Hamburg. Mehrere Hamburger legen in Brüssel Beschwerde gegen den geplanten Deal ein. Wird die Reederei begünstigt? Es drohen Verzögerungen.

Es soll eigentlich alles ganz schnell gehen. Noch vor der Sommerpause will der Hamburger Senat den Teilverkauf des Hafenkonzerns HHLAan MSC durchziehen. Doch nun gerät der Zeitplan für den Einstieg der Schweizer Reederei in den Hamburger Hafen in Gefahr. Bei der EU-Kommission sammeln sich derzeit Beschwerden gegen die geplante Transaktion. Zwei davon liegen dem Abendblatt exklusiv vor. Es sollen aber weitere Beschwerden bei den Wettbewerbshütern eingetroffen sein.

Die bei der Generaldirektion Wettbewerb in Brüssel eingegangenen bekannten Einsprüche stammen von dem Hafenexperten der CDU, dem Bürgerschaftsabgeordneten und Rechtsanwalt Götz Wiese, und von Peter Schönberger, einem HHLA-Aktionär und ehemalige EU-Beamten, der lange am Europäischen Rechnungshof in Luxemburg tätig war.

Teilverkauf der HHLA an MSC wird ein Fall für die EU

Ihr Vorwurf: Der Hamburger Senat verstoße mit dem Teilverkauf der HHLA an MSC gegen das Beihilferecht der EU. „Der Senat verkauft die HHLA-Anteile an MSC unter Wert und verstößt damit gegen EU-Beihilferecht“, sagt Schönberger dem Abendblatt als Begründung. „Gleich als die Transaktion im Herbst des vergangenen Jahres vorgestellt worden war, hätte man diese durch die EU prüfen lassen müssen. Das unterblieb und nährt den Verdacht, dass da nicht alles im Reinen ist. Ich verstehe nicht, wie man sich einem solchen Risiko aussetzen kann.“

Zur Erinnerung: Im September 2023 hatte Bürgermeister Peter Tschentscher eine strategische Beteiligung von MSC an der HHLA angekündigt. Demnach soll die Schweizer Reederei künftig bis zu 49,9 Prozent an dem Hamburger Hafenkonzern halten, bei Hamburger Senat verbleiben 50,1 Prozent und damit die Mehrheit.

Deal wurde in Geheimverhandlungen vereinbart

Dazu erklärte sich der Senat damals bereit, mehr als 19 Prozent seines knapp 70-prozentigen Anteils an der HHLA an MSC zu veräußern. Die restlichen etwas mehr als 30 Prozent der HHLA-Aktien sollte die Reederei bei den privaten und institutionellen Anlegern am freien Markt einkaufen. Der Stückpreis wurde auf 16,75 Euro pro Aktie festgelegt.

Das Berlaymont ist der Sitz der Europäischen Kommission in Brüssel. Sie soll den MSC-Deal überprüfen.
Das Berlaymont ist der Sitz der Europäischen Kommission in Brüssel. Sie soll den MSC-Deal überprüfen. © picture alliance/dpa/BELGA | picture allance

Der Deal wurde in Geheimverhandlungen mit MSC geschlossen. Ein öffentliches Markterkundungsverfahren gab es nicht, ebenso wenig ein strukturiertes Bieterverfahren. „Ein Deal in Geheimverhandlungen, Zweifel an der Bewertung, keine Transparenz für neutrale Experten. Das Verscherbeln von Staatsvermögen steht im Raum. Da ist es im Interesse der Hamburgerinnen und Hamburger, dass der HHLA-Verkauf von der Europäischen Kommission überprüft wird“, sagt CDU-Politiker Wiese.

Beschwerdeführer beklagen zu niedrigen Verkaufspreis

Wie Schönberger bemängelt auch Wiese den Kaufpreis von 16,75 Euro, hochgerechnet wäre das ein Unternehmenswert von 1,2 Milliarden Euro. Damit habe der Senat ein schlechtes Ergebnis erzielt, denn die Bewertung der Aktien erfolgte ausschließlich orientiert am Aktienkurs der vorangegangenen drei Monate. Tatsächlich liege der Unternehmenswert der HHLA zwischen zwei und sechs Milliarden Euro, so seine Ausführungen an die EU.

Der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Götz T. Wiese (CDU) ruft die Generaldirektion Wettbewerb der EU-Kommission an.
Der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Götz T. Wiese (CDU) ruft die Generaldirektion Wettbewerb der EU-Kommission an. © Marcelo Hernandez / FUNKE Foto Services

Eine Wertermittlung des Unternehmens habe gar nicht stattgefunden. Die sogenannte „Fairness Opinion“ zweier Banken, welche der Senat und die HHLA eingeholt haben, sei keine Unternehmensbewertung im eigentlichen Sinne, „sondern nur eine kapitalmarktrechtliche Einschätzung, ob der den Streubesitzaktionären gebotene Preis aus finanzieller Sicht angemessen ist“, schreibt Wiese

Verdacht auf Verstoß gegen Beihilferecht

Auch die Citibank habe in ihrer Untersuchung ausdrücklich festgestellt: „Unsere Fairness Opinion stellt kein Wertgutachten dar, wie es typischerweise von Wirtschaftsprüfern erstellt wird, und ist nicht als solches gedacht, noch soll sie so ausgelegt werden. Sie unterscheidet sich in einer Vielzahl von Punkten von einer von einem Wirtschaftsprüfer vorgenommenen Unternehmensbewertung, und unsere Fairness Opinion ist auch nicht in Übereinstimmung mit den vom Institut der Wirtschaftsprüfer veröffentlichten Grundsätzen für die Erstellung von Fairness Opinions erstellt worden.”

Finanzsenator Andreas Dressel auf dem Dach seiner Behörde.  Er sagt, der Deal sei kein Fall fürs EU-Beihilferecht.
Finanzsenator Andreas Dressel auf dem Dach seiner Behörde.  Er sagt, der Deal sei kein Fall fürs EU-Beihilferecht. © Michael Rauhe / FUNKE Foto Services | Michael Rauhe

Die EU-Kommission hat den Eingang der Beschwerden bestätigt, sich aber noch nicht inhaltlich geäußert. Sollte sie die Beschwerden ernst nehmen und in die Prüfung einsteigen, könnte dies Folgen für das Verfahren haben. „Eine etwaige Prüfung durch die EU steht nicht als aufschiebende Wirkung im Vertrag“, sagt Wiese. „Eine Prüfung der EU würde aber zeigen, dass sie tatsächlich Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Vertrags hat, und das könnte zu Verzögerungen führen.“

Senat hält beihilferechtliche Prüfung für nicht notwendig

Der Senat antwortete am Freitag: „Die von Ihnen angesprochene Beschwerde liegt uns nicht vor. Wir gehen weiterhin davon aus, dass die Entscheidung der Hamburgischen Bürgerschaft über den Teilverkauf der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) noch vor der Sommerpause erfolgen könnte“, so ein Sprecher der Wirtschaftsbehörde.

Der Senat geht weiterhin davon aus, dass keine beihilferechtliche Genehmigung notwendig ist. Das hatte Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) in der Sitzung des Wirtschaftsausschusses Anfang April deutlich gemacht. „Eine beihilferechtliche Genehmigung wäre nur dann erforderlich, wenn ein beihilferechtlicher Vorteil vorliegt.“

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Dabei sei maßgeblich, ob ein privater Wirtschaftsbeteiligter, der unter normalen Marktbedingungen tätig ist, in einer ähnlichen Situation wie die staatlichen Stellen gehandelt hätte. „Kann das bejaht werden, wird kein marktunüblicher Vorteil gewährt, und es fehlt an einer Beihilfe“, sagte Dressel.

Im Ausschuss beschlossen die Abgeordneten zudem, am 19. April in einer nicht-öffentlichen Sitzung erneut über den MSC-Deal zu beraten, nachdem der Senat zuvor weitere Daten über die Transaktion zur Einsicht bereitgestellt hat. Der Streit geht weiter.