Hamburg. Im April soll ein Flieger der A320-Familie auf Finkenwerder schnell geräumt werden. Welche Voraussetzungen Bewerber erfüllen müssen.

In so eine Situation möchte wohl kein Passagier kommen: Plötzlich herrscht Alarm im Flugzeug, und die Menschen an Bord der Maschine müssen so schnell wie möglich raus. Die Türen und Notausgänge werden geöffnet, die Notrutschen ploppen auf – und dann nichts wie hinaus!

Jedes Flugzeug muss vor dem Einscheren in den regulären Betrieb einen Evakuierungstest bestehen. Innerhalb von 90 Sekunden müssen alle Passagiere und Crewmitglieder, für die das Flugzeug zugelassen ist, draußen sein –, und zwar nur über die Öffnungen auf einer Seite des Jets.

Airbus sucht Komparsen für Test-Evakuierung eines Flugzeugs: Wer teilnehmen kann

Am 13. April wird Airbus im Hamburger Werk auf Finkenwerder wieder einen Evakuierungstest veranstalten. Über die Castingagentur Fameonme sucht der Flugzeugbauer 200 Probanden beziehungsweise Testkomparsen, die an dem Sonnabend ganztägig Zeit haben. Dabei gehe es um die simulierte Notsituation an Bord eines Flugzeuges der A320-Familie.

Das Ziel des Tests sei es, die Leistung der Notrutsche zu bestätigen, schreibt die Castingagentur. „Mit deiner Teilnahme leistest du einen direkten, aktiven Beitrag zur Sicherheit des Luftverkehrs in der Zukunft!“

Wie wichtig das schnelle Räumen der Flieger ist, zeigt sich im Januar

Solche Evakuierungstests gebe es regelmäßig, sagte Airbus-Sprecher Heiko Stolzke auf Anfrage. So seien zum Beispiel in der Vergangenheit in Hamburg auch mehrfach für den modernen Großraumjet A350 solche Übungen vorgenommen worden.

Am 2. Januar 2024 gerät ein Airbus A350 in Tokio kurz nach der Landung in Flammen. Alle 379 Menschen an Bord überleben.
Am 2. Januar 2024 gerät ein Airbus A350 in Tokio kurz nach der Landung in Flammen. Alle 379 Menschen an Bord überleben. © picture alliance/dpa/Jiji Press | Fumiyasu Nakatsuji

Wie wichtig eine schnelle Räumung von Fliegern ist, zeigte sich am 2. Januar 2024 bei einem schweren Unfall des Flugzeugtyps in Japan. Flug JL-516 von Japan Airlines war aus Sapporo kommend gerade auf dem Flughafen Tokio-Haneda gelandet, als der A350 mit einer Bombardier DHC8-300 zusammenkrachte. Durch den Crash trat Kerosin aus, das beide Triebwerke in Brand setzte.

Airbus A350 geht in Tokio in Flammen auf – alle Menschen an Bord überleben

Dennoch konnten alle 379 Menschen an Bord das Flugzeug ohne lebensgefährliche Verletzungen verlassen. Fünf von sechs Passagieren der Bombardier-Maschine starben. Wie wichtig das schnelle Verlassen eines Flugzeuges im Notfall ist, zeigen Bilder des kaputten A350. Weite Teile des Rumpfes sind verbrannt. Von dem Langstreckenjet ist vor allem viel Asche übrig geblieben.

Die Reste des A350 von Japan Airlines in Tokio: Von dem Rumpf ist fast nur noch schwarze Asche übrig geblieben.
Die Reste des A350 von Japan Airlines in Tokio: Von dem Rumpf ist fast nur noch schwarze Asche übrig geblieben. © picture alliance / Geisler-Fotopress | Kento Nara/Geisler-Fotopress

Die Castingagentur lockt Teilnehmer mit der Formulierung, dass man „die neueste Airbus-Maschine hinter den Kulissen kennenlerne, die der Öffentlichkeit noch nicht zugänglich ist!“ Das lässt vermuten, dass bei dem Test der A321XLR schnell geräumt werden soll. Dies sei jedoch nicht der Fall, sagte Stolzke. Für den A321XLR seien Evakuierungstests weder geplant noch erforderlich.

Airbus will im April keinen ganzen A320-Flieger evakuieren lassen

Der A321XLR ist eine Fortentwicklung des bereits zugelassenen Mittelstreckenjets A321 und kann dank eines fest eingebauten Tanks im Frachtraum auch auf der Langstrecke eingesetzt werden. Im Zulassungsprozess gab es von der europäischen Luftaufsichtsbehörde erhöhte Brandschutzanforderungen, sodass Airbus nachbessern musste. Der XLR soll nach mehreren Verspätungen im dritten Quartal dieses Jahres erstmals ausgeliefert werden.

Bei dem geplanten Test auf Finkenwerder werde es nicht um die Evakuierung eines gesamten Flugzeuges gehen, sondern nur um einzelne Bereiche der Kabine, damit bestimmte Konfigurationen oder Szenarien validiert werden könnten, hieß es. Hintergrund: Es gibt unterschiedliche Aufteilungen in den Kabinen und auch unterschiedliche Rutschen.

Evakuierungstest – diese Voraussetzungen müssen Teilnehmer erfüllen

„Solche Tests sind Teil der normalen Kabinen-Weiterentwicklung“, sagte Stolzke: „Das genaue Szenario am 13. April können wir leider nicht vorab nennen, sonst wissen ja die Probanden auch Bescheid.“ Für die Tests werden sie in kleinere Gruppen eingeteilt. Bei der Suche nach den Teilnehmern arbeite man in der Regel mit Castingagenturen zusammen.

Wer Interesse an der Teilnahme hat, muss folgende Voraussetzungen erfüllen: zwischen 18 und 60 Jahre alt sein, zwischen 1,60 und zwei Meter groß sein, eine gute körperliche Fitness und Ausdauer besitzen sowie keine Höhenangst haben, weil der Rutschenturm einige Meter hoch ist.

Airbus-Evakuierungstest: Teilnehmer sollen 120 Euro erhalten

Als Aufwandsentschädigung gibt es nach Informationen unserer Redaktion eine Pauschale von 120 Euro brutto, Fahrtkosten werden nicht übernommen. Die schlechte Nachricht für Interessierte: Das Projekt sei mittlerweile schon fast besetzt, „sodass wir keinen wirklichen Bedarf an Bewerberinnen und Bewerbern bei diesem Projekt mehr haben“, sagte Fameonme-Geschäftsführer Andreas Donat auf Anfrage.

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Ganz ungefährlich sind solche Evakuierungstests übrigens nicht. Als 2006 der A380 für die Zulassung schnell geräumt wurde, brach sich ein Mann das Bein. Zudem gab es 32 Leichtverletzte, die sich zumeist Blessuren wie Hautabschürfungen zuzogen. Aber alle 873 Testpersonen konnten das größte Passagierflugzeug der Welt in 80 Sekunden verlassen – zehn Sekunden schneller als vorgeschrieben.