Hamburg. Letzter Arbeitstag terminiert. Aufsichtsrat entscheidet Dienstag. Neben Chef Harings sollen auch Finanz- und Produktionsvorstand gehen.

Nach lange unbemerkt gebliebenen Diebstählen und Betrug mit einem Schaden von insgesamt knapp 170 Millionen Euro sowie schweren Arbeitsunfällen mit drei Todesopfern im Hamburger Werk von Aurubis soll fast der gesamte Vorstand des Kupferkonzerns gehen.

Der Aufsichtsrat des börsennotierten Unternehmens wird voraussichtlich am Dienstag die vorzeitige Trennung von Finanzvorstand Rainer Verhoeven, Produktionsvorstand Heiko Arnold und Vorstandschef Roland Harings besiegeln. Das Unternehmen teilte am Montag mit: „Vertreter des Aufsichtsrats führen, unter dem Vorbehalt der für den 23. Januar 2024 geplanten Diskussion und Beschlussfassung im Gesamtaufsichtsrat, weit fortgeschrittene Gespräche mit drei Vorstandsmitgliedern über die Beendigung ihrer Vorstandstätigkeit.“

Metallklau bei Aurubis: Vorstandschef Roland Harings soll gehen

Weiter heißt es: „Danach würden Roland Harings (CEO) zum 30. September 2024, Rainer Verhoeven (CFO) zum 30. Juni 2024 und Dr. Heiko Arnold (COO) zum 29. Februar 2024 aus dem Vorstand ausscheiden. Bis zu ihrem vorzeitigen Ausscheiden würden diese Vorstandsmitglieder ihre jeweiligen Aufgaben weiterhin wahrnehmen.“ Allein die erst Anfang 2023 zur Vorständin für das Recyclinggeschäft berufene Inge Hofkens würde demnach über das laufende Geschäftsjahr 2023/2024 hinaus im Top-Management des Hamburger Konzerns verbleiben.

Finanzvorstand Rainer Verhoeven muss voraussichtlich Mitte des Jahres seinen Posten räumen.
Finanzvorstand Rainer Verhoeven muss voraussichtlich Mitte des Jahres seinen Posten räumen. © picture alliance/dpa | picture alliance

Der Aufsichtsrat wird damit am Dienstag absehbar die Konsequenzen aus einer ganzen Reihe von Kriminalfällen im Hamburger Werk ziehen, die in jüngster Zeit bekannt wurden. Alles in allem kamen dabei bei Aurubis Edelmetalle wie Gold, Silber und Platin im Wert von 169 Millionen Euro abhanden, was lange nicht auffiel.

Diebstahl und Betrug: Konzern fehlt Edelmetall für 169 Millionen Euro

Vor dem Landgericht Hamburg läuft derzeit ein Prozess gegen sechs Männer, die laut Anklage von Februar 2020 bis Januar 2021 edelmetallhaltige Zwischenprodukte im Wert von elf Millionen Euro unbemerkt vom Werksgelände schafften. Einer der Angeklagten sagte vor Gericht, die Sicherheitsmaßnahmen seien schwach gewesen.

Der Vertrag von Produktionsvorstand soll Ende Februar vorzeitig beendet werden.
Der Vertrag von Produktionsvorstand soll Ende Februar vorzeitig beendet werden. © David Goltz/Aurubis | David Goltz/Aurubis

Durch Betrug beim Ankauf von Recyclingmaterial entstand Aurubis zudem ein Schaden in ebenfalls zweistelliger Millionenhöhe. Das Material enthielt weniger Edelmetall als die – offenbar mithilfe von Aurubis-Beschäftigten manipulierten Proben – versprachen.

Metallklau bei Aurubis: Erst letzte Woche wurde ein Mitarbeiter ertappt

Zudem musste der Vorstand einräumen, dass darüber hinaus ein Edelmetall-Fehlbestand im Wert von mehr als 100 Millionen Euro vorhanden ist, dessen Ursache offenbar weitere – bislang noch nicht näher bekannte – Straftaten sind. Der Edelmetallklau bei Aurubis ging unterdessen weiter. Erst vergangene Woche wurde ein Beschäftigter auf frischer Tat ertappt, als er edelmetallhaltiges Material aus dem Werk schmuggeln wollte.

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Der Aufsichtsrat hatte eine Anwaltskanzlei damit beauftragt, zu untersuchen, ob und welchen Vorstandsmitgliedern Versäumnisse vorzuwerfen sind. Auf dieser Grundlage wolle man über Personalien entscheiden, hieß es Ende vergangenen Jahres. Das wird nun am Dienstag geschehen.

Anleger reagierten verhalten auf den absehbaren Austausch der Aurubis-Manager. Der Aktienkurs des Kupferkonzerns gab nach Veröffentlichung der Ad-hoc-Mitteilung am Montagnachmittag um vier Prozent nach.