Hamburg. Immobilien-Experten bewerten die Lage in Hamburg: Wie sich Mieten und Kaufpreise entwickeln. Überraschende Aussage zum Elbtower.
Wohnen in Hamburg wird auch in den kommenden Jahren teurer und teurer. Denn während die Einwohnerzahl der Stadt weiter steige, führe die abnehmende Zahl an Baugenehmigungen und Fertigstellung von neuen Wohnungen „zu einem immer größeren Nachfrageüberhang“. Folge: Die Mieten steigen weiter. Zu diesem ernüchternden Fazit kamen Immobilienmarkt-Experten bei einem Treffen in der Hamburg Commercial Bank (HCOB).
Bei Wiedervermietungen von Bestandsobjekten sei die Durchschnittsmiete in Hamburg innerhalb eines Jahres von 13,10 auf 13,90 Euro pro Quadratmeter gestiegen, also um gut sechs Prozent, erläuterte Sascha Hanekopf, Regional Manager in Hamburg bei Colliers, einem weltweit tätigen Immobiliendienstleister. In der Spitze seien die Mieten sogar von 17,54 auf 19 Euro pro Quadratmeter gestiegen.
Mieten in Hamburg steigen weiter – aber Immobilienpreise gehen zurück
Ähnlich kräftig fiel der Anstieg bei Neubauwohnungen aus: Hier ging es im Durchschnitt von 17,26 auf 18,26 Euro pro Quadratmeter hoch – ein Plus von 5,8 Prozent. In Spitzenlagen verteuerten sich die Mieten von gut 23 auf 24,42 Euro. Das Problem: Nachdem in Hamburg über mehrere Jahre jeweils mehr als 10.000 Wohnungen genehmigt wurden, ist diese Zahl 2023 auf 5000 eingebrochen, neue Projekte werden kaum noch gestartet. Eine Besserung der Genehmigungszahlen sei nicht in Sicht, so Hanekopf. Das werde sich in einigen Jahren auf die Fertigstellungen auswirken.
„Wir sehen in Hamburg einen starken Nachfrageüberhang am Wohnungsmarkt“, so der Imobilienexperte. „In den letzten sechs Monaten standen in Hamburg je 1000 Wohnungsgesuchen nur 29 Mietwohnungsangebote gegenüber.“ Das sei zwar noch etwas besser als in München (21) oder Köln (26), aber es sei die geringste Verbesserung in den „Top-7-Städten“. Zum Vergleich: In Dresden kämen 74 Angebote auf 1000 Wohnungssuchende, so Hanekopf.
Prognose: Mietkosten werden auf 35 Prozent des Haushaltseinkommens steigen
„Wir sehen keine Entspannung am Wohnungsmarkt“, fasste es Peter Axmann, Leiter Immobilienkunden bei der Hamburg Commercial Bank, zusammen. „Wohnen wird teurer werden, das ist ein Fakt.“ Zwar begrüßten es die Experten, dass die Stadt gerade einen dritten Förderweg für Sozialwohnungen gestartet habe und nun sogar vierköpfige Familien mit fast 100.000 Euro Jahreseinkommen unterstütze.
Aber der Staat könne die Wohnkosten nicht auf Dauer für die breite Masse heruntersubventionieren, glaubt Axmann: „Wir müssen bereit sein, mehr dafür auszugeben.“ Bundesweit würden die Mietkosten von jetzt 25 Prozent des Haushaltseinkommens auf 35 Prozent steigen – wobei viele Mieter in Hamburg diese Grenze längst überschritten haben.
Preise für Eigentumswohnungen um 6,8 Prozent zurückgegangen
Etwas besser (für Interessenten) sieht die Entwicklung bei den Kaufpreisen für Wohnimmobilien aus. Diese seien 2023 in Hamburg um 6,8 Prozent zurückgegangen, so Axmann. Bundesweit lag das Minus allerdings sogar bei 8,4 Prozent. „2024 sehen wir als Übergangsjahr. Die Immobilienwerte sind flächendeckend gesunken, dürften jedoch inzwischen weitgehend den Boden gefunden haben.“ Für 2025 werde wieder ein leichter Anstieg um 3,0 Prozent erwartet.
Für Eigentumswohnungen seien die Angebotspreise seit der Zinswende infolge des russischen Überfalls auf die Ukraine vor zwei Jahren fast kontinuierlich gesunken, sagte Colliers-Experte Hanekopf. Bei Bestandsobjekten gaben die Durchschnittspreise von mehr als 6500 Euro pro Quadratmeter Anfang 2022 auf 5969 Euro Ende 2023 nach. Die Spitzenpreise gingen von fast 10.000 auf 8700 Euro zurück. Bei Neubau-Eigentumswohnungen verlief die Entwicklung etwas uneinheitlicher: Hier pendelten sich die Durchschnittspreise bei rund 8350 Euro ein, während die Spitzenpreise von mehr als 12.000 auf 11.560 Euro zurückgingen.
Überraschender Befund: „Die Baukosten sinken dramatisch“
In drei Punkten kamen die Experten zu überraschenden Befunden. Erstens: Die Baukosten, vielfach als eines der Top-Probleme am Bau benannt, seien bereits wieder rückläufig, sagte etwa Tobias Kassner, Mitglied der Geschäftsleitung bei Garbe Industrial Real Estate: „Die Preise gehen zurück, bleiben aber auf hohem Niveau.“ Noch weiter ging Jörn Stobbe, Sprecher der Geschäftsführung der Becken Holding: „Die Baukosten sinken sogar dramatisch“, habe er beobachtet. Denn viele Baufirmen würde in Erwartung eines bald wieder anziehenden Marktes unbedingt ihre Fachkräfte halten wollen und seien bereit, dafür Abstriche beim Gewinn zu machen.
Zweitens erwarten die Experten nicht, dass die Bauzinsen noch spürbar sinken werden. Die von vielen Branchen schon lange erwartete Zinssenkung der EZB sei in den Langfristzinsen ab zehn Jahren schon eingepreist, so Axmann.
Becken-Geschäftsführer Stobbe sieht großes Potenzial in der Standardisierung von Gebäuden: Je öfter man eine Wohnung baue, destor günstiger werde sie. Wenn es gelänge, einen Wohnungstyp bundesweit eine Million Mal zu errichten, sei das auch für Baukosten von unter 2000 Euro pro Quadratmeter möglich. Aktuell liegen diese eher bei 4500 bis 5000 Euro.
Bei Büroimmobilien steigt die Leerstandsquote in Hamburg auf 4,1 Prozent
Überraschend outete sich Stobbe auch als Anhänger des bei vielen Immobilienunternehmen äußerst unbeliebten Erbbaurechts. Dass die Stadt darauf setze, Grundstücke nur noch langfristig gegen einen Erbbauzins zu verpachten anstatt sie zu verkaufen, findet Stobbe richtig. Das spare viel Kapital bei der Immobilienfinanzierung und könne das Wohnen günstiger machen.
Von Nachfrageüberhang kann bei Büroimmobilien keine Rede sein: Die Leerstandsquote in Hamburg steige seit 2019 an, von damals 2,5 auf jetzt 4,1 Prozent, so Hanekopf. Grund sei die Veränderung der Arbeitswelt infolge der Corona-Pandemie und neuer technischer Möglichkeiten: Weil sich die Homeofficequote bei 25 Prozent einpendele, würden viele Unternehmen weniger Fläche benötigen. Er rechne mit einer Reduzierung der Büroflächen um durchschnittlich zwölf Prozent.
Für Hamburg erwarten die Experten, dass unattraktive Büros in Randlagen künftig gar nicht mehr zu vermieten seien – „stranded assets“ nennen sie das. Da bleibe den Besitzern dann nur noch der Grundstückswert übrig. Umgekehrt sehe es in zentralen Lagen aus: Die Nachfrage nach modernen Büros (Das Zauberwort heißt: „New Work“) mit guter Energieeffizienz sei größer als das Angebot.
Immobilienexperte: Perspektive für den Elbtower ist gut
Nach der Perspektive des Elbtower gefragt, sagte Stobbe: „Gut.“ Es sei die richtige Strategie, nach der Insolvenz des österreichischen Investors Rene Benko das Projekt nun neu aufzusetzen und eine kleine Gruppe an Partnern zu bilden, die das Projekt, die Stadt und die Beteiligten gut kennen. Wenn der derzeit rund 100 Meter hohe Büroturm fertig gebaut werde (Ziel sind 240 Meter), halte er auch eine Miete von mehr als 40 Euro pro Quadratmeter dort für möglich.
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Etwas skeptischer zeigte sich Peter Axmann. Es sei aus heutiger Sicht schwer zu sagen, wie sich die etwas abseitige Lage an den Elbbrücken langfristig entwickeln werde und ob Mieter bereit sein werden, für den Blick über die HafenCity so viel Geld zu bezahlen. Dass die Hamburg Commercial Bank von der geplanten Verlagerung ihrer Zentrale in den Elbtower zurückgetreten sei, sei unvermeidlich gewesen. Man könne keinen Umzug planen, wenn unklar sei, ob das Gebäude, in das man ziehen wolle, überhaupt fertig werde.