Hamburg. Start-up Beagle Systems erhält Auftrag aus dem HanseWerk-Konzern. Wie die Fluggeräte für Sicherheit sorgen und die Umwelt entlasten.

Drohnen gehören im privaten Bereich mittlerweile zum Alltag. Mal hört man ihr Surren aus dem Nachbargarten, mal fliegen sie im Urlaub übers Hotel, und von den Drohnen geschossene Luftbilder gehören heutzutage fast in jedes Maklerexposé.

Der gewerbliche Einsatz steckt hingegen vielfach noch in den Kinderschuhen – aber ein Hamburger Unternehmen hat nun einen wichtigen Auftrag an Land gezogen. Das Wandsbeker Start-up Beagle Systems überwacht für den Netzbetreiber HanseGas seit Anfang April zunächst für drei Jahre die gesamte Hochdruck-Pipeline.

Drohnen aus Hamburg überwachen Gasleitungen

HanseGas ist eine Tochter des Quickborner Konzerns HanseWerk und versorgt über 5000 Kilometer Erdgasleitungen rund 63.500 Haushalte und Unternehmen in Mecklenburg-Vorpommern und Teilen Brandenburgs. Bisher seien für die Überwachung Hubschrauber eingesetzt worden, sagt Oliver Lichtenstein im Gespräch mit unserer Redaktion. „Nach unserem Wissen ist HanseGas der erste europäische Pipeline-Anbieter, der den Schritt weg von Helikoptern wagt und vollständig auf eine Drohnenlösung setzt.“

Der Betriebswirt hatte nach jahrelanger Vorarbeit in einem Schweinestall das Start-up zusammen mit seinen Geschäftspartnern Jerry Tang und Mitja Wittersheim 2019 gegründet. Das heute 19-köpfige Team baut die Drohnen in Eigenregie zusammen und entwickelt die genutzte Software weitgehend selbst.

Schutzstreifen um die Pipelines müssen regelmäßig beobachtet werden

Nun soll Beagle Systems einmal monatlich das Pipelinenetz von HanseGas abfliegen. Dieses verläuft zwar unterirdisch, aber trotzdem muss ein Schutzstreifen von 100 Metern links und rechts der Rohre regelmäßig beobachtet werden. „Die Gefahrenstellen, um die es geht, sind oberirdisch“, sagt Lichtenstein. Risiken gibt es, wenn zum Beispiel mit einem Bagger ein Loch gegraben wird oder sonstige bauliche Veränderungen in der Nähe vorgenommen werden, ohne dass sich die Arbeiter darüber im Klaren sind, dass im Boden eine Pipeline verläuft.

Geflogen wird mit einer 14 Kilogramm schweren und 2,50 Meter breiten Drohne, die vier Kameras an Bord hat. Etwa jede Sekunde machen sie Fotos, sodass sich die Bilder zu 80 Prozent überlappen. Die Auswertung der ermittelten Daten übernimmt das Partnerunternehmen Supervision.Earth, von denen die Wandsbeker für das Projekt angeworben wurden. Denn ursprünglich wollte die Darmstädter Firma Satellitenbilder für die Analyse nutzen. „Die Auflösung von Satellitenbildern reicht aber nicht aus, um Hubschrauber zu ersetzen“, sagt Lichtenstein, dessen Firma der einzige Anbieter für solche Langstrecken-Inspektionsflüge mit Drohnen sei.

Wird eine Gefahrenstelle entdeckt, fährt ein Techniker von HanseGas raus

Zusätzlich werden die Satellitenbilder nun dennoch verwendet. Denn die täglich aus dem Weltall gesendeten Bilder werden genutzt, um zu schauen, ob sich ein Pixel farblich veränderte und plötzlich in den Sicherheitsbereich hineinragt. Ist dies der Fall, fahre ein Techniker von HanseGas dort hin, schaue sich die Lage an und schreite gegebenenfalls ein.

Beagle Systems hat in Deutschland schon einige Hangars eingerichtet, von denen die Drohnen zu ihren Operationen starten und in denen sie anschließend wieder automatisch geladen werden. Für den neuen Auftrag können diese allerdings noch nicht genutzt werden, weil sie zu weit weg sind. So muss ein Mitarbeiter zunächst die Drohnen an den Abflugort bringen. Mit dem Flug hat er allerdings nichts zu tun. „Die Drohne wird von uns in Hamburg aus dem Mission Control Room gesteuert“, sagt Lichtenstein. 100 bis 120 Kilometer fliegt sie normalerweise nonstop pro Einsatz. In spätestens eineinhalb Jahren will man ein Ladestationsnetz aufgebaut haben, das die Bundesrepublik abdeckt.

HanseGas kann sich Ausweitung des Auftrags vorstellen

Im Vergleich zu einem Hubschrauberflug würde man mehr als 99 Prozent an CO₂-Emissionen einsparen, sagt Lichtenstein, dessen Unternehmen 2021 den Hamburger Gründerpreis gewann. Für 100 Kilometer Strecke brauche man nur zwei Kilowattstunden Strom. Deutlich leiser sind Drohnen ohnehin.

Das kommt auch bei dem Gasversorger gut an. „Für uns ergänzen sich Anforderungen an Qualität und Klimaschutz in diesem Projekt ideal“, sagt Volker Höfs, der Leiter Netzdienste bei HanseGas. „Ich bin sicher, dass wir mit dieser Lösung neue Standards schaffen. Und wir denken bereits weiter. Unser nächstes Ziel ist es, die Befliegung mit den Drohnen mit einer Leck-Detektion zu verbinden.“ Dabei könnte die Drohne dann Sensorik an Bord nehmen, die kleine Löcher in der Pipeline und einen Gasaustritt aufspürt – bisher sind dafür Menschen mit technischen Geräten unterwegs.

Drohnen von Beagle Systems sollen Hubschrauberflüge ersetzen

Lichtenstein hätte gegen eine Ausweitung des Auftrags sicherlich keine Einwände, hofft aber auch auf Geschäfte mit der Konkurrenz von HanseGas. „Wir planen, in dem Thema kritische Infrastruktur Hubschrauber komplett zu ersetzen und alle Netzbetreiber mit Daten zu beliefern“, so der Beagle-Systems-Geschäftsführer. Dies biete auch den großen Vorteil, dass dank der Daten ein digitaler Zwilling für historische Vergleiche entsteht. Denn im Hubschrauber habe sich ein Beobachter nur handschriftlich Notizen gemacht.

Bisher flog Beagle Systems vor allem viel in Westdeutschland für den Netzbetreiber Westnetz, zum Beispiel beim Auftreten von Kurzschlüssen. Bei einer neuen Wasserstoffpipeline habe man die Bauüberwachung gemacht. Als im Januar weite Teile Niedersachsens unter Wasser standen, flog man mit Drohnen darüber und ermittelte für das Technische Hilfswerk mit Multispektralaufnahmen die Durchnässung der Deiche.

Durch Drohnen aus Hamburg soll der Einsatz von Pestiziden auf Feldern verringert werden

Man sei noch in der verlustreichen Start-up-Anfangsphase, die Umsätze wüchsen aber kräftig und lägen im niedrigen siebenstelligen Bereich, sagt Lichtenstein, dessen Team sich in diesem Jahr auf 36 Beschäftigte fast verdoppeln soll.

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Das nächste Geschäftsfeld hat er fest im Visier. Beim precision farming geht es darum, den Einsatz von Pestiziden, Herbiziden und Düngemittel zu reduzieren. Man könne sehr hochauflösende Karten fertigen, auf denen ein Pixel für eine Größe von vier mal vier Millimetern stehe. Das sei 75-mal besser als der beste hochauflösende Satellit. „Mithilfe künstlicher Intelligenz kann man dann die Blattformen analysieren“, sagt Lichtenstein. So sollen Landwirte nur dort die Schädlinge bekämpfen oder düngen, wo es wirklich gebraucht wird. Die Feldspritzen seien größtenteils schon GPS-gesteuert und könnten gezielt Flächen von zum Beispiel 30 mal 30 Zentimetern ansteuern.

Sowohl das Vermeiden des Gasaustritts als auch die Reduzierung des Einsatzes von Schädlings- und Düngemitteln dienen zudem dem Umweltschutz, so Lichtenstein: „Beide Anwendungsfälle haben einen großen Klimaeffekt. Das ist uns sehr wichtig.“