Hamburg. Hamburgs Gewerkschaften sagen Tarifflucht den Kampf an. Das betrifft auch prominente Unternehmen wie Thalia, Moia und Hagenbeck.

Die Zahl der Beschäftigten in Hamburg steigt seit Jahren an und liegt mittlerweile bei mehr als einer Million. Doch nicht einmal jeder zweite Arbeitnehmer und jede zweite Arbeitnehmerin in der Hansestadt sind durch einen Tarifvertrag abgesichert. Diese „Tarifflucht“ der Unternehmen zu bekämpfen hat sich der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) daher für 2024 ganz oben auf die Fahnen geschrieben.

„Durch die Tarifflucht der Unternehmen verdienen die Beschäftigten nicht nur weniger, sondern die Unternehmen verlieren auch deutlich an Attraktivität für die dringend gesuchten Fachkräfte“, sagte Hamburgs DGB-Vorsitzende Tanja Chawla am Dienstag. Tarifbeschäftigte würden in Hamburg im Schnitt 2100 Euro mehr pro Jahr verdienen, mehr Urlaubs- und Weihnachtsgeld erhalten und weniger arbeiten als vergleichbare Beschäftigte ohne Tarifvertrag.

Hamburgs DGB-Chefin kritisiert Hagenbeck, Moia und Thalia für „Tarifflucht“

Hart ging sie daher mit einigen Firmen ins Gericht: „Auch Hamburger Unternehmen entziehen sich ihrer Verantwortung und begehen Tarifflucht“, so die DGB-Vorsitzende. „Nur noch 46 Prozent der Beschäftigten sind tarifgebunden. Bei Thalia, Moia und nicht zuletzt in Hagenbecks Tierpark kämpfen die Beschäftigten darum, wieder von dem Schutz eines Tarifvertrages profitieren zu können“, so Chawla.

Ina Morgenroth, Geschäftsführerin der IG Metall Hamburg, bezeichnete es als „skandalös“, dass sich mit Moia eine Tochter des teilstaatlichen VW-Konzerns, die zudem einen politisch gewollten Fahrdienst betreibe, gegen einen Tarifvertrag sperre. „Gerade erst hat Moia sechs Millionen Euro Fördermittel vom Staat erhalten. Trotzdem sind sie nicht bereit, ihre Beschäftigten besser zu bezahlen“, so Morgenroth. Dabei würde eine Tarifbindung „dem Prestigeprojekt zu autonomem Fahren des mächtigen VW-Konzerns und der Stadt Hamburg gut zu Gesicht stehen“, so die IG-Metall-Chefin.

Gewerkschaften mahnen: Tarifflucht fördert die soziale Spaltung

Chawla verwies darauf, dass die EU ihre Mitgliedstaaten anhalte, eine Tarifbindung von 80 Prozent zu erreichen. Deutschland liege mit 48 Prozent meilenweit darunter und habe daher nur noch bis November 2024 Zeit, einen Aktionsplan zu entwickeln. Auch daher erwarte der DGB für 2024 ein „Mega-Tarifjahr“.

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Die DGB-Landesvorsitzende ordnete das auch in einen größeren Zusammenhang ein: Tarifverträge würden nicht nur die Kaufkraft und damit die Wirtschaftsleistung des Landes stärken und die Zufriedenheit der Beschäftigten erhöhen, sondern ihnen auch die Sorge vor sozialem Abstieg nehmen. Das sei wichtig, da diese Sorge viele Menschen in die Arme der (Rechts-)Populisten treibe. „Wer Tarifflucht betreibt, nimmt die soziale Spaltung in Kauf, was letztlich rechtspopulistischen Kräften Auftrieb gibt“, sagte Chawla und betonte: „Tarifverträge stärken auch die Demokratie.“

Tarifverträge: Wie Gewerkschaften in Hamburg dafür kämpfen

Die acht DGB-Gewerkschaften haben in Hamburg rund 200.000 Mitglieder, Tendenz stark steigend. Allein Ver.di habe 2023 rund 8000 neue Mitglieder gewonnen, berichtete Landes-Chefin Sandra Goldschmidt. Dabei liege die Tarifbindung zwischen 14 Prozent im Handel und 100 Prozent im öffentlichen Dienst. Sie beobachte zwar, dass sich immer mehr Firmen aus Tarifverträgen zurückzögen, aber es gebe auch solche, die zurück in den Tarif strebten, weil sie erkannt haben, dass sie nur so Fachkräfte halten und gewinnen können.

Jan Koltze, Hamburg-Chef der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE), erklärte, dass man sich gern für Tarifverträge in Unternehmen einsetze. Voraussetzung sei aber ein gewisser Organisationsgrad unter den Beschäftigten. „Wir wollen schon für die Mehrheit der Beschäftigten sprechen.“