Hamburg. Nun werden die Karten bei dem Signa-Prestigeobjekt neu gemischt. Commerz Real geht vom baldigen Weiterbau des Wolkenkratzers aus.

Jetzt hat es auch das Signa-Prestigeobjekt an den Elbbrücken erwischt: Die Käuferin des Elbtower-Grundstücks, die Hamburg Elbtower Immobilien GmbH & Co. KG, hat am Amtsgericht Berlin-Charlottenburg Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt. Dies teilte die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen am Freitagmorgen mit.

Die Käuferin war zu dieser Mitteilung nach dem Grundstückskaufvertrag verpflichtet. Mit der Einreichung des Insolvenzantrags ist ein Fall der „Wirtschaftlichen Verschlechterung“ nach Paragraf 10.7 des Grundstückskaufvertrags eingetreten.

Elbtower Hamburg: Käuferin des Grundstücks muss Insolvenz anmelden

Mit dem Insolvenzantrag war in der Branche seit Längerem gerechnet worden. Das Firmenkonstrukt Signa des österreichischen Investors René Benko befindet sich seit Wochen in Schieflage. Laut einer Liste der Verbindlichkeiten fordern die Gläubiger insgesamt mehr als 14 Milliarden Euro. Kurz vor Silvester waren mit der Signa Prime Selection AG und der Signa Development Selection AG die wichtigsten Töchter in die Insolvenz gerutscht. Seitdem befindet sich das Unternehmen in einem Sanierungsverfahren in Eigenverwaltung.

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Mit einer Insolvenz des Wolkenkratzers sind aber auch Hoffnungen verbunden: Damit werden die Karten neu gemischt. Hinter den Kulissen laufen seit Wochen Gespräche potenzieller Investoren, wie das Prestigeprojekt gerettet werden kann. Nun wird es konkret.

Signa-Projekt Elbtower: Commerz Real rechnet mit rascher Lösung

Mit der Commerz Real glaubt ein finanzstarker Investor weiter an den Elbtower und rechnet mit einer baldigen Fortsetzung der Bauarbeiten: Die Commerzbank-Tochter hatte sich mit einer Summe von 50 Millionen Euro am Wolkenkratzer beteiligt. „Die Insolvenz ist nicht schön, das Verfahren eröffnet aber nun die Möglichkeit eines zügigen Neustarts für das Projekt“, sagt Unternehmenssprecher Gerd Johannsen dem Abendblatt.

Blick auf die Baustelle des Elbtowers an den Elbbrücken in der HafenCity.
Blick auf die Baustelle des Elbtowers an den Elbbrücken in der HafenCity. © dpa | Marcus Brandt

Nun gehe es darum, rasch Klarheit über eine zukunftsfähige Eigentümerstruktur zu erhalten. „Dann kann es mit der Wiederaufnahme der Bauarbeiten prinzipiell sehr schnell gehen. Alle Seiten haben ein hohes Interesse an der erfolgreichen Realisierung der Projektentwicklung, sodass wir davon ausgehen, dass die Bauarbeiten bald fortgesetzt werden.“

Commerzbank-Tochter: „Wir sind weiterhin fest vom Elbtower überzeugt“

Sollte sich eine neue Kapitalstruktur beziehungsweise eine neue Lösung abzeichnen, sei die Commerz Real bereit, diese zu prüfen und zu begleiten. „Wir sind weiterhin fest vom Elbtower überzeugt: Er wird als Landmark-Immobilie mit breiter Mischung der Nutzungsarten sowie zukunftsweisendem Nachhaltigkeitskonzept eine Ausnahmestellung und herausragende Bedeutung für die Hamburger Stadtentwicklung haben“, so Johannsen.

Damit rücken auch weitere potenzielle Investoren in den Mittelpunkt. Ein Name ist die Signal-Iduna, die hohe Forderungen an die Signa hat. Auch Milliardär Klaus-Michael Kühne hatte mehrfach seine Bereitschaft bekundet, sich an einer Lösung zu beteiligen und die Stadt aufgefordert, sich intensiver einzubringen. „Wir sind erst bereit und in der Lage, uns in das Projekt einzubringen, wenn sich die Stadt positioniert hat und eine mögliche Rettungsaktion wirkungsvoll unterstützen würde“, hatte er im Dezember erklärt. Dem Vernehmen nach ist der Wahlschweizer vom Zögern der Stadt enttäuscht.

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In der Stadtentwicklungsbehörde aber bleibt man zurückhaltend. Zweifellos hat der Insolvenzantrag ihren Einfluss erhöht – sie ist bildlich gesprochen vom Rücksitz auf den Beifahrersitz gewechselt. „Damit kann die Stadt Hamburg nun ihr kaufvertraglich gesichertes Wiederkaufsrecht sowie die Übernahme aller Planungs- und Bauverträge geltend machen“, sagte Karen Pein, Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen, am Morgen. „Die Stadt wird ihre Rechte auch im Insolvenzverfahren sichern und nach Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters umgehend mit diesem in Kontakt treten.“

Allerdings wird die Behörde nicht müde zu betonen, dass „die Errichtung des Elbtowers ein privatwirtschaftliches Projekt“ ist. Die Politik erwarte, dass im Rahmen des Insolvenzverfahrens eine privatwirtschaftliche Lösung für die zeitnahe Wiederaufnahme der Bautätigkeit gefunden wird. Wesentliche Veränderungen des Gesamtprojektes könnten nur im Einvernehmen mit der Stadt erfolgen. „Das stellt der Grundstückskaufvertrag sicher. Das Wiederkaufsrecht zugunsten der Stadt ermöglicht jedoch, dass die Stadt die Kontrolle über das Projekt übernehmen kann, wenn keine tragfähige Lösung gefunden wird“, so Pein.

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Baufirma Lupp sieht Insolvenzantrag positiv

Auch beim Bauunternehmen Adolf Lupp GmbH + Co KG begrüßt man den Insolvenzantrag. Die hessische Firma hatte Ende Oktober die Bauarbeiten wegen fehlender Zahlungen durch die Signa gestoppt und damit die Schwierigkeiten Benkos publik gemacht. „Wir bewerten den Insolvenzantrag grundsätzlich positiv, da hiermit nun die Möglichkeit besteht, mit dem Insolvenzverwalter und interessierten Investoren über eine Fortführung des Projekts zu sprechen“, sagte Geschäftsführer Matthias Kaufmann. „Wir können zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht einschätzen, wann eine Wiederaufnahme der Bautätigkeit möglich sein wird.“

Das Problem des Großprojekts: Als der Elbtower 2017/2018 erdacht und entwickelt wurde, sah die Immobilienwelt noch anders aus: Eine Pandemie hatte niemand erwartet, der Trend zum Homeoffice war kaum absehbar, die Durchschnittsmieten in der Hansestadt lagen höher. Zwar halten sich die Mieten in den Spitzenlagen gut – trotzdem wirken Büromieten von 40 Euro pro Quadratmeter und mehr an den Elbbrücken derzeit unrealistisch.

Immobilienexperte: „Das Rückkaufsrecht ist ein stumpfes Schwert“

„Die Insolvenz ist der notwendige Schritt zu einer Neubewertung des Projektes“, sagt der Immobilienexperte Joachim Seeler, der bis 2020 auch wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD in der Bürgerschaft war.
Der Geschäftsführer der HSP Hamburg Invest rät der Stadt dringend, sich weiterhin mit Steuergeldern zurückzuhalten und auf das Wiederkaufsrecht zu verzichten. Der Bürgermeister und die Stadtentwicklungssenatorin hatten mehrfach auf diese Möglichkeit im Fall der Insolvenz verwiesen.

Bei einem Rückkauf würde Hamburg den ursprünglichen Kaufpreis in Höhe von 122 Millionen Euro abzüglich fünf Millionen Euro zahlen. „Das Rückkaufsrecht ist aber ein stumpfes Schwert“, sagt Seeler. Mit der jetzigen Insolvenz und dem wirtschaftlichen Scheitern des Projektes werden – wenn überhaupt – nur Kaufgebote eingehen, die deutlich unter der von Signa einst kalkulierten einer Milliarde Euro liegen. „Damit verliert das Grundstück erheblich an Wert und die Stadt macht einen vorhersehbaren Verlust, was gegen das Haushaltsrecht verstößt.“ Geradezu absurd sei die Idee des Rückkaufes durch die Stadt mit anschließend teurem Abriss zulasten des Hamburger Steuerzahlers.

Das Projekt bedarf einer Neubewertung

Seeler sieht die einzige Chance darin, dass geeignete Investoren nach einer Neubewertung weiterbauen. „Das Projekt könnte sich gegebenenfalls rechnen, wenn mit den verbleibenden Kosten von 600 Millionen Euro rechnet.“ Dann aber müssten die Gläubiger auf viel Geld verzichten – dem Vernehmen nach sind bereits 400 Millionen Euro verbaut worden.

So aber könnten die Mieten auf ein für Hamburg realistisches Maß sinken. Und die Stadt könnte helfen, indem sie mehr Flexibilität beim Planungsrecht ermöglicht. Wohnungen in den oberen Etagen oder geringere öffentliche Flächen im Gebäude könnten die Kalkulation des Elbtowers verbessern.

„Wolkenkratzer rechnen sich in Deutschland nicht“

Joachim Seeler, der mit seinem Unternehmen früher Wolkenkratzer gekauft und sogar einen in New York gebaut hat, hielt die Idee des 245-Meter-Hochhauses an den Elbbrücken immer für verkehrt: „Wolkenkratzer sind in der Erstellung teuer. Im deutschen Immobilienmarkt bekommt man dafür aber nicht die wirtschaftlich notwendigen Mieten. Sie rechnen sich in New York, aber nicht in Deutschland, erst recht nicht im Hamburger Elbschlick.“

Immerhin: Durch die Insolvenz sind die bestehenden Mietverträge nicht hinfällig, wenn das Gebäude am Ende doch pünktlich in zwei Jahren fertig werden sollte: So wollte die Hamburg Commercial Bank (HCOB) aus dem Benko-Gebäude am Gerhart-Hauptmann-Platz in das Benko-Gebäude an den Elbbrücken ziehen. Auch Nobu, eine von Nobu Matsuhisa, Robert De Niro und Meir Teper gegründete globale Lifestyle-Marke, beabsichtigt, ihr deutschlandweit erstes Hotel und Restaurant im Elbtower zu eröffnen. Als weiterer Mieter stand der Versicherungsmakler Aon fest. Das dritthöchste Gebäude Deutschlands, entworfen vom Londoner Stararchitekten David Chipperfield, soll zudem eine Aussichtsplattform in der 55. Etage beherbergen.

Elbtower Hamburg: Der krönende Abschluss der HafenCity ist nur ein „Kurzer Olaf“

Der Elbtower war als krönender Abschluss der HafenCity geplant und vom damaligen Bürgermeister Olaf Scholzforciert worden. Ganz im Osten bei den Elbbrücken bildet er das Gegenstück zur Elbphilharmonie im Westen: „64 Stockwerke, 245 Meter über dem Meer. Ein neuer Blick auf die Stadt“, heißt es auf der Homepage des Elbtowers. Bislang war die Fertigstellung für Ende 2025 geplant bei Gesamtkosten in Höhe von rund 950 Millionen Euro. Seit Ende Oktober herrscht auf der Baustelle Stillstand, der gut 100 Meter hohe Rohbau heißt umgangssprachlich „Kurzer Olaf“.

Längst ist der Bau ein Politikum: „Mit dem heutigen Tage steht schwarz auf weiß fest, dass sich der Elbtower für Olaf Scholz und die Hamburger SPD zu einem Desaster entwickelt hat“, sagte CDU-Fraktionschef Dennis Thering. Er nannte den gestoppten Bau an den Elbbrücken „ein Wahrzeichen für eine verfehlte sozialdemokratische Stadtentwicklungspolitik“. Die Steuerzahler bekämen am Ende die Quittung präsentiert. Die stellvertretende FDP-Landesvorsitzende Katarina Blume kritisierte: „SPD und Grüne sind damals unter der Führung von Olaf Scholz sehenden Auges ins Verderben gerannt.“

Im Gegensatz zur Stadtentwicklungsbehörde bezweifelt Heike Sudmann von der Linkspartei, dass durch die Insolvenz ein Wiederkaufsrecht ausgelöst wird. Sie kritisierte: „Trotz der vielen und teuren Rechtsberatung ist der Kaufvertrag schlecht für die Stadt Hamburg.“