Hamburg. Angriffe der Huthi-Rebellen nehmen kein Ende. Reederverband warnt vor weiteren Brandherden. In welcher Region es noch gefährlich wird.
Seit vier Monaten greifen Huthi-Rebellen aus dem Jemen immer wieder Handelsschiffe im Roten Meer an. Rund 60 Schiffe sind seitdem von Raketen oder Drohnen attackiert worden. Der Verband Deutscher Reeder schlägt Alarm: „Die Besatzungen auf den Schiffen sehen sich einer fortwährenden Gefahr ausgesetzt“, sagte die Präsidentin des Verbands, Gaby Bornheim, am Dienstag in Hamburg. Trauriger Höhepunkt war der Mittwoch vergangener Woche, als drei Seeleute des Frachters „True Confidence“ bei einem Angriff getötet wurden.
Trotz der Stationierung von Schiffen US-amerikanischer und europäischer Streitkräfte in der Region sehen die Reeder derzeit keine Anzeichen für eine Entspannung der Lage. „Danach sieht es im Moment nicht aus“, sagte Martin Kröger, Hauptgeschäftsführer des Verbands. Bornheim betonte, man sei dankbar für die Einsätze der Marine in der Gegend. Dennoch hat sich die Sicherheitslage noch nicht wesentlich verbessert. Das Rote Meer gehört zu den meistbefahrenen Schifffahrtsstraßen der Welt, weil es den Indischen Ozean mit dem Suezkanal verbindet und damit den kürzesten Seeweg zwischen Asien und Europa bildet.
Reeder beunruhigt: keine Entspannung im Roten Meer in Sicht
Die meisten Reedereien würden den Schifffahrtsweg inzwischen meiden und stattdessen um den afrikanischen Kontinent herumfahren. „Das führt zu einem erheblich höheren Aufwand“, sagte Kröger. Der Umweg beträgt etwa 6000 Kilometer. Die Schiffe sind zehn bis 14 Tage länger unterwegs. „Das führt zu Mehrkosten in einem sechsstelligen Bereich“, so Kröger.
Ein großes Containerschiff würde am Tag etwa 200 Tonnen Treibstoff verbrauchen. „Wegen des längeren Weges erhöhen sich die Kosten für jede einzelne Reise um bis zu 1,5 Millionen Euro.“ Da auch die Frachtraten gestiegen seien, würden sich aber Mehrkosten und Einnahmen ausgleichen, sagte Kröger.
Spannungen zwischen China und Taiwan bedrohen Schifffahrt
Nicht nur das Rote Meer ist wegen der Angriffe der Huthi-Rebellen nicht sicher. Weite Teile des Schwarzen Meers blieben durch den Krieg Russlands gegen die Ukraine Risikogebiet. Zudem würden die Spannungen zwischen China und Taiwan im südchinesischen Meer weiter zunehmen. Hier drohten neue Gefahren, sagte Bornheim.
„Die aktuellen geopolitischen Entwicklungen sind beunruhigend. Auch wenn die Schifffahrtsbranche grundsätzlich krisenerprobt ist und flexibel auf neue geopolitische Rahmenbedingungen reagieren kann, sind Stabilität und Sicherheit auf Dauer unverzichtbar“, so Bornheim. Wenn maritime Lieferketten ständig gestört würden, sei irgendwann die Versorgung über See gefährdet.
Deutschland weiter Nummer 1 der Containerschifffahrt
90 Prozent des Welthandels laufen über den Seeweg. 60 Prozent der deutschen Im- und Exporte werden darüber abgewickelt. 70 Prozent des Energieaufkommens werden über Importe gedeckt. „Sichere Seewege sind unverzichtbar“, betonte Bornheim.
Trotz aller Sorgen ist Deutschland weltweit weiter die Nummer eins bei der Containerschifffahrt. „Wir bereedern aus Deutschland immer noch die weltgrößte Containerschiffsflotte“, sagte Kröger. Der deutsche Anteil an der weltweiten Containerflotte liege bei 11,6 Prozent – nach 10,7 Prozent im Jahr zuvor. Nach Deutschland folge mit knappem Abstand China.
Deutsche Flagge leidet in der Qualität
In Bezug auf die gesamte Handelsflotte liegt Deutschland weltweit auf Platz sieben. Insgesamt verfügte die Flotte laut VDR Ende 2023 über 1800 Schiffe. Das seien zwar knapp 40 weniger als 2022. Das sei aber relativ normal, weil die Schiffe immer größer würden, sagte Kröger. Die weltgrößten Schifffahrtsnationen seien Griechenland, China und Japan. Die Mehrzahl der deutschen Reedereien sei mittelständisch geprägt. So haben den Angaben zufolge 80 Prozent der Unternehmen weniger als zehn Schiffe. Fast 900 der rund 1800 Schiffe tragen die Flagge eines EU-Landes am Heck, darunter 386 Schiffe die Flagge Portugals.
Mit der Entwicklung der Flotte ist der VDR also zufrieden, weniger hingegen mit der Anzahl der Schiffe unter deutscher Flagge. „Da haben wir ein Problem“, sagte Kröger. 259 Schiffe tragen derzeit die deutsche Flagge am Heck. Im Vorjahr waren es noch 278. Insbesondere beim Sicherheitsranking sei die deutsche Flagge nicht mehr führend, sagte Kröger. „In der Qualität haben uns viele andere überholt, auch Portugal und Zypern.“
Reeder beunruhigt: keine Entspannung im Roten Meer in Sicht
Präsidentin Bornheim erneuerte die VDR-Kritik, wonach die bürokratischen Hürden für die Einflaggung weiterhin zu hoch seien. Sechs verschiedene Behörden seien daran beteiligt. „Wir fordern alles aus einer Hand.“ Als Beispiel nannte Bornheim die Besetzung deutscher Schiffe mit zusätzlichem Sicherheitspersonal anlässlich der Krisen. „Sechs Wochen dauert die Bearbeitung eines Antrags. Da sind andere Flaggenstaaten viel schneller.“
Die gezielte Werbung um Nachwuchs hat sich nach Bornheims Worten allerdings bezahlt gemacht. Die Anzahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge in der Schifffahrt ist im Ausbildungsjahr 2023 im Vergleich zum Vorjahr um rund elf Prozent gestiegen. Im vergangenen Jahr haben 418 junge Leute eine Ausbildung auf See (Vorjahr 377) und 214 an Land (Vorjahr 192) aufgenommen. Bornheim hatte 2023 zum Jahr der Ausbildung erklärt und viele Aktivitäten darauf ausgerichtet.
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Ein großes Problem für die Schifffahrt ist weiterhin der Wandel zur Klimaneutralität. Schiffe mit Methanol-Antrieb seien in der Testphase und der Ammoniak-Motor befinde sich in der Entstehung. Fraglich ist laut Kröger, wie es mit der Treibstoffversorgung aussieht. „Die Schifffahrt verbraucht derzeit 210 Millionen Tonnen an fossilem Treibstoff im Jahr. Um die gleiche Leistung zur erhalten würde man 470 Millionen Tonnen Ammoniak benötigen. Das sind etwa 60 Prozent der gesamten Energie, die in Europa zur Verfügung steht“, sagte Kröger.