Hamburg. Drei weitere Männer räumen Beteiligung am Millionen-Diebstahl ein. Sicherheitsvorkehrungen im Hamburger Werk seien gering gewesen.
Gleich am ersten Verhandlungstag hatte der Vorsitzende Richter den Angeklagten ein Angebot gemacht: Wenn die sechs Männer, die sich wegen des Millionendiebstahls beim Hamburger Metallkonzern Aurubisvor dem Landgericht verantworten müssen, ein „frühzeitiges und glaubwürdiges Geständnis“ ablegen würden, wäre aus Sicht der Kammer eine Art Strafnachlass möglich, ließ Nils Godendorff durchblicken. Die Strafen würden dann absehbar geringer ausfallen als die Staatsanwaltschaft absehbar nach einem frühen Geständnis fordern werde.
Auf fünfeinhalb bis sechs Jahre Haft statt auf mehr als sieben Jahre könne es für den Hauptangeklagten Mahmut C. hinauslaufen, für vier weitere der Männer auf drei bis fünf Jahre. Und einer könnte mit einer Bewährungsstrafe davonkommen, so der Richter. Die Botschaft: Sollten die Angeklagten erst nach vielen Verhandlungstagen ausschließlich das gestehen, was ihnen wohl ohnehin nachgewiesen werden kann, würden sie davon keine Vorteile beim Strafmaß mehr haben.
Millionenklau bei Aurubis: Hauptangeklagter legt Geständnis ab
Gut einen Monat später zeigte dieses Angebot Wirkung: Der Hauptangeklagte Mahmut C. und drei weitere Angeklagte räumten am Montag die ihnen vorgeworfenen Taten ein. Laut Anklage hatten die Männer zwischen Februar 2020 und Januar 2021 sich daran beteiligt, insgesamt etwa 5000 Kilo eines Zwischenprodukts in der Edelmetallgewinnung zu stehlen, vom Werksgelände zu bringen und zu verkaufen. Die Beute mit einem hohen Anteil an Silber und Gold hat laut Staatsanwaltschaft einen Wert von 11 Millionen Euro. Mahmut C. ist aus Sicht der Staatsanwaltschaft der Drahtzieher und Kopf einer Bande.
„Unser Mandant räumt seine Beteiligung an den Vorgängen bei Aurubis ein“, erklärte einer seiner Verteidiger am Montag. Er habe das Einsammeln der sogenannten Rohsilberfegsel organisiert und koordiniert sowie den Absatz der Beute an „Abnehmer aus der Türkei“ bewerkstelligt. Den Erlös allerdings habe er teilen müssen. Und: Er sei nicht „der Erfinder“ des Diebstahlsystems bei Aurubis und erst im Jahr 2020 dabei eingestiegen. Einige Verhandlungstage zuvor hatte Mahmut C. bereits eingeräumt, illegal eine Pistole und die dazugehörige Munition besessen zu haben. Die Waffe und die Patronen waren Mitte Juni 2023 bei einer Razzia in seinem Haus im Landkreis Stade sichergestellt worden.
Aurubis – Diebstahlsserie soll schon früher begonnen haben
„Es gibt andere, die schon zuvor Aurubis auf diese Art und Weise geschädigt haben und bis heute nicht belangt wurden“, heißt es in dem Geständnis. Als er in die Diebstahlsserie eingestiegen sei, habe es geheißen: „Aurubis interessieren die Verluste nicht, das wird einfach weggebucht.“ Namen nennt Mahmut C. in dem Geständnis nicht. Er wolle – auch aus Furcht um die Sicherheit seiner Familie – niemanden belasten. Seine Frau erwartet in dieser Woche das dritte Kind. „Unser Mandant bereut die Taten sehr und will den entstandenen Schaden wiedergutmachen“, so der Verteidiger.
Das Geständnis legt auch offen, wie bei den Taten im Werk vorgegangen wurde: Die Rohsilberfegsel wurden zusammengekehrt, in eine Kokille – einen Metallbehälter – gefüllt und dann mit einem Kran in einen roten Container umgefüllt. Der Container stand – so Mahmut C. – in einem Bereich, der von den Überwachungskameras in dem Teil des Werks nicht erfasst wurde. Das Sicherheitssystem bei Aurubis sei jedenfalls keineswegs so umfangreich gewesen, wie es Zeugen aus dem Konzern zuvor im Prozess geschildert hätten, heißt es in der Erklärung.
Auch ein Aurubis-Angestellter legt ein Geständnis ab
Aus dem Container wurden die Fegsel, die zu 80 bis 90 Prozent aus Silber und zu drei bis fünf aus Gold bestehen, in Kisten umgefüllt, mit Schlacke bedeckt und mit Gabelstaplern über das Gelände zu Fahrzeugen transportiert, die die Beute letztlich vom Werksgelände brachten. „Das Einsammeln und Wegschaffen passierte manchmal innerhalb eines Tages“, so Mahmut C. Vom Aurubisgelände sei das Material zunächst in ein Zwischenlager in Hamburg, später in ein Auslieferungslager im Landkreis Stade gebracht worden. Dort wurde es schließlich den Abnehmern übergeben. Gezahlt wurde laut Anklage bar und zumeist sechsstellige Summen.
Nach Mahmut C. legte auch Ferhat K. ein Geständnis ab. Er war bei Aurubis angestellt und soll im Werk mehrfach das Beiseitebringen der Beute organisiert, teils andere damit beauftragt haben. Sein Mandant sehe sich eher als Hinweisgeber, der lediglich weitergegeben habe, was er über die Arbeitsabläufe im Werk wusste, sagte dagegen sein Verteidiger. Aufträge, die Silberfegsel beiseitezuschaffen, habe sein Mandant dagegen nicht erteilt. Und was mit dem Material geschah „sollte und wollte“ er nicht wissen. Ob Ferhat K. tatsächlich jeweils 10.000 Euro für jeden Tag erhalten habe, an dem er an den Diebstählen beteiligt war, könne er nicht mehr genau erinnern. „Es war wohl eher etwas weniger.“
Aurubis-Prozess: „Werkssicherheit hat uns machen lassen“
Sergej T., dem wegen Beihilfe nach seinem Geständnis nun womöglich nur eine Bewährungsstrafe droht, ließ einen seiner Anwälte erklären, die Sicherheitsvorkehrungen bei Aurubis seien gering gewesen. Als Angestellter einer Fremdfirma hatte er eine Zutrittskarte zum Werk. Er soll laut Anklage mehrfach Fahrzeuge eingelassen haben, in denen die Beute abtransportiert wurde.
„Mit meiner Zutrittskarte konnte ich problemlos andere Menschen mit ins Werk nehmen. Die Werkssicherheit ist offenbar davon ausgegangen, dass das seine Richtigkeit hat und hat uns machen lassen“, so Sergej T. in seiner Erklärung. Er habe aber nicht genau gewusst, was diese Menschen dann im Werk tun.
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Das Ausmaß der Taten sei ihm nicht bewusst gewesen. „Ich dachte, es geht um kleinere Mengen Edelmetall.“ Und er sei gemeinsam mit Menschen angeklagt „die ich vorher noch nie gesehen habe“. Jeweils 1000 Euro habe er bekommen, wenn er ein Fahrzeug in das Werk schleuste, so der Angeklagte. Er habe sich dabei unter Druck gefühlt: „Nach dem ersten Mal habe ich mich nicht mehr getraut Nein zu sagen.“