Hamburg. Frist für Abrechnungen läuft ab – ein „Schreckgespenst“, so die Handelskammer. „Bürokratischer Wahnsinn“, klagen die Steuerberater.

Die Corona-Pandemie ist für die meisten Menschen zum Glück längst Vergangenheit. Für etliche Tausend Unternehmen und Selbstständige in Hamburg ist das Thema dagegen noch nicht abgehakt – sie schlagen sich immer noch mit der Abrechnung der staatlichen Hilfen und möglichen Rückforderungen herum. Die Handelskammer und die Steuerberaterkammer Hamburg sprechen von einem „Schreckgespenst“ und „bürokratischem Wahnsinn“.

Darum geht es: Während des ersten Lockdowns 2020 konnten Betroffene noch ohne fachliche Unterstützung Hilfsanträge stellen, die auch überwiegend schnell bewilligt wurden. Da das Vertrauen des Staates jedoch in vielen Fällen missbraucht wurde, nahm die Bundesregierung bei den weiteren Hilfspaketen Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und später auch Rechtsanwälte in die Pflicht, bei den Anträgen und der späteren Abrechnung zu helfen.

Corona-Hilfen: In Hamburg wurden 3,8 Milliarden Euro ausgezahlt

Kein Wunder, denn es ging um gewaltige Summen. Allein in Hamburg wurden nach Angaben der Finanzbehörde rund 150.000 Anträge auf Corona-Hilfen bewilligt und etwa 3,8 Milliarden Euro ausgezahlt. Der kleinere Teil, 58.000 Anträge mit einem Volumen von rund 550 Millionen Euro, entfiel dabei auf die „Hamburger Corona-Soforthilfe“, deren Kosten Stadt und Bund sich teilten. Den Löwenanteil machten die vollständig aus Bundesmitteln finanzierten Überbrückungs- und Neustarthilfen aus: 3,1 Milliarden Euro, verteilt auf 89.000 Anträge.

Bis Ende des vergangenen Jahres hat Hamburg bezogen auf 27.000 Anträge rund 220 Millionen Euro von den Empfängern zurückgefordert. Laut Finanzbehörde wurde davon die Hälfte bereits erstattet, weitere 110 Millionen Euro aus 10.000 Anträgen stehen noch aus. Der Bund hat seinerseits die mehrfach verlängerte Frist für die Schlussabrechnung der Corona-Überbrückungshilfen endgültig auf den 31. März festgelegt – darum dreht sich nun der Streit. Denn aus Sicht der Kammern ist diese Frist unmöglich einzuhalten, auch weil die Anforderungen viel zu hoch seien

Steuerberaterkammer: Schlussabrechnungen sind bürokratischer Wahnsinn

„Die Abwicklung der Schlussabrechnungen erweist sich nun in viele Fällen als bürokratischer Wahnsinn, der unsere Kapazitäten überfordert“, sagte Stefan Blöcker, Präsident der Steuerberaterkammer Hamburg, dem Abendblatt. „Da werden zum Teil bis ins kleinste Detail Belege angefordert, die wir von unseren Mandanten so gar nicht vorliegen haben, etwa, dass Handys nur dienstlich genutzt wurden oder dass der Umsatzeinbruch eines Eiscafés tatsächlich coronabedingt war. Wie soll man das nachweisen?“

Jeden eingereichten Antrag für die Schlussabrechnung noch einmal vollständig zu überprüfen, auch hinsichtlich der Bedingungen des Bundes, die sich nach Darstellung zigfach geändert haben, koste enorm viel Zeit und sei bis zum 31. März nicht zu schaffen, so Blöcker. „Ärgerlich ist für uns Steuerberater zudem, dass man uns erst die Rolle als prüfende Dritte anvertraut, uns nun aber so viel Misstrauen entgegenbringt und jede einzelne Schlussabrechnung im Detail überprüft. Dieser Aufwand ist angesichts einer durchschnittlichen Rückforderung von bisher 50 Euro pro Antrag nicht zu rechtfertigen.“

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Blöcker spielt damit darauf an, dass von bundesweit 400.000 eingereichten Schlussabrechnungen erst 15 Prozent von den jeweiligen Bewilligungsstellen der Länder (in Hamburg ist das die städtische Investitions- und Förderbank IFB) geprüft worden seien. Dabei seien 40 Prozent anstandslos akzeptiert worden; und bei den restlichen 60 Prozent sei es zu durchschnittlichen Rückforderungen von bisher 50 Euro gekommen. „Wir appellieren daher dringend an Bund und Länder, die Frist zu verlängern und die Abrechnungen nur stichprobenartig, gerne gewichtet nach der Höhe der erhaltenen Beträge, zu prüfen“, so der Präsident der Steuerberaterkammer, der diese Kritik auch direkt in einem Brief an Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) adressiert hat.

Handelskammer: Abrechnungen sind ein Schreckgespenst für die Firmen

Unterstützung kommt von der Handelskammer Hamburg. „Unternehmen, die Corona-Überbrückungshilfen zurückzahlen sollen, haben das Recht auf eine transparente und nachvollziehbare Begründung“, sagte Malte Heyne, Hauptgeschäftsführer der Kammer. „Im aktuellen Prozess werden die Schlussabrechnungen des Bundes zu einem Schreckgespenst. Selbst Steuerberaterinnen und -berater stehen als Experten vor zahlreichen ungeklärten Detailfragen.“

Auch Heyne forderte den Senat auf, sich „auf Bundesebene dringend für eine weitere Fristverlängerung sowie eine pragmatische Herangehensweise“ einzusetzen. Die Kammer sieht andernfalls große Probleme auf die Firmen zukommen, denn bei Nichteinhaltung der Frist muss die gesamte bewilligte Summe zurückgezahlt werden – plus rund 8,5 Prozent Zinsen.

Ärger um Corona-Hilfen: Finanzsenator Dressel für Fristverlängerung

Bei Hamburgs Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) sind diese Sorgen schon angekommen: „Nach Gesprächen hierzu mit Handelskammer und Steuerberaterkammer sage ich: Wir sollten schnell pragmatisch die Fristen verlängern sowie Stundungen und Ratenzahlungen ausweiten – die Verunsicherung bei vielen Betroffenen ist mit Händen zu greifen“, sagte er dem Abendblatt. Er wolle das Thema am Donnerstag auf der Konferenz der Länderfinanzminister ansprechen und sich „dafür einsetzen, dass die Rückzahlungsmodalitäten mit Blick auf die angespannte Wirtschaftslage im Sinne der Fördernehmer verbessert werden“.