Hamburg. Auch für Smarties, Choco Crossies und After Eight kommen Kakaobohnen von Bauern aus der Elfenbeinküste. Was dahinter steckt.
Es riecht nach … Kakao. Sofort flutet ein wohliges Gefühl den Körper. So muss es sein, wenn man eine Schokoladenfabrik betritt. Damit hört die Romantik aber auch schon auf. Die Maschinen in der großen Werkhalle rattern so laut, dass Produktionsleiterin Maren Grisar erst mal Ohrstöpsel verteilt. Die 37-Jährige ist zuständig für die Herstellung eines der traditionsreichsten Produkte im Nestlé-Chocoladenwerk in Hamburg: KitKat-Schokoriegel.
In schnellen Schritten marschiert die Wirtschaftsingenieurin durch die große Werkhalle. 220 Beschäftige arbeiten hier rund um die Uhr daran, die beliebten Süßigkeiten zu produzieren. Weiße Weste über weißem Pullover, Haarnetz und Cap, entlang der Fertigungsstraßen erklärt Produktionschefin Grisar, wie aus in der eigenen Bäckerei gebackenen Waffeln und Schokoladenmasse ein KitKat wird.
Nestlé produziert KitKat-Riegel in Hamburg mit fairer Schololade
Gerade mal 40 Minuten dauert es vom Gießen der ersten Schokoladenform bis zum verpackten Schokoriegel. Aufgegessen ist er noch viel schneller. Ein Milliardengeschäft für den Schweizer Nahrungsmittelkonzern. Mehr als vier Millionen KitKats für über 20 europäische Länder laufen allein im Hamburger Chocoladenwerk im Stadtteil Wandsbek jeden Tag vom Band.
Jetzt gibt es was Neues von dem Kultriegel, der vor knapp 90 Jahren in England erfunden wurde. Hieß der legendäre Slogan bislang „Have a break. Have a KitKat“, wirbt Hersteller Nestlé nun mit einem abgewandelten Schriftzug: „Breaks for Good“. Dahinter steckt ein Nachhaltigkeitsprogramm, mit dem das Unternehmen Kakaobauern in der westafrikanischen Elfenbeinküste unterstützt.
Ab sofort stammt die für die KitKat-Riegel am Hamburger Standort verwendete Kakaomasse zu 100 Prozent aus einem sogenannten Income Accelerator Programm, das Nestlé zusammen mit dem Lieferanten Cargill und dem Zertifizier Rainforest Alliance umsetzt.
„Die Lieferkette von der Kakaobohne bis zum fertigen Riegel ist damit komplett nachvollziehbar. Ich bin stolz darauf, dass Hamburg weltweit unser erstes Werk ist, in dem wir ausschließlich Kakaomasse aus dem Programm einsetzen“, sagt Nestlé-Deutschlandchef Alexander von Maillot bei der Vorstellung.
Das heißt: Auch Süßwaren-Klassiker wie Smarties, Choco Crossies und After Eight werden hier von nun an mit rückverfolgbaren Kakaobohnen produziert. Als Nächstes soll das Werk im bulgarischen Sofia folgen.
Es ist keine Lösung. Aber ein Schritt, um die Lebensgrundlage von Kakaobauern zu verbessern. Mehr als zwei Millionen Kleinbauern und ihre Familien produzieren den überwiegenden Teil des weltweit verwendeten Kakaos in Westafrika. Deutschland ist ein wichtiges Importland, rund 450.000 Tonnen Kakao werden im Jahr eingeführt.
Von den Erlösen bekommen die Bauern den geringsten Teil. Viele leben in großer Armut. Kinder gehen nicht zur Schule, sondern müssen mitarbeiten. Angaben von Nestlé zufolge liegt das durchschnittliche Jahreseinkommen einer Familie bei umgerechnet etwa 3000 Euro.
Nestlé ist einer der Großabnehmer der brauen Bohnen. Schon 2009 hatte der Schweizer Konzern den Nestlé Cacao Plan gestartet. Nach einer Pilotphase wurde im Januar 2022 das Income Accelerator Programm ins Leben gerufen, um – wie es heißt – „die Einkommenslücke von Kakaobauernfamilien schließen und das Risiko von Kinderarbeit verringern zu helfen“. Gleichzeitig soll es regenerative Landwirtschaftspraktiken und Aufforstung vorantreiben und die Geschlechtergleichstellung fördern.
Nestlé unterstützt Kakaobauern mit einem Programm
Das geschieht vor allem mit finanziellen Anreizen. Die Familien können mit unterschiedlichen Maßnahmen über einen Zeitraum von zwei Jahren bis zu 500 Euro pro Jahr zusätzlich erhalten. So gibt es etwa 100 Euro, wenn die Kinder zwischen sechs und 16 Jahren in die Schule gehen statt auf den Plantagen zu arbeiten.
Auch Baumbeschnitt zur Förderung der Ernteerträge, Aufforstung und die Teilnahme von Frauen an Aktivitäten, um das Haushaltseinkommen zu diversifizieren, werden mit einem Bonus von jeweils 100 Euro belohnt. Nach der zweijährigen Umstellungsphase bekommen die Teilnehmer noch 250 Euro jährlich.
Bislang wurden mehr als 10.000 Familien an der Elfenbeinküste unterstützt. Dieses Jahr wird das Programm auf Ghana ausgeweitet und soll insgesamt 30.000 Familien einbeziehen. Ziel des Programms ist es, bis 2030 etwa 160.000 Kakaobauernfamilien in der globalen Kakaolieferkette von Nestlé zu erreichen. Bis dahin will Nestlé mehr als 1,3 Milliarden Euro in sein Nachhaltigkeitsprogramm für Kakao investieren. Langfristig soll das Einkommen auf 6000 Euro erhöht werden – eine Summe, die als existenzsichernd gilt.
Rainforest Alliance kontrolliert das Nestlé-Programm
Für die neuen Wege der Kakaobeschaffung arbeitet Nestlé mit verschiedenen Partnern und Lieferanten. Das fängt schon im Ursprungsland an. Die Kakaobohnen werden im Rahmen des Nachhaltigkeitsprogramms über die lokalen Kooperativen in der Elfenbeinküste von Anfang an streng von anderen separiert. „Wir stellen sicher, dass sie auch getrennt transportiert werden“, sagt Michiel van der Bom vom Lieferanten Cargill.
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Per Containerschiff landen die Kakaobohnen im Hamburger Hafen. Dort werden sie zwischengelagert und nach und nach in das Chocoladenwerk nach Wandsbek gebracht. Im Rohstofflager der Firma Cotterell kommen im Jahr etwa 25.000 Tonnen Kakaobohnen an – auch hier getrennt von anderen Quellen. Jetzt zum Beginn der Erntesaison lagern in der Halle im Hamburger Hafen 5000 Tonnen. Ein riesiger Berg. Jede Bohne wiegt etwa ein Gramm. Das bedeutet: Aktuell liegen hier gerade fünf Milliarden Kakaobohnen.
Nestlé will nachhaltiger werden und meint es ernst
Natürlich reagiert Nestlé mit den neuen Beschaffungswegen auch auf zunehmende gesetzliche Vorgaben bei den Lieferketten. Der Großkonzern, der häufig in der Kritik steht und sich auch gegen Verdacht des Greenwashings wehren muss, ist auch nicht der einzige Schokoladen-Hersteller in Deutschland, der die Kakaobeschaffung in den vergangenen Jahren transparenter und damit nachhaltiger gemacht hat.
Trotzdem gibt es jetzt durchaus positive Stimmen. Dass Nestlé es ernst meint, hatte das Unternehmen vor vier Jahren gezeigt, als es Rainforest Alliance als unabhängigen Zertifizierer an Bord geholt hatte. Jetzt äußert sich Thierry Touchais, Strategiemanager bei Rainforest Alliance, zufrieden mit der Zusammenarbeit.
„Das Modell erlaubt die Rückverfolgung von Kakao bis hin zu Rainforest Alliance-zertifizierten Bauern, die dem Income Accelerator Program angeschlossen sind. Der Ansatz zeigt das Potenzial für positive Veränderungen in der Branche.“
Nestlé produziert KitKat-Riegel in Hamburg mit fairer Schololade
Wenn die Bohnen im Chocoladenwerk in Hamburg-Wandsbek ankommen, werden sie vom Lieferanten Cargill auf dem Gelände zu Kakaomasse weiterverarbeitet. Das bedeutet: Sie werden gereinigt, geschält, geröstet und gemahlen. Danach werden sie über eine Art Pipeline weitergeleitet und gemischt mit Zucker und anderen Inhaltsstoffen zu Schokoladenmasse weiterverarbeitet. Je nachdem, ob daraus am Ende Smarties, Choco Chrossies, After Eight oder KitKat werden, ist die Rezeptur unterschiedlich.
Auf die Produktion an sich hat die Umstellung auf faire Schokolade keinen Einfluss. „Die Verarbeitung ist gleich“, sagt KitKat-Produktionsleiterin Maren Grisar. Tatsächlich ist der Anteil der Kakaobohnen auch eher gering. In jedem KitKat-Riegel stecken nach Angaben von Nestlé maximal acht Kakaobohnen.
Trotzdem steht Maren Grisar voll hinter der Umstellung. „Wir alle verurteilen Kinderarbeit. Es ist sehr positiv, wenn Großkonzerne solche Projekte unterstützen.“