Hamburg. Künstliche Intelligenz soll Landesbetrieb bei Checks der Bauwerke helfen. Auch Deiche und Baustellen im Fokus.

Hamburg gilt als die brückenreichste Stadt Europas. Mehr als 2500 dieser Querungsbauwerke soll es in der Hansestadt geben. Für einen Großteil von ihnen ist der Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer (LSBG) verantwortlich. Bisher seien erst in Einzelfällen Brücken mit Drohnen geprüft worden, sagt LSBG-Geschäftsführer Stefan Klotz.

In Zukunft werden die vorgeschriebenen turnusmäßigen Untersuchungen aber vermehrt aus der Luft stattfinden. „Das ist jetzt erst einmal im Werden“, sagt Klotz am Mittwoch bei der Vorstellung einer Innovationspartnerschaft mit HHLA Sky auf dem Gelände des Großmarkts. Nach und nach solle dieser Weg der Inspektionen aber ausgebaut werden und „kann dazu führen, dass alle Bauwerke über Drohnenflüge“ inspiziert werden.

Mit Drohnen kommt man leichter an und unter Brücken

In ersten Einsätzen flogen die Drohnen über die Brücke, um sie herum und vor allem darunter. Das sei in Hamburg mit seinen vielen Flüssen- und Kanalquerungen besonders wichtig, so Klotz: „Sonst müssten wir dort mit Schiffen, Pontons und Bühnen selbst hin.“ Das bedeutet viel Aufwand – aus der Luft kommt man ohne große Probleme dorthin.

Die 3,6 Kilogramm schwere Drohne kann rund 30 Minuten in der Luft bleiben und bis zu drei Kilogramm Last mit an Bord nehmen. Rund zwei Kilogramm wiegt die Kamera. Mit ihr sind hochauflösende Fotos und Videos möglich. Bei der Analyse der Bilder wird dann auf künstliche Intelligenz (KI) zurückgegriffen. Beispielsweise vergleiche sie Bilder mit Rissen in den Bauwerken und ziehe Parallelen zu vergleichbaren Fällen.

Künstliche Intelligenz soll Empfehlung aussprechen

Geschaut werde, welchen Rat die Ingenieure damals abgaben. Die KI spricht dann ihre eigene Empfehlung aus. Das kann ein Vor-Ort-Termin eines LSBG-Mitarbeiters sein oder ein Reparaturvorschlag. Auch eine automatische Auftragsgenerierung an ein Unternehmen könne „in ganzer ferner Zukunft“ geschehen, sagt Klotz. Der Landesbetrieb hat zunächst nur eine Drohne am Start. Aber: „In weniger als zwei Jahren sollen schon einige mehr unterwegs sein“, sagt Klotz. Bei Bedarf könne man auf HHLA-Drohnen zurückgreifen.

Perspektivisch kann sich der LSBG-Geschäftsführer auch eine Erweiterung um mechanische Systeme wie bei einem Mondrover vorstellen, der zum Beispiel Gesteine einsammelt: „Das kann theoretisch auch eine Drohne.“ Abgeschlossen sei die Untersuchung, nachdem die Drohne nochmals über die Brücke geflogen sei.

HHLA Sky wartet Containerbrücken mit Drohnen

Beim Projektpartner kennt man sich mit solchen Bauwerksichtungen aus. Seit rund zwei Jahren fliegt HHLA Sky – eine 100-prozentige Tochter der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) – im Hafen über Containerbrücken. Zweimal pro Jahr müssten die riesigen Verladekonstruktionen inspiziert werden, sagt Dieter Küsel, der bei der HHLA Projektleiter für die Kooperation mit der LSBG ist.

„Früher war es so, dass Industriekletterer am Werk waren. Die brauchen pro Brücke zwei bis drei Tage mit zwei Leuten“, sagt Küsel: „Wir befliegen das mit der Drohne in einem halben Tag.“ Momentan sei man dabei, eine KI zu entwickeln, sodass nur Fotos, bei denen im Vergleich zu früheren Aufnahmen Veränderungen festgestellt wurden, an die jeweils zuständigen Mitarbeiter weitergeleitet werden.

Flugschau auf dem Großmarkt fällt aus

Man habe mit dem Verfahren gute Erfahrungen gemacht, so Küsel. Zwar könne man wegen zu starken Windes ab und an nicht fliegen, angesichts der langen Intervalle für die Prüfungen sei dies aber nicht schlimm. Einige Stunden später oder am nächsten Tag sei der Drohnenflug fast immer möglich.

Auf dem Großmarkt ist dies an diesem Mittwoch anders. Eigentlich war eine Flugschau geplant. Aber immer wieder pfeift der Wind am Mittag mit starken Böen über das Gelände und rüttelt lautstark an der Plane eines Gerüsts. Den vier von HHLA Sky jüngst ausgebildeten Drohnenpiloten des LSBG ist der Start zu heikel.

Die Böen sind zu heftig

Die Windgeschwindigkeit dürfe bei maximal zwei Dritteln der Höchstgeschwindigkeit der Drohne liegen, sagt Pilot Christian Götzke. Das Fluggerät schafft in der Spitze etwa 50 Kilometer pro Stunde. Die Böen seien aber zu heftig. Sicherheit gehe vor.

Der 54-Jährige, der bei der LSBG als Projektleiter arbeitet und auch privat Drohnen lenkt, war aber schon bei ersten fliegenden Einsätzen dabei. „Die Drohne fliegt gut. Wir sind extrem zufrieden und haben eine extrem hoch auflösende Kamera, mit der wir bildbasierte Bauwerkserkennung machen können“, sagt der studierte Geograf und Geoinformatiker: „Es macht Spaß und ist immer interessant.“

Straßen, Baustellen und Deiche sind weitere Anwendungsfälle

Brücken sind nicht das einzige Anwendungsfeld für den Landesbetrieb. So flog die Drohne auch schon über die Hohenfelder Bucht und sammelte Daten über die Entwicklung der Riesenbaustelle. Auch beim Erkennen von Schlaglöchern auf Straßen könne sie andere Geräte unterstützen. Oder bei der Analyse des Verkehrsflusses – beziehungsweise Staus auf dem Asphalt.

„Die Drohne kann auch in der Deichschau unterstützend tätig sein“, sagt Klotz und ergänzt: „Ein großer See an Daten hilft, später Sachen miteinander zu verknüpfen.“ Es werde künftig sicherlich Anwendungsfälle geben, an die derzeit noch nicht zu denken sei. Ihm sei es wichtig, die Digitalisierung voranzutreiben. Denn sie müsse den Fachkräftemangel teilweise kompensieren, damit sich Menschen um andere Themen kümmern könnten.

HHLA Sky koordiniert bis zu 100 Drohnen im Leitstand

Wichtiger Teil der Kooperation, die keinen eigenen Etat hat und vor allem auf Wissensaustausch abzielt, war die Entwicklung eines eigenen Leitstandes für die LSBG, die schon erfolgte. Auch HHLA Sky hat so einen schon in Betrieb. „Bis zu 100 Drohnen können im Leitstand gleichzeitig geflogen und bedient werden“, sagt Küsel. So könne der personalaufwendige Eins-zu-eins-Schlüssel zwischen Mensch und Drohne aufgehoben werden und die Vor-Ort-Präsenz abgebaut werden.

Noch ist diese allerdings notwendig. Neben dem Piloten müssen je nach Einsatz auch ein Techniker und ein Spotter, der zum Beispiel störende Passanten verweist, Präsenz zeigen. „Das Ziel ist es, das ganze weitgehend automatisiert abzufrühstücken“, sagt Götzke. Starten, Abfliegen einer programmierten Route und die Rückkehr zum Landepunkt sollen also ohne menschliche Eingriffe passieren. Die Missionsplanung laufe über den Leitstand. Zwar ist ein generelles Betriebskonzept eingereicht worden, aber bisher braucht man für jeden Start noch eine Einzelgenehmigung.

Drohne hat Fallschirm und Boje an Bord

Falls bei der Drohne übrigens doch mal etwas schiefgehen sollte, segelt sie mit einem Fallschirm, der per Druckluft ausgelöst wird, zu Boden. „Und auch eine Boje ist an Bord“, sagt Götzke lachend, „falls das Ding über Wasser runterkommt.“ Das kann in der Stadt der Brücken ja mal vorkommen.