Hamburg. Erstmals wird privater Pkw Teil des öffentlichen Nahverkehrs. Wie das Modell läuft, was es Fahrern bringt. Ziehen andere Firmen nach?
Nawina Walker hat es vor Kurzem das erste Mal ausprobiert. Von Altona aus nahm die Leiterin des Hamburger Standortes von Airbus eine Kollegin im Auto mit zur Arbeit auf Finkenwerder. „Es war großartig“, sagte Walker. „Wir haben uns gut unterhalten.“ Nun sind Fahrgemeinschaften für den Weg ins Büro nichts Neues – in diesem Fall allerdings schon.
Denn die Verabredung zur gemeinsamen Anreise wurde über eine App getroffen, die in ein neues Mobilitätskonzept eingebunden ist. Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) bezeichnete es bei der Vorstellung am Mittwoch auf dem Werksgelände des Flugzeugbauers als „eine große Revolution“. Denn es handele sich um „die erste Integration deutschlandweit des privaten Pkw in den öffentlichen Nahverkehr“. Das sei ein großer Schritt, von dem man sich sehr viel erhoffe.
Airbus: Kollegen im Auto mitnehmen – der HVV bezahlt es
17.000 Beschäftigte hat Airbus, und einige von ihnen legen lange Wege zur Arbeit mit dem Auto zurück. Immer wieder kommt es auf Finkenwerder zu Staus, insbesondere zum Schichtwechsel. Ab Juli soll die neue XpressBus-Linie 46 Abhilfe schaffen, die zunächst von der S-Bahn-Station Harburg Rathaus und nach Abschluss der Bauarbeiten vom Bahnhof Harburg zum Werk fahren und deutlich schneller sein soll als die bisherige Linie 146.
Im Einzugsgebiet des Hamburger Verkehrsverbundes (HVV) leben 14.800 Beschäftigte – und diesen macht Airbus nun ein neues Angebot. Das Personal kann sich für das Klimaticket registrieren lassen. In der XL-Variante ist dies im Prinzip nichts anderes als das Deutschlandticket. Es gibt aber auch die S-Variante. Bei dieser bezahlt der Arbeitgeber 12,25 pro Monat und Beschäftigtem, der dafür drei Tageskarten pro Monat erhält. Der Arbeitnehmer muss nichts zahlen. Das Ziel: Menschen zum Umstieg vom Auto auf Bus, Bahn und Fähre zu bewegen.
Airbus – so funktionieren die Fahrgemeinschaften per App
Beim Klimaticket machen bisher fünf große Hamburger Unternehmen mit: Stromnetz Hamburg, die Stadtreinigung, die Block-Gruppe und Moia – Airbus aber hat ein Alleinstellungsmerkmal: die Integration der Fahrgemeinschaften-App goFlux.
Und so funktioniert die gemeinsame Anreise der Arbeitskollegen im Privatauto: Die Airbus-Beschäftigten laden sich im App-Store das Smartphone-Programm herunter. Sie legen ein Profil mit ihrem Namen und E-Mail-Adresse an, hinterlegen eine Konto- oder Kreditkartenverbindung und entscheiden, ob sie Fahrer, Mitfahrer oder beides sein wollen.
Die Mitfahrer können überall auf der Strecke zum Airbus-Werk zusteigen
„Entscheidend ist, dass sie ihre Pendelroutine eingeben“, sagt goFlux-Geschäftsführer Wolfram Uerlich. Also Wohn- und Arbeitsort sowie die Zeiten, wann sie zur Arbeit wollen und wann wieder nach Hause. „Sobald das geschehen ist, schlägt die App automatisch potenzielle Fahrer oder Mitfahrer vor“, sagt Uerlich. In der Regel erhalte man vier bis sechs Optionen, manchmal auch 20.
Nach der Auswahl werde ein Treffpunkt vorgeschlagen, der per Chat über die App modifiziert werden kann. Wie bei einer Buslinie könne man überall auf der Strecke zusteigen, eine Stader Fahrerin zum Beispiel in Jork den Kollegen einsammeln.
Bisher darf nur ein Mitfahrer mitgenommen werden
Der Schönheitsfleck des Modells: „Im Moment haben wir die Begrenzung auf einen Mitfahrer. Das liegt daran, dass wir uns an das Personenbeförderungsgesetz halten müssen“, sagt Uerlich. „Wir arbeiten aber gerade an einer Lösung, drei Mitfahrer zuzulassen. Das sollte im Verlauf des Jahres möglich sein.“
Der Vorteil für die Fahrer: Sie selbst müssen kein Klimaticket haben, können aber mit der Nutzung ihres Privatwagens etwas Geld für Spritkosten und Co. wieder hereinbekommen. „Die Fahrer erhalten 2 bis 3 Euro pro Fahrt, das ist querfinanziert durch den HVV-Tarif“, sagt Uerlich. Aus dem Sammeltopf der HVV-Einnahmen wird also das Geld für die Nutzung des Privatwagens für Fahrgemeinschaften abgeführt. Am Ende des Monats wird den Fahrern das Geld auf Konto oder Kreditkarte gutgeschrieben.
Airbus: Kollegen im Auto mitnehmen – der HVV bezahlt es
Die Beschäftigten, die das Klimaticket S besitzen, können ihre drei Tagestickets pro Monat dafür einsetzen, sodass ihnen keine Kosten entstehen. Mit Klimaticket XL sind jeden Tag zwei solcher Fahrten möglich. Airbus hat bisher 12.783 Klimatickets an die Beschäftigten gebracht, etwa hälftig verteilt auf beide Varianten.
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In der ersten Nutzungswoche hätten sich schon mehr als 1000 Mitarbeiter bei goFlux registriert, mehr als 200 Fahrten seien erfolgt. Das sei eine „extrem gute Quote“ und starke Basis für weiteres Wachstum, sagt App-Chef Uerlich. Der HVV will nun die Entwicklung der Buchungszahlen beobachten. Man könne sich aber eine Ausweitung auf andere Unternehmen vorstellen, hieß es.