Hamburg. Vom Arbeitskampf des Bodenpersonals ist auch der Airport Hamburg betroffen. Zahlreiche Streichungen am Donnerstag. Die Hintergründe.
Am Mittwochvormittag ist das Durchkommen zur Hamburger Lufthansa-Basis schwierig. Der Linienbus biegt langsam und vorsichtig vom Weg beim Jäger in die Straßenschleife vor dem Empfang von Lufthansa Technik. Überall stehen Mitarbeiter des Kranich-Konzerns. Viele tragen gelbe Warnwesten mit dem roten Logo von Ver.di.
Die Dienstleistungsgewerkschaft hatte die bundesweit rund 25.000 am Boden beschäftigten Mitarbeiter der Lufthansa zum 27-stündigen Warnstreik an mehreren Standorten aufgerufen – auch in Hamburg. Auf dem Areal vor dem Werksgelände am Flughafen versammeln sich laut Polizei rund 750 Menschen. Ver.di spricht von mehr als 1500 Teilnehmern.
Streik bei Lufthansa für mehr Lohn – am Flughafen Hamburg fallen viele Flüge aus
Was den Beschäftigten auf der Seele liegt, machen mehrere Redner bei der Kundgebung deutlich. „Die Stimmung ist geladen“, ruft Martin Schoenewolf in das Mikrofon. Der Sprecher der Ver.di-Vertrauensleute bei Lufthansa Technik steht auf der Ladefläche eines Lastwagens, der als Bühne dient. Warum man schon wieder streike? In der zweiten Verhandlungsrunde habe es zwar vom Arbeitgeber etwas gegeben, das man als Angebot bezeichnen könne.
„Aber dazu wurde auch gesagt: ,Nachbessern wollen wir nicht.‘ Deswegen stehen wir hier“, sagt Schoenewolf: „Was ist das für eine Form von Wertschätzung? Was ist das für eine Form von Anerkennung für das, was wir in den letzten Jahren geleistet haben?“ Der Vorstand sei abgehoben und fern der Realität.
Ver.di fordert 12,5 Prozent mehr Lohn für ein Jahr
Die Gewerkschaft fordert für die Boden-Beschäftigten von Lufthansa 12,5 Prozent mehr Gehalt, mindestens aber 500 Euro monatlich, bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Zudem soll es eine konzerneinheitliche Inflationsausgleichsprämie von 3000 Euro sowie Aufwertungen der Schichtarbeit geben.
Das Unternehmen bietet nach eigenen Angaben eine Erhöhung der Grundvergütung pro Monat um 200 Euro ab September 2024 an. Ab April 2025 soll es weitere drei Prozent mehr Geld geben. Ein Jahr später nochmals eine Aufstockung von 2,5 Prozent. Zudem sei ein zusätzliches Budget von drei Prozent (zum Beispiel für das Deutschlandticket oder eine Anpassung der Ergebnisbeteiligung) vorgesehen.
Konzern bietet gut 13 Prozent – über drei Jahre
Man biete neben der Zahlung einer Inflationsausgleichsprämie „insgesamt über 13 Prozent in den nächsten drei Jahren“ an, sagte Michael Niggemann vor einigen Tagen. Er ist Personalvorstand der Lufthansa. Die Verhandlungen werden zentral vom Konzern geführt und betreffen mehrere Konzerngesellschaften.
Dazu gehören neben der Kranich-Linie zum Beispiel Lufthansa Cargo und Lufthansa Technik. Der Weltmarktführer für die Wartung, Reparatur und Überholung von Flugzeugen hat seinen Firmensitz in Fuhlsbüttel und beschäftigt in der Hansestadt rund 9700 Mitarbeiter. Rund 7000 Mitarbeiter davon seien tarifgebunden, heißt es vom Unternehmen. Der Arbeitskampf habe durchaus Wirkung hinterlassen. Nur etwa ein Viertel der Arbeit habe stattfinden können.
Am Mittwoch fallen Dutzende Flüge am Flughafen Hamburg aus
Bei der Kranich-Linie sind die Auswirkungen noch größer. Am Montag hatte die Fluggesellschaft angekündigt, etwa 80 bis 90 Prozent der rund 1000 Flüge zu streichen. Wie viele es genau sind, sagt die Airline am Mittwoch nicht. Mehr als 100.000 Passagiere sollten eigentlich befördert werden.
In Hamburg fielen alle elf Ankünfte aus und alle elf Abflüge nach Frankfurt aus. Zudem wurden jeweils elf von zwölf Starts und Landungen nach München gekappt. Ansonsten laufe der Flugbetrieb am Helmut-Schmidt-Flughafen „völlig normal“, sagte Airport-Sprecherin Janet Niemeyer.
Airport-Homepage weist auch für Donnerstag Flugstreichungen aus
Allerdings wird es auch am Donnerstag noch Änderungen im Flugplan geben. Laut der Homepage von Hamburg Airport sind die Lufthansa-Landungen aus der bayerischen Landeshauptstadt um 8 Uhr, 9.05 Uhr und 10.05 Uhr gestrichen. Dasselbe gilt für die jeweils rund 45 Minuten später geplanten Rückflüge dorthin. Mit Frankfurt fällt ein Hin- und Rückflug aus. Ein Lufthansa-Sprecher wollte sich „vor dem Hintergrund der gesamtheitlichen Auswirkungen“ nicht zu Einzelverbindungen äußern.
Dass es auch Donnerstag noch Flugstreichungen gibt, dürfte mit der Länge des Ausstandes zusammenhängen. Ver.di hatte von Mittwoch ab 4 Uhr bis Donnerstag um 7.10 Uhr zum Warnstreik aufgerufen. Die Maschinen am frühen Morgen dürften also dieselben Probleme haben wie am Mittwoch. Allerdings wurden diese bei den Abflügen auf der Homepage von Hamburg Airport noch nicht als gecancelt markiert. Am Mittwochnachmittag wurde beim Kranich-Konzern offenbar an einem möglichen weiteren Sonderflugplan gearbeitet. Ein Sprecher bat auf die Frage nach weiteren Flugstreichungen noch um Geduld.
Redner erwarten ein neues, besseres Angebot der Lufthansa
Flugausfälle könnten der Airline in Zukunft öfter drohen – daran lassen die Redner in Hamburg keine Zweifel. Man erwarte ein neues, verbessertes Angebot. „Kürzere Laufzeit, keine Nullrunde – das wären schon mal Anfänge“, sagt auf dem Lastwagen Sven Fehling. Er gehört der Ver.di-Tarifkommission bei Lufthansa Technik Logistik Services an.
In Richtung des Vorstandes sagt er: „Wir wollen auch eigentlich nicht hier stehen, streiken und unsere Kunden belasten. Aber wir wollen fair von ihnen behandelt werden. Und wenn sie das nicht tun, haben wir nur dieses Mittel, um ihnen ihre Grenzen aufzuzeigen.“
Ver.di lehnt unterschiedlich hohe Inflationsprämien ab
Das bisherige Angebot sei „respektlos und spalterisch“, sagt der Konzernschwerbehindertenvertreter Thomas Jakob. Als spalterisch wird von der Gewerkschaft angesehen, dass die für den März und Juni angekündigte Inflationsausgleichsprämie nicht einheitlich ist. Beschäftigte von Lufthansa Technik sollen je 1500 Euro erhalten, andere nur jeweils 1000 Euro. „Lufthansa fährt hohe Gewinne ein auf Kosten der Mitarbeitenden durch eine unglaublich straffe Personalpolitik bei höherer Arbeitsbelastung und ohne finanziellen Ausgleich“, sagt Jakob.
Mira Ball von Ver.di Hamburg weist auf die lange Corona-Krise mit vielen Monaten ohne Lohnplus, hohe Inflationsraten und Reallohnverlust hin und kritisiert die vom Unternehmen geplante lange Laufzeit des Tarifabschlusses von drei Jahren. „Das heißt: 36 Monate dem ausgeliefert sein, was noch kommt: an Inflation, an Krise, an Preissteigerungen.“
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Wenn es bei der dritten Verhandlungsrunde, die für nächsten Montag in Frankfurt angesetzt ist, kein „anständiges“ Angebot gebe, werde man sich noch öfter und auch länger zum Ausstand vor den Toren der Luftwerft treffen. „Es wird Zeit, dass der Boden ernst genommen wird. Deshalb sind wir hier“, sagt Ball. Dann wird es laut. Die Menge johlt und schwenkt Fahnen. Es wird in Trillerpfeifen gepfiffen, Tröten dröhnen. Wenig später startet die Demonstration über die Straßen zum Flughafen, um den Streik in die Öffentlichkeit zu bringen, wie es heißt.