Hamburg. Gewerkschaften wollen neben Sicherheitskontrolleuren und Bodenverkehrsdiensten auch bei Airlines höhere Löhne erreichen. Ein Überblick.

Auf den Streik folgte der nächste Streik: Für vergangenen Donnerstag hatte Ver.di die Luftsicherheitsassistenten nahezu bundesweit zur ganztägigen Arbeitsniederlegung aufgerufen. Der Flughafen Hamburg schloss daraufhin die Sicherheitskontrolle. Alle Abflüge mit Passagieren sowie Dutzende Landungen wurden gestrichen.

Während dieser Arbeitskampf gerade lief, schickte die Dienstleistungsgewerkschaft die Mitarbeiter der Bodenverkehrsdienste in Fuhlsbüttel für Freitag von 3 bis 23.59 Uhr in den Ausstand. Flugausfälle gab es bis zum Nachmittag allerdings kaum.

Doch auch in den nächsten Wochen droht der Luftverkehr von Arbeitskampfmaßnahmen gestört zu werden. Denn es stockt bei weiteren Verhandlungen über Löhne und Gehälter. Unsere Redaktion gibt einen Überblick über die laufenden Tarifkonflikte.

Flughafen Hamburg: Worum geht es bei den Luftsicherheitskräften?

Ver.di fordert für die bundesweit rund 25.000 Beschäftigten bei einer Laufzeit von zwölf Monaten eine Lohnerhöhung für alle Entgeltgruppen um 2,80 Euro pro Stunde, um die Kaufkraftverluste durch die hohe Inflation (auch in den vergangenen Monaten) auszugleichen und eine reale Lohnerhöhung zu erreichen. Die Spannweite reicht derzeit von 13,83 Euro bis 20,60 Euro pro Stunde.

Das Plus liegt rechnerisch also bei bis zu etwa 20 Prozent. Zudem solle ab der ersten Überstunde, die in der Branche quasi fest eingeplant werden, ein Zuschlag von 30 Prozent bezahlt werden – fünf Prozentpunkte mehr als bisher.

Der Bundesverband der Luftsicherheitsunternehmen (BDLS) bot in der dritten Verhandlungsrunde weiterhin einen 25-prozentigen Mehrarbeitszuschlag an, der aber früher als bisher erreichbar sein soll, sowie eine Erhöhung der Tabellenentgelte um vier Prozent für das laufende Jahr und weitere drei Prozent für 2025.

Drohen neue Streiks bei den Sicherheitskontrolleuren?

Ver.di-Verhandlungsführer Wolfgang Pieper zeigte sich mit dem Verlauf des Warnstreiks am Donnerstag zufrieden. Die Beteiligung an den betroffenen rund ein Dutzend deutschen Flughäfen sei stark gewesen. Am 6. und 7. Februar wird in Berlin weiterverhandelt. „Ich hoffe, dass wir entscheidende Schritte weiterkommen“, sagte Pieper. Bis dahin werde es wohl keine weiteren Streiks geben.

Nach der Verhandlungsrunde werde man „bewerten, wie weit die Arbeitgeberseite sich bewegt hat, ob absehbar ist, dass man sich einigt, oder ob es nach wie vor riesige Differenzen gibt“, so Pieper. Wenn es keine Annäherung gibt, könne er weitere Warnstreiks nicht ausschließen. Auch wenn die nächsten Gesprächstermine mit dem 21. und 22. Februar in der Hauptstadt bereits feststehen.

Warum streiken die Bodenverkehrsdienste in Hamburg?

In Hamburg sind laut Ver.di etwa 900 Beschäftigte bei den in der HAM Ground Handling Gruppe zusammengefassten Unternehmen Groundstars, Stars und Cats tätig. Die Beschäftigten be- und entladen die Flugzeuge und fahren Crew und Passagiere zum Flieger. An einer Kundgebung auf dem Parkdeck am Freitag hätten rund 200 Beschäftigte teilgenommen, sagte Gewerkschafter Lars Stubbe und zeigte sich damit „zufrieden“.

Die Gewerkschaft fordert die Zahlung einer Inflationsausgleichsprämie von 3000 Euro. Zudem sollen die Tabellenlöhne um 200 Euro und 5,5 Prozent rückwirkend ab 1. Januar 2024 bei einer Laufzeit von zwölf Monaten angehoben werden. Der Arbeitgeber hat nach zwei Verhandlungsrunden bisher kein Angebot vorgelegt.

Allerdings ist die Lage komplex. „Unser Ziel war und ist es, mit der Hamburger Ver.di konkrete Überleitungen zu erarbeiten“, sagte HAM Ground Handling-Chef Christian Noack. Dazu muss man wissen: Seit sechs Jahren wird auf Bundesebene über einen erstmals einzuführenden Branchentarifvertrag verhandelt. Nun liege dieser nahezu unterschriftsreif vor und könne im Juli in Kraft treten.

Er sehe weitere deutliche Verbesserungen für die Beschäftigten wie eine Arbeitszeitreduzierung von 39 auf 37,5 Stunden pro Woche bei vollem Lohnausgleich sowie zusätzliche Urlaubstage und Gehaltserhöhungen vor, so Noack.

Drohen bei den Bodenverkehrsdiensten neue Streiks?

Noack strebt eine Lösung in der nächsten, für den 19. Februar terminierten Verhandlungsrunde an. Stubbe wehrt sich gegen diese Verquickung: „Da wir noch keinen bundesweiten Tarifvertrag haben, gilt nur der in Hamburg. Und der muss aus unserer Sicht verbessert werden.“ Man habe deutlich gemacht, dass man für die zweite Verhandlungsrunde ein Angebot erwartet hätte. Das blieb aus. Daher habe sich die Tarifkommission für den Streik am Freitag ausgesprochen.

Wenn das Unternehmen beim nächsten Treffen kein Angebot vorlege, könne man weitere Warnstreiks nicht ausschließen. Ob diese dann noch im Februar erfolgen, Anfang März oder zu Ostern, ließ Stubbe offen: „Das wird sich zeigen, so wie die Verhandlungen entsprechend laufen.“

Warum wirkte sich der Streik bei den Bodenverkehrsdiensten kaum aus?

Am Flughafen Hamburg starteten und landeten die Flieger bis Freitagnachmittag mehr oder weniger pünktlich. Lediglich eine einstellige Zahl an Flügen wurde gestrichen. Das gehört zum Tagesgeschäft dazu und ist wenig angesichts der geplanten 135 Abflüge und 132 Ankünfte.

Bei einem Warnstreik der Bodenverkehrsdienstleister Anfang 2019 war noch ein Großteil der Flüge ausgefallen. Was hat den relativ stabilen Flugbetrieb dieses Mal ermöglicht? Das sei eine Mischung aus verschiedenen Faktoren gewesen, sagte Airport-Sprecherin Janet Niemeyer: „Wir haben alle Dienstleistungen in dem Bereich auf ein Minimum reduziert.“

So durften die Fluggesellschaften keine Fracht transportieren. Die Anzahl der Sperrgepäckschalter wurde halbiert. Es gab keinen Vorabend-Check-in am Freitagabend. Statt zwei Treppen wurde nur eine an ein Flugzeug gefahren. Auf diese Art und Weise spare man Personal, das aufgrund seiner „multifunktionalen Ausbildung“ flexibel eingesetzt werden könne. Das Personal übt also grundsätzlich verschiedene Tätigkeiten aus, was dem jetzigen „Notbetrieb“ zugutekommt.

„Und die Führungskräfte packen jetzt voll mit an“, sagte Niemeyer am Vormittag: „Sie haben sich in Schichten aufgeteilt, sodass wir davon ausgehen, dass wir den Normalbetrieb weiter aufrechterhalten können.“ Zudem seien viele Beschäftigte trotz des Streikaufrufs zur Arbeit erschienen. Die Passagiere halfen, weil sie mit wenig aufzugebenden und mehr Handgepäck reisten.

Welche Tarifkonflikte gibt es bei der Lufthansa?

Die Lufthansa gilt am Flughafen Hamburg als zweitgrößte Fluglinie. Sie fliegt von ihren Drehkreuzen Frankfurt und München nach Fuhlsbüttel. Die gute Nachricht vorweg: Mit den Piloten der Kranich-Linie wurde im August ein langfristiger Tarifvertrag abgeschlossen, der Streiks bis Ende 2026 ausschließt. Für das Kabinen- und Bodenpersonal stehen allerdings Gespräche an.

Die Unabhängige Flugbegleiter Organisation (UFO) fordert für die Stewardessen und Stewards 15 Prozent mehr Geld, eine Inflationsausgleichsprämie von 3000 Euro sowie höhere Funktionszulagen für Führungskräfte bei 18 Monaten Laufzeit. Im November wurden die Gespräche begonnen.

Droht Lufthansa in der Kabine ein Warnstreik?

Am vergangenen Dienstag brach die Kabinengewerkschaft die Tarifverhandlungen ab. Nach 14 Verhandlungstagen habe Lufthansa nur die Hälfte der Inflationsprämie und gut drei Prozent jährliche Lohnsteigerung angeboten, schreibt UFO auf der Homepage. Die Beschäftigten würden aber „Wertschätzung im Portemonnaie“ verdienen.

Der Lufthansa fehle für den Gesprächsabbruch zum jetzigen Zeitpunkt „jedes Verständnis“, sagte ein Sprecher. Man habe das „Erstangebot seit Beginn der Verhandlungen im November substanziell weiterentwickelt“. Das Unternehmen fordert eine Rückkehr an den Verhandlungstisch.

UFO reagierte auf mehrere Fragen unserer Redaktion, zum Beispiel, ob und wann Warnstreiks drohen, nur mit einer kurzen Mail. „Leider können wir Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt keine Antworten geben“, hieß es. Aber auf der UFO-Homepage wird ein möglicher Ausstand indirekt angedeutet: „Das schärfste Schwert einer Gewerkschaft ist so offensichtlich, dass wir es gar nicht separat aussprechen müssen“, hieß es dort. Und: „Wir sind bereit, auch den Weg der Ultima Ratio zu gehen.“

Wie laufen die Verhandlungen fürs Lufthansa-Bodenpersonal?

Für rund 25.000 Beschäftigte des Lufthansa-Bodenpersonals fordert Ver.di 12,5 Prozent mehr Lohn bei höheren Gehältern, mindestens aber 500 Euro monatlich mehr für alle bei einer Laufzeit von einem Jahr. Zudem solle es eine Inflationsprämie von 3000 Euro und Verbesserungen für Schichtarbeiter geben.

Die Gewerkschaft verhandelt für verschiedene Personengruppen innerhalb des Kranich-Konzerns, darunter neben Lufthansa Cargo auch die rund 9700 Beschäftigten von Lufthansa Technik in Hamburg. Hinzu kommt das Lufthansa-Bodenpersonal, das zum Beispiel am Check-in oder als Ramp-Agent auf dem Vorfeld arbeitet.

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Lufthansa hat ein erstes Angebot vorgelegt. Demnach sollen die Gehälter in den nächsten drei Jahren um 13 Prozent steigen und je nach Betrieb zwischen 2000 und 3000 Euro Inflationsprämie gezahlt werden. „Das zeigt doch: Wir sind bereit, den sehr guten vergangenen Tarifabschluss weiterzuentwickeln“, sagte Lufthansa-Personalchef Michael Niggemann dem „Handelsblatt“.

Die Gewerkschaft konterte. „Das Angebot ist aus unserer Sicht zu niedrig. Über die lange Laufzeit bedeutet das einen Reallohnverlust“, sagte Ver.di-Verhandlungsführer Marvin Reschinsky der Wirtschaftszeitung. Die nächste Verhandlungsrunde sei für den 12. Februar geplant. „Ob wir vorher oder danach zu einem Streik aufrufen würden, steht noch nicht fest“, so der Ver.di-Mann.

Flughafen Hamburg: Wie sieht es bei Eurowings aus?

Eurowings ist die größte Airline am Flughafen Hamburg und steuert von dort gut 50 Ziele an. Zusammen mit der großen Schwester Lufthansa haben beide Airlines etwa 50 Prozent Marktanteil. Die Lage bei den Tarifgesprächen ist aber eine ganz andere.

So ist der Vergütungsvertrag mit den Piloten bereits gekündigt. „Wir befinden uns aktuell in konstruktiven und positiven Gesprächen mit der Vereinigung Cockpit“, sagte ein Eurowings-Sprecher auf Anfrage. Zum Stand der laufenden Verhandlungen wolle man sich nicht äußern.

Dagegen erzielte man mit Ver.di bereits am 22. Januar eine Einigung. Die monatlichen Vergütungen steigen um 10,7 bis 14,4 Prozent. Zudem erhalten die rund 1800 Kabinenbeschäftigten – darunter etwa 400 in Hamburg – eine steuerfreie Inflationsausgleichsprämie von 2000 Euro.

„Wir sind äußerst zufrieden mit diesem Verhandlungsergebnis“, sagte Reschinsky, der auch bei Eurowings die Verhandlungen führte. „Dieses Ergebnis zeigt, dass gute Tarifeinigungen im Lufthansa-Konzern auch ohne Streiks möglich sind.“ Die Passagiere werden darauf auch in den anderen Konflikten hoffen.