Hamburg. Im neuen Jahr stehen Tarifverhandlungen bei Luftsicherheitskräften und Lufthansa an. Was Gewerkschaften fordern und Arbeitgeber sagen.
Das neue Jahr könnte für manche Passagiere an den deutschen Flughäfen mit einer unliebsamen Überraschung starten. Es stehen Tarifverhandlungen in gleich drei für die Luftfahrt wichtigen Bereichen mit vielen Hamburger Beschäftigten an.
Die Gewerkschaften verhandeln sowohl für zwei Beschäftigtengruppen des Lufthansa-Konzerns als auch für die Luftsicherheitsassistenten über höhere Löhne und Gehälter – und schließen Warnstreiks nicht aus. Diese könnten dann auch den Flughafen Hamburg beziehungsweise Flüge dorthin oder von dort treffen. Denn die Friedenspflicht für die Tarifrunden endete im Dezember 2023.
Flughafen Hamburg: Tarifverhandlungen – ab Januar könnte es Warnstreiks geben
Das System Luftfahrt sei in den vergangenen Jahren „kaputt gespart worden“, sagt Marvin Reschinsky. Er ist der bundesweite Verhandlungsführer bei Ver.di für die Tarifgespräche über das Bodenpersonal bei Lufthansa. Die Gewerkschaft fordert 12,5 Prozent mehr Lohn bei höheren Gehältern, mindestens aber 500 Euro monatlich mehr für alle bei einer Laufzeit von einem Jahr.
Für Auszubildende soll die Vergütung um 250 Euro monatlich steigen. Zudem solle der Kranich-Konzern eine Inflationsprämie von 3000 Euro zahlen. Alle Schichtarbeiter sollen eine neue, zusätzliche Schichtzulage von 3,6 Prozent bekommen. Mitarbeiter sollen künftig jedes Jahr statt alle zwei Jahre bei der Eingruppierung eine Stufe höher rücken.
Gehälter für Tausende Lufthansa-Technik-Beschäftigte werden verhandelt
Ver.di verhandelt für verschiedene Personengruppen innerhalb des Kranich-Konzerns. Einen großen Block stellen die Beschäftigten von Lufthansa Technik. Der Weltmarktführer für die Wartung, Reparatur und Überholung von Flugzeugen beschäftigt in Fuhlsbüttel gut 9700 Menschen.
Hinzu kommt das Lufthansa-Bodenpersonal, das zum Beispiel am Check-in oder als Ramp-Agent auf dem Vorfeld arbeitet. Am Flughafen Hamburg fielen darunter rund 250 Beschäftigte, hieß es. Deutlich mehr seien an den deutschen Luftdrehkreuzen Frankfurt und München tätig. Auch für die mehr als 2000 Beschäftigten von der Frachttochter Lufthansa Cargo wird verhandelt.
12,5 Prozent mehr Lohn – Ver.di stellt höchste Forderung im Lufthansa-Konzern
Für die zusammen rund 25.000 Mitarbeiter will die Gewerkschaft ein großes Paket schnüren. „Es sind die höchsten Forderungen in laufenden Tarifverhandlungen im Konzern, also auch im Vergleich mit dem fliegenden Personal“, sagt Reschinsky. Aber aus seiner Sicht gebe es dafür berechtigte Gründe, und zwar gleich drei.
Erstens habe das Bodenpersonal in den vergangenen Jahren immer die schlechtesten Abschlüsse gemacht. Es habe viele Jahre mit Reallohnverlusten gegeben. Allerdings ist die Inflationsrate im November auf 3,2 Prozent gesunken und die Bundesbank geht für 2023 von rund 6,1 Prozent und für 2024 von 2,7 Prozent aus – die Gewerkschaft fordert also angesichts tendenziell sinkender Preise einen kräftigen Schluck aus der Pulle. Aber der letzte Tarifabschluss stamme aus dem Sommer 2022, so Reschinsky. Und in den Folgemonaten waren die Preise in der Spitze um mehr als zehn Prozent gestiegen.
Gewerkschaft beklagt Personalmangel und Arbeitsverdichtung
Zweitens gebe es im Konzern einen enormen Personalmangel, und zwar sowohl an den Flughäfen mit den Stationsbeschäftigten als auch bei Lufthansa Technik. „Die Lufthansa findet in den technischen Bereichen – gerade in Hamburg, mit Airbus im Nacken – die Beschäftigten nicht mehr“, sagt Reschinsky. Es seien bereits viele Mitarbeiter von dem Wartungsbetrieb in Fuhlsbüttel zum Flugzeugbauer auf Finkenwerder gewechselt. Das hänge auch mit der Bezahlung zusammen, die südlich der Elbe höher sei.
Drittens beklagten die Beschäftigten in allen Bereichen die Arbeitsverdichtung, so der Gewerkschafter. Vor Corona sei ein Langstreckenjet von drei Beschäftigten abgefertigt worden, jetzt erledige dies einer. Dabei meldete der Konzern von Juli bis September mit einem operativen Ergebnis von 1,5 Milliarden Euro das zweitbeste Ergebnis seiner Geschichte.
Lufthansa-Sprecher erwartet faire Tarifverhandlungen auf Augenhöhe
Die Hamburger Tochter Lufthansa Technik erwartet für dieses Jahr erneut einen Rekordgewinn und damit wieder eine Steigerung der Bestmarke des Vorjahres von 511 Millionen Euro. Diese hohen Gewinne seien „aber auch auf dem Rücken der Beschäftigten, die mit hohen Krankheitsquoten zu kämpfen haben, weil die Belastung stark gestiegen ist“, erzielt worden, sagt Reschinsky.
Die Reaktion des Unternehmens fiel knapp aus: Man bitte um „Verständnis dafür, dass wir die Forderungen zum jetzigen Zeitpunkt nicht kommentieren werden. Die offiziellen Gespräche beginnen am 18. Januar und wir gehen fest davon aus, dass wir fair und auf Augenhöhe miteinander verhandeln werden“, sagt ein Lufthansa-Sprecher.
Lufthansa-Gespräche: Ver.di schließt Warnstreiks nicht aus
Nach dem Auftakt der Verhandlungen Mitte Januar sind bis Mitte März insgesamt fünf Gesprächstermine am Frankfurter Flughafen vereinbart. Mit einem schnellen Angebot rechnet die Gewerkschaft nicht. Der Rückhalt für den Arbeitskampf sei aber da, weil es auch eine breitere Beteiligung der Belegschaft gebe als in den Vorjahren, sagt Reschinsky und macht Konsequenzen klar:
„Wir bereiten immer alle Szenarien vor, die möglich sind. Klar ist: Vor dem 18. Januar wird nicht gestreikt. Danach hat es die Arbeitgeberseite in der Hand, ob sie uns ein Angebot macht oder nicht. Warnstreiks können wir dann nicht ausschließen.“ Wo diese stattfinden und wie sie ausfallen, ist aber noch offen.
Gewerkschaft UFO fordert 15 Prozent mehr fürs Kabinenpersonal bei 18 Monaten Laufzeit
Im Kranich-Konzern wird auch für eine zweite Berufsgruppe verhandelt, und zwar das Kabinenpersonal. Die Unabhängige Flugbegleiter Organisation (UFO) fordert für die Beschäftigten vor allem eine Erhöhung der Gehaltsstufen um 15 Prozent, die Zahlung der Inflationsausgleichsprämie von 3000 Euro sowie die Erhöhung von Funktionszulagen für Führungskräfte. Die Gewerkschaft strebt dabei eine Laufzeit von 18 Monaten an.
„Seit 2019 haben wir trotz einer Vergütungserhöhung im vergangenen Jahr in weit überwiegender Mehrheit Reallohnverluste hinnehmen müssen“, sagt UFO-Verhandlungsführer Harry Jaeger. Nun sollen die Löhne auch preisbereinigt steigen. Für den Januar seien bereits fünf Verhandlungstage angesetzt worden – Arbeitsniederlegungen werden aber nicht ausgeschlossen.
UFO will den Tarifkonflikt notfalls auf der Straße durchsetzen
„Wenn wir das Gefühl haben, dass man uns und Euch nicht ernst nimmt, dann zögern wir nicht, einen Tarifkonflikt notfalls auch vor den Toren der Lufthansa auszutragen“, so die UFO-Tarifkommission in einem Schreiben an die Mitglieder. Man sei nun nach den Krisenjahren wieder in der Lage, die Forderungen auch mit den entsprechenden Mitteln auf der Straße durchzusetzen. Der Januar werde „spannend“.
Dasselbe dürfte für die dritten Tarifgespräche gelten, bei denen es einen ersten Austausch schon gegeben hat. Am 13. Dezember und damit vor dem Auslaufen des aktuellen Vertrags trafen Gewerkschaftsvertreter von Ver.di und dbb Tarifunion mit Vertretern des Bundesverbandes der Luftsicherheitsunternehmen (BDLS) in Berlin zusammen.
Ver.di fordert für gut 20.000 Luftsicherheitskräfte 2,80 Euro pro Stunde mehr
Die Gewerkschaft hat zwei Kernanliegen. Erstens soll der Lohn der bundesweit mehr als 20.000 Luftsicherheitskräfte bei einer Laufzeit von zwölf Monaten für alle Entgeltgruppen um 2,80 Euro pro Stunde steigen. Die Spannweite reicht derzeit von 13,83 Euro bis 20,60 Euro. Das Plus liegt rechnerisch also bei bis zu etwa 20 Prozent.
Man müsse das aber relativieren, sagt Ver.di-Verhandlungsführer Wolfgang Pieper. Die meisten Beschäftigten an den Sicherheitskontrollen der Flughäfen hätten Verträge über maximal 160 Stunden im Monat. Die Forderung liege damit unter den im öffentlichen Dienst einst geforderten 500 Euro pro Monat und sei vor allem ein Inflationsausgleich plus Reallohnsteigerung.
Überstunden sollen mit 30 Prozent Zuschlag vergütet werden
Die meisten Luftsicherheitskräfte hätten sogar nur Teilzeitverträge mit zum Beispiel 120 Stunden und „atmender Arbeitszeit“: „Wenn Leute fehlen, müssen die ständig über der vereinbarten Arbeitszeit arbeiten“, sagt Pieper. Bis zu 32 Stunden im Monat dürfe überzogen werden – und da setzt das zweite Kernanliegen der Gewerkschaft an.
Man wolle Mehrarbeitszuschläge von 30 Prozent einführen, also dass Überstunden im zweiten Beispiel mit einem typischen Teilzeitvertrag ab der 121. Stunde zusätzlich vergütet werden, sagt Pieper. Das sei immer noch günstiger als Neueinstellungen, aber die Leute bekämen immerhin mal etwas für ihre Flexibilität.
„Nicht zu stemmen“: Sicherheitsunternehmen lehnen Forderungen ab
Der BDLS lehnt die Forderungen ab. Für die Firmen würde dies eine Mehrbelastung von rund einer Viertelmilliarde Euro im Jahr 2024 bedeuten. „Diese Mehrbelastungen sind für die Unternehmen in der Luftsicherheit nicht zu stemmen“, sagt Verhandlungsleiter Frank Haindl.
Er verwies darauf, dass in den Jahren 2022 und 2023 die Entgelterhöhung unter anderem durch die Aufhebung der Lohnabstände in den Bundesländern bis zu 28,2 Prozent betragen habe. Darüber hinaus habe es Erhöhungen der Zeitzuschläge und der Führungskräftezulagen gegeben. Ein Ausgleich dieser Zusatzkosten sei über Preisanpassungen bislang nicht durchsetzbar gewesen und belaste die Unternehmen auch 2024 wirtschaftlich schwer.
Sicherheitskontrollen – Ver.di schließt Warnstreiks nur bis 11. Januar aus
„Bei dem vorliegenden Forderungspaket ist eine schnelle Einigung eher unwahrscheinlich“, sagt Haindl und stellte mit einer Schlichtungsvereinbarung erstmals eine Gegenforderung auf. Dann sind Streiks ausgeschlossen. „Um unbeteiligte Dritte und die Luftverkehrswirtschaft insgesamt vor Streiks zu schützen, aber auch einen möglichst zeitnahen Abschluss zu erzielen, wäre die Zusage zu einer Schlichtung nicht nur hilfreich, sondern aus unserer Sicht notwendig gewesen“, so Haindl.
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Die Gewerkschaft lehnt dies ab und sieht sie als nicht sinnvoll an. Drei weitere Verhandlungsrunden sind im Januar und Februar in Berlin terminiert, zunächst am 11. Januar. „Wir können Warnstreiks nicht ausschließen, je nachdem wie sich das am 11. entwickelt“, sagt Pieper: „Wenn nötig, machen wir auch Arbeitskampfmaßnahmen.“
Am Flughafen Hamburg selbst wird über die Bodenverkehrsdienste verhandelt
Ob Warnstreiks auch den Flughafen Hamburg beträfen, ist noch offen. Aber auch am Helmut-Schmidt-Flughafen wird es eine Tarifauseinandersetzung geben. Der Tarifvertrag für die Bodenverkehrsdienste sei hier vor Ort zum Ende des Jahres fristgerecht gekündigt worden, sagt Airport-Sprecherin Janet Niemeyer.
Anfang des Jahres würden dann parallel auf Bundesebene, wo seit Jahren über einen bundesweiten Branchentarifvertrag verhandelt wird, und in Hamburg Gespräche anstehen. Daten könne man dafür noch nicht nennen. Von Gewerkschaftsseite aus heißt es, dass es sich um Überleitungstarifverhandlungen handele. Angestrebt werde zum April der bundesweite Branchentarifvertrag, der für allgemeinverbindlich erklärt werden soll.