Hamburg. In 45 Minuten haben die Fahrzeuge ausreichend Strom für 200 Kilometer. Unternehmen will Netz ausbauen. Aber es gibt Hürden.

Daran muss man sich erst mal gewöhnen, obwohl es angenehm ist: Als der Lkw zwecks Betankung einen Meter vorgefahren werden muss, hört man – nichts. Und riecht – nichts. Kein lärmender Dieselmotor, kein Abgasgestank. Denn der Daimler-Truck E-Actros 300 ist ein reiner Elektro-Lkw – und die können jetzt auch auf dem Autohof in Hamburg-Moorfleet aufgeladen werden. Direkt an der A1 hat Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard (SPD) am Montag die neuen Ladepunkte an der Aral-Tankstelle eingeweiht.

An derzeit zwei Ladesäulen können jeweils zwei Lkw gleichzeitig Strom „tanken“ – insgesamt gibt es also vier Ladepunkte. Bald werden es sogar sechs sein, denn eine dritte Säule, die schon montiert war, musste kurz vor dem Termin demontiert werden, nachdem sie angefahren und beschädigt worden war. Sie soll demnächst durch eine neue ersetzt werden. Die Leistung der Ladepunkte von 300 Kilowatt ermöglicht es den Lastwagenfahrern, in 45 Minuten genug Ökostrom für bis zu 200 Kilometer Reichweite zu beziehen. Ein paar Meter weiter stehen vier weitere Ladesäulen für jeweils zwei elektrische Pkw zur Verfügung.

Hamburg wird eine der größten Ladestandorte für E-Fahrzeuge bundesweit

Damit gehört dieser Standort nach Unternehmensangaben zu den größten Ladestandorten, die bundesweit unter der Marke „Aral pulse“ betrieben werden. Das Ladenetz umfasst nunmehr 22 Standorte und soll bis Ende des Jahres auf 30 Standorte wachsen. Rund eine Million Euro hat das Energieunternehmen allein in Hamburg-Moorfleet investiert, wo 850 Tonnen Erde bewegt und extra ein Mittelspannungs-Stromnetz mit zwei Travostationen installiert wurden.

„Hamburg ist einer unserer wichtigsten Lkw-Standorte“, sagte Patrick Wendeler, Vorstandsvorsitzender des Aral-Mutterkonzerns BP Europa. Im Pkw-Bereich sei Deutschland beim Ausbau der Ladeinfrastruktur insgesamt auf einem guten Weg. Jedoch: „Beim Mittel- und Schwerlastverkehr hingegen müssen wir den Ausbau deutlich beschleunigen, um die Klimaziele zu erreichen“, so Wendeler. BP habe es sich zum Ziel gesetzt, als Unternehmen die CO2-Emissionen bis 2050 auf Netto-Null zu senken.

Alle großen Lkw-Hersteller setzen auf den Trend zur Dekarbonisierung

Auch die Wirtschaftssenatorin wies darauf hin, dass E-Autos inzwischen weit verbreitet und jedem ein Begriff seien, während die entsprechende Infrastruktur für Lkw noch hinterherhinke. „Noch dominieren Diesel-Lkw auf den Straßen“, sagte Leonhard. Das bestätigte Alexander Junge, Aral-Vorstand für E-Mobilität: Derzeit liege der Anteil von elektrisch betriebenen Lkw noch unter einem Prozent. Aber alle namhaften Hersteller würden klar auf den Trend zur Dekarbonisierung setzen, so Junge: „Wir rechnen mit einer sehr erfreulichen Entwicklung in den nächsten Jahren, daher investieren wir in diesem Bereich.“

Stromtankstelle: Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard schließt am Autohof Moorfleet einen E-Lkw an eine Elektro-Ladesäule an.
Stromtankstelle: Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard schließt am Autohof Moorfleet einen E-Lkw an eine Elektro-Ladesäule an. © FUNKE Foto Services | Roland Magunia

Dem Bedarf entsprechend schaffen die Energieunternehmen vor allem entlang der bedeutenden Wirtschaftsrouten die nötige Infrastruktur. So hat Aral vergangenes Jahr acht Ladestandorte zwischen Schwegenheim (Südpfalz) und Dortmund eröffnet und preist diesen als „ersten Lkw-Ladekorridor Europas“ an. Nun wendet man sich dem Norden zu.

17.000 Lkw passieren täglich Hamburger Hafen – noch sind es überwiegend Diesel

„Als größter Seehafen Deutschlands ist Hamburg einer der wichtigsten Umschlagsplätze für Waren in Deutschland“, sagte Junge. Rund 17.000 Lkw würden täglich den Hafen passieren. Der Standort Moorfleet, direkt an der A1 und nur wenige Kilometer von den Umschlagsplätzen entfernt, sei „der ideale Standort, um unser Ladenetz für elektrische Lkw weiter auszubauen“.

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Angesichts der Tatsache, dass mehr als 70 Prozent der Güter in Deutschland mit dem Lkw transportiert werden und dabei noch ganz überwiegend Diesel zum Einsatz kommt, sei jeder neue Ladepunkt für E-Lkw zu begrüßen, so Leonhard. „Um die Herausforderungen der Elektromobilität im Schwerlastbereich zu bewältigen, braucht es deutlich mehr Ladeinfrastruktur.“ Klar sei aber auch: „Für den Hochlauf der Elektromobilität sind auch privatwirtschaftliche Anstrengungen wichtig.“

Strom oder Wasserstoff – bislang unklar, was sich für Lkw durchsetzen wird

Unklar ist allerdings noch, ob E-Lkw tatsächlich die Zukunft sein werden oder ob die Logistikbranche am Ende nicht doch auf eine andere Technologie setzen wird. „Die Entwicklung ist spannend“, räumte Junge ein. „Es kann auch sein, dass der Wasserstoff-Verbrennungsmotor eine Rolle spielen wird.“ Für Betreiber von Lkw-Flotten sei das am Ende eine praktische Entscheidung, jeder Lkw müsse seine Wirtschaftlichkeit unter Beweis stellen.

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    Auch die Wirtschaftssenatorin verwies darauf, dass die „Ein-System-Entscheidung“ noch nicht gefallen sei. Wasserstoff oder andere „substainable Fuels“, also nachhaltige Kraftstoffe, könnten ebenfalls noch wichtig werden. Wie berichtet, will der Senat Hamburg zur „deutschen Wasserstoff-Hauptstadt“ machen. Dafür soll der Hafen nicht nur zum Hauptumschlagsplatz des Rohstoffs werden, sondern am Standort des abgeschalteten Kohlekraftwerks Moorburg soll von 2026 an auch grüner Wasserstoff produziert werden.

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    Allerdings hatte sich das Projekt zuletzt verzögert, weil Partner abgesprungen waren. Auch Aral-Vorstand Junge verwies darauf, dass die Realisierung von E-Ladepunkten im deutschen Behördendschungel nicht einfach sei: „Wir haben zu viele regionale Unterschiede – Stichwort 16 unterschiedliche Bauordnungen.“ So war zu hören, dass die Ladesäulen in Hamburg selbst zwar ohne Genehmigung errichtet werden konnten, während für die zwei Travostationen, jeweils etwa zwei mal drei Meter groß, ein Bauantrag gestellt werden musste.

    Für den E-Lkw selbst ist Tempo dagegen kein Problem. Zwar wiege der E-Actros 300 wegen der insgesamt 3,6 Tonnen schweren Batterien etwa zwei Tonnen mehr als sein Dieselpendant (das Gewicht des Motors und des Antriebsstrangs muss abgerechnet werden), aber dafür habe er deutlich mehr Power, schwärmten Mercedes-Mitarbeiter vor Ort: „An der Ampel ist man immer einer der Ersten ...“