Hamburg. Vor dem Comeback am Himmel müssen einige Maschinen einen besonders aufwendigen Check absolvieren. Was die Spezialisten dabei machen.

Für das größte Passagierflugzeug der Welt verzichtet Rainer Janke mitunter gern auf eine Mütze Schlaf. Der Hamburger arbeitet für Lufthansa Technik auf den Philippinen und verantwortet dort den Bereich Marketing und Sales. „Wenn ein A380 bei uns ankommt, das passiert in der Regel nachts, stehe ich schon manchmal auf und sage der ankommenden Crew ,Guten Morgen‘“, sagt der 63-Jährige: „Das ist jedes Mal wieder ein besonderes Ereignis.“

Der Wirtschaftsingenieur wird in den nächsten Monaten noch einige Male die Chance haben, besonders früh aus dem Bett zu klettern. Denn der Riesen-Airbus feiert bei einigen Airlines ein überraschendes Comeback. Eigentlich wollten sie ihn ausmustern. Weil die Nachfrage auf der Langstrecke nach Corona aber schneller anzog als erwartet und es bei Boeing zu massiven Lieferverzögerungen beim häufig als Nachfolger auserkorenen Großraumjet 777-X kommt, kehrt die „Königin der Lüfte“ in die Flotten zurück – wie beim Mutterkonzern Lufthansa.

A380: Wie Lufthansa Technik den Riesen-Airbus wieder flottmacht

Allerdings stehen bei einigen Maschinen vor der Rückkehr in den Linienbetrieb umfangreiche Arbeiten an – und da kommt die Hamburger Technik-Tochter ins Spiel. Der Weltmarktführer für die Wartung, Reparatur und Überholung von Flugzeugen schloss Mitte Februar erstmals einen Zwölf-Jahres-Check an einem A380 ab. Aus Kostengründen geschieht dies allerdings nicht im Hochlohnland Deutschland, sondern bei Lufthansa Technik Philippines in Manila – der mit rund 2700 Mitarbeitern größten Subgesellschaft des Technik-Konzerns.

Rainer Janke in Manila: Der 63-Jährige verantwortet bei Lufthansa Technik Philippines den Bereich Marketing und Sales.
Rainer Janke in Manila: Der 63-Jährige verantwortet bei Lufthansa Technik Philippines den Bereich Marketing und Sales. © Lufthansa Technik AG | Lufthansa Technik

„Der Zwölf-Jahres-Check an einem A380 ist das komplexeste Ereignis, das wir an einem kommerziellen Flugzeug durchführen. Er dauert etwa fünfmal so lange wie beim A320“, sagt Janke im Videogespräch. Aus Sicherheitsgründen werden an Flugzeugen in vorgeschriebenen Abständen verschiedene Kontrollen durchgeführt. Zum Teil geschieht das während des täglichen Flugbetriebs und über Nacht. Bei komplexeren Checks dauert es mehrere Tage bis einige Wochen. „Ein Zwölf-Jahres-Check für einen A380 dauert in der Regel um die 100 Tage“, sagt Janke.

Lufthansa Technik startet Vorarbeiten weit vor Landung des A380

Die Vorbereitungen dafür beginnen schon rund zwei Monate vor der Ankunft des vierstrahligen Jets. Das Arbeitspaket wird definiert. Es wird aufgelistet, welche Punkte abgearbeitet werden müssen. Beim A380 kommt noch eine Reihe von Modifikationen hinzu, die die Luftaufsichtsbehörde vorschreibt. Zum Beispiel müssen die Außenflächen der Flügel auf Haarrisse untersucht werden, nachdem man bei einigen Maschinen an dieser Stelle dieses Problem entdeckte. Es wird kalkuliert, wie lange die Arbeiten dauern, welche Kapazität man dafür braucht und welche Materialien und Werkzeuge vermutlich benötigt werden.

„Sobald das Flugzeug hier angekommen ist, fangen wir an, es für den Check vorzubereiten“, sagt Janke. Zunächst kommt das Kerosin heraus, weil der Tank auf Korrosion und Dichtigkeit inspiziert wird. Dann geht es mit dem Kunden in die Kabine, um die Details der geplanten Arbeiten wie etwa das Ausbessern von Oberflächen und Kratzern festzulegen.

A380 – nach zwölf Jahren muss das Fahrwerk raus

In der Halle wird der Flieger aufgebockt. Ein Flugzeugheber (Jack) wird unter der Nase platziert, zwei weitere unter beiden Tragflächen. Beim A380 kommt noch eine zusätzliche Stütze am Heck dazu, damit die 72,70 Meter lange und über beide Flügelspitzen 79,80 Meter breite Maschine stabil steht.

Ein Lufthansa-A380 beim Start in Frankfurt: Das Fahrwerk hat insgesamt 22 Räder. Nach zwölf Jahren muss es ausgetauscht werden.
Ein Lufthansa-A380 beim Start in Frankfurt: Das Fahrwerk hat insgesamt 22 Räder. Nach zwölf Jahren muss es ausgetauscht werden. © picture alliance / Boris Roessler/dpa | Boris Roessler

Die Jacks werden unbedingt gebraucht. Denn der Fahrwerkswechsel ist ein wichtiger Bestandteil des Zwölf-Jahres-Checks, der etwa 20 Prozent der gesamten Arbeitszeit ausmacht. „Das Fahrwerk muss nach zwölf Jahren überholt werden und wird dafür ausgetauscht“, sagt Janke. Es muss ein maximales Abfluggewicht von 560 Tonnen tragen können. Das Fahrwerk besteht aus fünf Sets: zwei unter den Flügeln, zwei unter dem Rumpf und eins am Bug mit insgesamt 22 Rädern.

Bordküchen, Toiletten, Sitze – alles in der Kabine wird überarbeitet

Das ausgebaute Fahrwerk wird zu Lufthansa Technik nach London geflogen. Dort wird es zerlegt, auf Risse untersucht, und es werden Teile ausgetauscht, sodass wieder ein für zwölf Jahre einsetzbares, nahezu „neues“ Fahrwerk entsteht. Allerdings dauert dieser Prozess so lange, dass das Fahrwerk nicht an demselben Flugzeug montiert wird.

„Als Nächstes wird die komplette Kabine ausgebaut“, sagt Janke. Die meisten Airlines fliegen den für bis zu 853 Passagiere zugelassenen A380 mit etwa 500 Sitzen. Die müssen alle raus. Ebenso wie die Bordküchen und die Toiletten. Die Galleys und Wascheinheiten werden wieder aufgearbeitet. Sitzbezüge und -polster werden gereinigt oder ausgetauscht, Toilettenbecken neu lackiert.

Lufthansas A380 sollen 2025 eine neue Businessklasse erhalten

Theoretisch wäre während der Standzeit auch der Einbau einer neuen Kabine möglich. Doch solche Austauschprogramme benötigten eine Vorlaufzeit von etwa zwei Jahren. Weil viele Airlines die Entscheidung für das Comeback der „Königin der Lüfte“ recht kurzentschlossen trafen, spielen Modernisierungen des Interieurs derzeit noch keine Rolle bei den Zwölf-Jahres-Checks. Ab nächstem Jahr werden in Manila aber auch Kabinenerneuerungen gemacht. Lufthansa hat für das zweite Halbjahr 2025 eine neue Businessklasse im A380 angekündigt.

Blick in den Lufthansa-A380 „Mike Hotel“ während des Zwölf-Jahres-Checks in Manila.
Blick in den Lufthansa-A380 „Mike Hotel“ während des Zwölf-Jahres-Checks in Manila. © Lufthansa Technik Philippines | Lufthansa Technik Philippines

Auch Handgepäckfächer, Seitenverkleidungen und Decken müssen beim Zwölf-Jahres-Check ab, damit die Techniker Zugang zur Struktur des Flugzeuges haben und alle sonst versteckten Teile unter die Lupe nehmen können – beispielsweise Leitungen. Zu Spitzenzeiten sind mehr als 100 Mitarbeiter gleichzeitig im Einsatz. Viele Arbeiten können aber nicht parallel gemacht werden, sondern müssen nacheinander erfolgen.

Die vier jeweils sechs Tonnen schweren Triebwerke müssen ab

Die vier mächtigen, jeweils gut sechs Tonnen schweren Triebwerke werden ebenfalls entfernt. Beim ersten Zwölf-Jahres-Check in Manila, der an der Lufthansa-Maschine mit dem Kennzeichen D-AIMC – intern „Mike Charlie“ genannt – durchgeführt wurde, stand zwar nur eine kleinere Wartung der Motoren an. Doch mussten neben den Tragflächen auch die Triebwerksaufhängungen detailliert untersucht werden – da stören die Antriebsaggregate nur.

Das gut sechs Tonnen schwere Triebwerk der „Mike Hotel“ steht abgebaut in einem Hangar in Manila.
Das gut sechs Tonnen schwere Triebwerk der „Mike Hotel“ steht abgebaut in einem Hangar in Manila. © Lufthansa Technik Philippines | Lufthansa Technik Philippines

Wenn alles inspiziert und erneuert wurde, werden alle Teile wieder eingebaut. Die Systeme werden aktiviert und auf ihre Funktionstüchtigkeit geprüft. Auch dieser Check am Boden ist zeitaufwendig. Zum Schluss schickt die Airline einen Piloten nach Manila, um nach der Wartung einen Testflug zu machen.

Zu den A380-Kunden von Lufthansa Technik gehören Emirates und British Airways

Die „Mike Charlie“ ist mittlerweile wieder im Liniendienst der Lufthansa, fliegt etwa von München aus Passagiere nach Bangkok. Dafür ist „Mike Hotel“ (Kennzeichen D-AIMH) nun in Manila. Und kommen werden auch noch „Mike Alpha“ und „Mike Bravo“. Lufthansa reaktiviert alle acht A380, die sie nach der vorübergehenden Stilllegung behalten hatte.

In diesem Hangar in bei Lufthansa Technik in Manila durchlaufen die A380 den bis zu 100 Tage dauernden Zwölf-Jahres-Check.
In diesem Hangar in bei Lufthansa Technik in Manila durchlaufen die A380 den bis zu 100 Tage dauernden Zwölf-Jahres-Check. © Lufthansa Technik Philippines | Lufthansa Technik Philippines

Nach der Lufthansa folgen weitere Kunden für Zwölf-Jahres-Checks. Emirates, British Airways und Korean Air wollen den Riesen-Airbus in Manila ebenfalls wieder flottmachen lassen, für die nächsten Jahre gibt es Aufträge. „Wir sind sehr gut ausgelastet und haben 2023 aufgrund der starken Nachfrage eine dritte Überholungslinie für den A380 in Betrieb genommen“, sagt Janke. Mit nur 251 jemals gebauten Flugzeugen handele es sich zwar um einen Nischenmarkt – in dem man aber „gut platziert“ sei.

Lufthansa gab sechs A380 an Airbus zurück – sie dienen nun als Ersatzteilspender

Engpässe bei Ersatzteilen gebe es zwar manchmal, das hänge aber nicht mit dem von Airbus beschlossenen Aus für die Fertigung des A380 im Jahr 2021 zusammen. Vielmehr belasten die generellen Probleme von Zulieferern beim Produktionshochlauf nach der Corona-Pandemie. Zurückgegriffen wird daher auch auf einige ausrangierte Maschinen.

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So hatte die Lufthansa sechs ihrer einst 14 Maschinen an Airbus zurückgegeben. Airline-Chef Spohr sagte unlängst, dass von diesen „nicht mehr viel über ist, weil wir alle in der Branche die Ersatzteile gebraucht haben. Auch wir mussten auf diese Teile zurückgreifen und in die acht Flugzeuge einbauen, die fliegen.“

A380 – Lufthansa Technik will bei weiteren Zwölf-Jahres-Checks schneller werden

Grundsätzlich habe bei der Premiere alles gut geklappt, heißt es. Dennoch versuche man, „die beim ersten Check gewonnene Erfahrung für die Überholung des zweiten Flugzeugs zu nutzen“, sagt Janke. Man will also schneller werden, indem man zum Beispiel die Arbeiten noch besser synchronisiert. Und zudem dürfte es Lerneffekte geben, schließlich waren die Arbeiten für die Mechaniker etwas Neues.

Ein bisschen Ehrfurcht vor dem größten Passagierflugzeug der Welt dürfte auch dabei gewesen sein. Denn selbst der erfahrene, seit mehr als drei Jahrzehnten in der Branche tätige Rainer Janke sagt: „Es fasziniert mich immer noch jeden Tag, wenn ich neben einem A380 in der Halle stehe. Das ist etwas Emotionales.“