Hamburg. Nach Diebstahl, Betrug und Arbeitsunfällen im Werk Hamburg dampft der Aufsichtsrat die Jahresboni der Topmanager massiv ein.
Der Millionenschaden durch diverse Kriminalfälle im Hamburger Stammwerk könnte einen oder mehrere Vorstandsmitglieder des Kupferkonzerns Aurubis den Job kosten. Ob und, wenn ja, welche der vier Topmanager und -managerinnen an der Unternehmensspitze vorzeitig gehen müssen, darüber will der Aufsichtsrat Ende Januar oder Mitte Februar entscheiden. Zunächst will das Kontrollgremium den Bericht einer Anwaltskanzlei abwarten, die in seinem Auftrag untersucht, ob dem Vorstand Fehler und Versäumnisse unterlaufen sind.
Doch schon jetzt ist klar: Die Diebstahls- und Betrugsfälle sowie mehrere schwere Arbeitsunfälle mit drei Toten und mehreren Schwerverletzten in diesem Jahr im Hamburger Werk kostet den Vorstand um CEO Roland Harings sehr viel Geld. Die Jahresgehälter des Vorstandsvorsitzenden und von Finanzvorstand Rainer Verhoeven haben sich annähernd halbiert. Heiko Arnold, der große Teile des operativen Geschäfts verantwortet, büßt knapp ein Viertel seiner Bezüge ein.
Aurubis: Millionenklau bei Kupferkonzern kostet Vorstände sehr viel Gehalt
Das geht aus dem kurz vor Weihnachten veröffentlichten Konzerngeschäftsbericht für das am 30. September beendete Geschäftsjahr 2022/23 hervor. Aurubis gehört zu den börsennotierten Unternehmen, die die Bezüge des Vorstands bis ins Detail offenlegen.
Nun zeigt das Vergütungskapitel im jüngsten Geschäftsbericht, dass insbesondere die Jahresboni der Vorstände im Vergleich zu 2021/22 stark eingedampft wurden. „Der Aufsichtsrat hat im Einvernehmen mit dem Gesamtvorstand Anpassungen am Jahresbonus vorgenommen“, heißt es in dem Bilanzbericht.
Dazu muss man wissen, dass sich die Gesamtvergütung von Vorstandsmitgliedern aus fest vereinbarten Bestandteilen wie dem Grundgehalt, der Altersvorsorge und Nebenleistungen wie Dienstwagen und Versicherung errechnet, hinzu kommen variable Bestandteile.
Die Höhe von Kurz- und Langfristboni hängt davon ab, ob und in welchem Umfang der gesamte Vorstand und dessen einzelne Mitglieder bestimmte Ziele erreicht haben. Und das war nach den Diebstahls- und Betrugsfällen sowie den schweren Arbeitsunfällen nur begrenzt oder teilweise gar nicht der Fall.
Aurubis: Vorstand hat geringere Boni selbst vorgeschlagen
Im Geschäftsbericht heißt es: „Der Vorstand (habe) dem Aufsichtsrat den Vorschlag unterbreitet, auf seine individuelle Zielerreichung im Rahmen der variablen Vergütung für das Geschäftsjahr 2022/23 zu verzichten.“ Soll heißen: Die Vorstandsmitglieder haben von sich aus angeboten, auf große Teile des Jahresbonus zu verzichten.
So erhält Vorstandschef Harings (650.000 Euro Jahresgrundgehalt, 260.000 Euro für Altersvorsorge) gut 178.000 Euro Jahresbonus, im Jahr zuvor waren es noch 545.000 gewesen. Bei Arnold und Verhoeven (beide 460.000 Euro Jahresgrundgehalt, 180.000 Euro Altersvorsorge) reduziert sich der Kurzfristbonus von 367.000 auf gut 120.000 Euro. Inge Hofkens (345.000/160.000) erhält gut 90.000 Euro Jahresbonus. Da sie den Posten der Vorständin für das Recyclinggeschäft erst am 1. Januar 2023 angetreten hat, gibt es für sie keinen Vergleichswert.
Aurubis: Vorstandschef büßt mehr als eine Million Euro ein
Harings und Verhoeven, die beiden dienstältesten Vorstandsmitglieder, erhalten in diesem Jahr – wegen einer technischen Umstellung – zudem keine Langfristboni. Ihre Vergütung sinkt im Vergleich zum Vorjahr besonders massiv.
Für den Vorstandschef stehen im Geschäftsbericht unter dem Strich gut 1,1 Millionen Euro Jahresbezüge, im Vorjahr waren es noch 2,15 Millionen gewesen. Finanzvorstand Verhoeven kommt auf 771.000 statt auf knapp 1,5 Millionen Euro. Heiko Arnold, der noch keinen Anspruch auf einen Langfristbonus hat, büßt um die 250.000 Euro ein und kommt auf gut 770.000 Euro statt auf 1,02 Millionen wie 2021/22. Inge Hofkens erhält insgesamt knapp 605.000 Euro.
Aurubis: Diebstahl und Betrug im Hamburger Werk
Unterdessen fällt ein neues Licht auf die Kriminalfälle, die dazu geführt haben, dass Aurubis Edelmetalle im Wert von 169 Millionen Euro fehlen. Öffentlich bekannt war bislang, dass es groß angelegte Diebstähle vom Hamburger Werksgelände sowie massiven Betrug beim Ankauf von Recyclingschrott gegeben hat, aus dem das Unternehmen Edelmetalle wie Gold, Silber, Palladium und Platin gewinnt.
Die Diebstähle begannen nach den Ermittlungen bereits im Jahr 2020. Eine Bande, zu der nach den Erkenntnissen der Ermittler mindestens ein Aurubis-Beschäftigter gehörte, schaffte demnach nach und nach insgesamt mindestens 5000 Kilo eines Zwischenprodukts mit hohem Silber- und Goldgehalt im Wert von elf Millionen Euro vom Werksgelände und verkaufte es weiter. Gezahlt wurde bar, nicht selten Beträge von 500.000 Euro. Dieser Fall wird derzeit in einem Prozess gegen sechs Angeklagte vor dem Landgericht Hamburg verhandelt.
- Millionenklau bei Aurubis: So kamen die Täter an Gold und Silber
- Aurubis Hamburg: Millionendiebstahl – erstes Geständnis vor Gericht
- Aurubis: Dritter Mitarbeiter nach verheerendem Gasunfall gestorben
Im Sommer wurde zudem bekannt, dass der Konzern zum Opfer eines Betrugs beim Kauf von alten Autokatalysatoren geworden war. Die Proben, mit denen der Edelmetallgehalt und damit der Preis des Recyclingmaterials ermittelt wurde, wurden manipuliert.
Auch daran waren nach Angaben des Unternehmens einige wenige seiner Mitarbeiter beteiligt. Den Schaden durch diesen Betrug beziffert Aurubis auf einen „hohen zweistelligen Millionen-Euro-Betrag“.
Aurubis-Geschäftsbericht beziffert weiteren Schaden durch Diebstahl
Im Geschäftsbericht heißt es, es gebe über die beiden bislang öffentlich bekannten Fälle hinaus „eine weitere nicht vollumfänglich nachvollziehbare Fehlmenge an Edelmetallen in Höhe eines niedrigen dreistelligen Millionen-Euro-Betrags“. Vorstandschef Harings sagte dem Abendblatt unlängst, es liefen Ermittlungen in einem weiteren Verdachtsfall. Offenbar ist das Unternehmen ein weiteres Mal zum Opfer von Diebstahl auf dem Hamburger Werksgelände geworden.
Eines haben alle Fälle gemeinsam: Der Konzern bemerkte erst nach langer Zeit, dass er weit weniger Edelmetalle gewonnen hatte, als es hätten sein müssen. Das hat jetzt Folgen für den Vorstand – vorerst nur finanzielle.