiasieger von 2016, verkündet auf der Homepage der Hamburger: „Es ist das beste Spielzeug, das ich zu Hause habe.“ Als eine Art Ritterschlag empfinden es die Gründer, dass der US-amerikanische Profigolfer-Verband PGA im vergangenen Jahr ein PuttView-Übungsgreen in einem Schulungszentrum installierte.

Golfprofi Tiger Woods beim Abschlag während des Masterturniers im April in Augusta (USA). Beim Putting-Training vertraut der Starspieler auf die Hamburger Firma Viewlicity.
Golfprofi Tiger Woods beim Abschlag während des Masterturniers im April in Augusta (USA). Beim Putting-Training vertraut der Starspieler auf die Hamburger Firma Viewlicity. © Getty Images via AFP | Warren Little

Die vielen Bezüge zu Nordamerika kommen nicht von ungefähr. Den Großteil des Umsatzes, etwa 70 Prozent, generiert PuttView in den USA, die Preisliste weist konsequent Dollarbeträge aus. Auf dem weltgrößten Golf-Markt sind die Hamburger bereits seit 2017 präsent.

Viewlicity aus Hamburg-Ottensen macht den meisten Umsatz in den USA

Die anderen 30 Prozent der Erträge stammen je zur Hälfte aus Asien und Europa. In Hamburg hatte die frühere Golf Lounge nahe der Norderelbbrücke einst ein PuttView-Übungsgreen installiert. Aktuell ist eines in der Indoor-Golfanlage „Eisen 7“ der früheren Fußball-Profis Martin Harnik in Glinde in Betrieb.

Die Übungsgrüns – PuttView fertigt sie inzwischen komplett selbst und die Oberfläche des jüngsten Modells lässt sich variieren – sind das eine, die Datenbrille namens PuttView X ist das andere Golf-Trainingsgerät des Unternehmens. Seit dem vergangenen Jahr ist das Gerät auf Basis der Augmented-Reality (AR)-Brille Hololens 2 von Microsoft mit der Software aus Hamburg auf dem Markt.

Golf: Training mit der Datenbrille PuttView X

„Sie analysiert das Grün in Echtzeit und zeigt die Linien direkt in ihren Displays“, sagt Posniak. Geeignet ist die Brille für das Training unter freiem Himmel, etwa auf den Übungsgreens, die es auf vielen Golfplätzen gibt. Bei Turnieren ist sie jedoch nicht zugelassen. Kostenpunkt: 14.500 Dollar.

Solche AR-Brillen hatten Pregizer und Posniak bereits im Blick, als die Ingenieure für Regelungstechnik und Maschinenbau ihr Unternehmen 2015 gründeten. Unterstützt vom Hamburger Informatik-Professor Frank Steinicke und mit finanzieller Gründerförderung von der Stadt machten sie sich an die Entwicklung – mussten das Projekt dann aber erst mal zurückstellen. „Die AR-Brillen, die damals recht neu auf dem Markt waren, waren für unsere Zwecke noch nicht geeignet“, sagen sie.

Mehr Wirtschaftsthemen

Der Markenname PuttView verweist auf Golf, der Firmenname Viewlicity ist weiter gefasst, ein Kunstwort aus view (sehen) und simplicity (Einfachheit), das Raum lässt für andere Anwendungen jenseits von Schläger und Ball. „In einem kleineren Projekt haben wir bereits für VW gearbeitet“, sagt Posniak. Es ging darum, Beschäftigten in der Montage die Abfolge von Arbeitsschritten in die AR-Brille zu spielen.

An der Barnerstraße sehen sie die Zukunft der Technologie eher im Sportbereich. „Mittelfristig“, könne man sich einen Einsatz auch im Training anderer Sportarten vorstellen, heißt es. Basketball zum Beispiel.