Hamburg. Beim Neujahrsempfang sagen Manager, was sie 2024 in Hamburg von der Politik erwarten. Senatorin Leonhard macht eine Ankündigung.

Kriege und internationale Krisen in Europa und in Nahost, eine mitunter chaotisch agierende Bundesregierung, dazu riesige Haushaltslöcher im Bund: Selten waren die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft in Hamburg und im Rest des Landes so unerfreulich wie Anfang dieses Jahres. Manche Vertreter aus Unternehmen, Kammern und Verbänden nahmen auf dem Neujahrsempfang des Abendblatts in Richtung Berlin kein Blatt vor den Mund, während das Urteil über den Hamburger Senat freundlicher ausfiel. Dennoch hat Hamburgs Wirtschaft klare Wünsche und Forderungen an die Politik.

„Der Senat darf nicht vergessen, dass es Handel in der Innenstadt gibt“, sagte Jörg Harengerd, Centermanager der Europa Passage. „Im Moment vergisst er das zu schnell. Über die Verbindung in die HafenCity wird seit Jahren diskutiert. Jetzt eröffnet im Frühjahr das Einkaufszentrum Überseequartier – und passiert ist nichts.“

Vom Verkehr in der City bis zur Köhlbrandquerung: Das bewegt Hamburgs Wirtschaft

Alexander Birken, Chef der Otto Group, macht sich Sorgen um den Verkehr, nicht nur in der City: „Hamburg darf nicht Staustadt bleiben“, sagte er. „Wir brauchen vernünftige Verkehrsflüsse und ein Miteinander der Angebote.“ Eine weitgehend autofreie Innenstadt sei eine gute Idee, aber das Konzept müsse besser in andere Angebote integriert werden.

Wie wird die Köhlbrandbrücke im Hafen ersetzt – durch einen Tunnel oder eine neue Brücke? Diese Frage ist eine der wichtigsten für die Hamburger Wirtschaft, und sie soll 2024 entschieden werden.
Wie wird die Köhlbrandbrücke im Hafen ersetzt – durch einen Tunnel oder eine neue Brücke? Diese Frage ist eine der wichtigsten für die Hamburger Wirtschaft, und sie soll 2024 entschieden werden. © foto-select - stock.adobe.com | foto-select - stock.adobe.com

Bei den Spitzen der maritimen Branche standen natürlich Hafenthemen hoch im Kurs. So machte der Vorstandschef von Hapag-Lloyd, Rolf Habben Jansen, beim Thema Köhlbrandbrücke Druck: „Wir benötigen schnell eine Entscheidung. Was wird als Ersatz gebaut – ein Tunnel oder eine neue Brücke? Das ist wichtiger, als dass wir uns Gedanken über einen Ausbau des Hafens machen. Denn die Umschlagskapazitäten sind im Moment ausreichend.“

Hapag-Lloyd-Chef Habben Jansen zur Köhlbrandquerung: „Jetzt muss etwas passieren“

Hamburgs Traditionsreederei ist nicht nur an dem Containerterminal Altenwerder (CTA) beteiligt, der hinter der Brücke liegt, sondern auch zugleich der größte Nutzer. Das Unternehmen kann seine modernsten Schiffe am CTA aber nicht abfertigen, weil sie so groß und hoch sind, dass sie unter der derzeitigen Köhlbrandbrücke nicht hindurchpassen. „Wir reden seit Langem über den Ersatzbau. Jetzt muss etwas passieren“, sagte Habben Jansen.

Die HHLA-Vorstandssvorsitzende Angela Titzrath auf dem Neujahrsempfang des Abendblatts.
Die HHLA-Vorstandssvorsitzende Angela Titzrath auf dem Neujahrsempfang des Abendblatts. © FUNKE Foto Services | Mark Sandten

Die Vorstandsvorsitzende der Hamburger Hafen und Logistik (AG), Angela Titzrath, sprang der Forderung bei. Schließlich gehört ihrem Unternehmen der Terminal mehrheitlich. Titzrath hat aber auch noch andere Wünsche an den Senat: „Wir benötigen eine weitere Stärkung des Intermodalgeschäfts.“ Zwar ist Hamburg bekanntlich Europas Eisenbahnhafen Nummer eins. „Da dürfen wir aber nicht nachlassen.“ Zudem wünsche sie sich mehr Planungssicherheit im Hafen für Investitionen. „Auch uns machen die hohen Energiekosten zu schaffen“, klagte die HHLA-Chefin.

Handelskammer-Vize will Baugenehmigungen mit KI beschleunigen

Nicht nur maritime Unternehmer sind über die jüngsten Ladungsverluste im Hafen besorgt und fordern eine Stärkung des Umschlaggeschäfts: „Wir müssen den Hafen wieder voranbringen“, sagte der Hauptgeschäftsführer der Handelskammer, Malte Heyne. Er kündigte eine eigene Hafenstrategie an, die die Kammer in Kürze vorstellen will. Mehr Engagement für einen stabilen Warenhandel forderte auch Niels Pirck, Vorstandsmitglied der Sparda-Bank und Vizepräses der Handelskammer: „Hier sehe ich den größten Handlungsbedarf.“

Gleichwohl forderte Pirck auch: „Der Senat muss dringend den Wohnungsbau ankurbeln. Wir brauchen Lösungen für die Kostenexplosion und die hohen Baustoffpreise. Dazu gehört für mich aber auch die Frage, was aus den vielen Baulücken wird, die die Signa-Pleite hinterlassen hat.“ Zur Beschleunigung von Baugenehmigungen könne er sich eine stärkere Nutzung von künstlicher Intelligenz vorstellen: „Die Digitalisierung ist in den Planungsbehörden noch nicht richtig angekommen. Zudem fehlt Personal.“

Sozialdemokratinnen unter sich: Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard (l.) und Sozialsenatorin Melanie Schlotzhauer (beide SPD) beim Abendblatt-Neujahrsempfang im Hotel Vier Jahreszeiten.
Sozialdemokratinnen unter sich: Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard (l.) und Sozialsenatorin Melanie Schlotzhauer (beide SPD) beim Abendblatt-Neujahrsempfang im Hotel Vier Jahreszeiten. © FUNKE Foto Services | Marcelo Hernandez

Mehr Tempo bei Baugenehmigungen ist auch der größte Wunsch von Stefan Wulff, Chef des Bauunternehmens Otto Wulff. „Wir wollen 19 neue Wohnungen an der Alster bauen. Ein kleines Projekt, das durchgeplant ist und keine Förderung erhält. Ein Standardverfahren. Wir könnten sofort anfangen, und dennoch warten wir seit eineinhalb Jahren auf die Baugenehmigung.“

Um den Wohnungsbau wieder anzukurbeln, bedürfe es eines deutlichen Bürokratieabbaus und verlässlicherer Bedingungen. Und dann sagte Wulff einen Satz, der sowohl der Politik des Senats als auch der Bundesregierung entgegensteht: „Wir müssen runter von den hohen Energiestandards, um den Wohnungsbau zu beschleunigen.“

Dehoga-Vize Stacklies hadert mit Bürokratie und kann sich Nordstaat vorstellen

Auch Jens Stacklies, Gastronom („Gröninger“) und Hamburger Dehoga-Vizepräsident, haderte mit der überbordenden Bürokratie und der „Unberechenbarkeit der politischen Entscheidungen“, wie er sagte. Das reiche von der E-Auto-Förderung über die Strompreisbremse bis zum Streit um den Mehrwertsteuersatz in der Gastronomie, den er gern bei 12 Prozent behalten hätte: „Man kann sich auf nichts mehr verlassen, das zermürbt.“

Hamburgs DGB-Vorsitzende Tanja Chawla und Ver.di-Chefin Sandra Goldschmidt nehmen Niels Annen, Staatssekretär bei der Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, in die Mitte.
Hamburgs DGB-Vorsitzende Tanja Chawla und Ver.di-Chefin Sandra Goldschmidt nehmen Niels Annen, Staatssekretär bei der Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, in die Mitte. © FUNKE Foto Services | Michael Rauhe

Er würde sich zudem über mehr länderübergreifende Zusammenarbeit im Norden freuen, sagte Stacklies. Auch einen Zusammenschluss Hamburgs mit Schleswig-Holstein und eventuell weiteren Ländern könne er sich vorstellen: „Wenn wir Verwaltungsaufwand reduzieren und schlankere Strukturen schaffen wollen, kann nur der Nordstaat das Ziel sein.“

Budnikowsky-Chef Cord Wöhlke macht sich Sorgen um Schulen und Kitas

Ein anderes Thema treibt Cord Wöhlke, Inhaber der Drogeriemarktkette Budnikowsky, um. „Ich habe große Sorge, dass uns das Thema Bildung entgleitet. Die Zahl der Kinder mit Migrationshintergrund, die in der Schule abgehängt werden, wächst. Um dem zu begegnen, benötigen wir hohe Investitionen, nicht nur in die Schulen, auch in die Kitas. Da ist Hamburg gefragt. Für so ein wichtiges Thema könnte der Bund aber auch die Schuldenbremse aussetzen.“

Mehr Wirtschaftsthemen

Da wäre der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) sofort dabei. „Die größte Herausforderung für die Hamburger Wirtschaft bleibt es, ausreichend Fachkräfte zu finden und zu binden, sie also auszubilden und weiterzuqualifizieren“, sagte Hamburgs DGB-Vorsitzende Tanja Chawla. Auch die ökologische Transformation der Wirtschaft bleibe eine große Aufgabe – dafür müsse die Schuldenbremse ausgesetzt oder zumindest angepasst werden.

Wirtschaftssenatorin Leonhard zum Köhlbrand: Klarheit noch vor dem Sommer

Und was sagte die Adressatin dieser Forderungen? „Alle wünschen sich eine Entspannung der internationalen Lage“, sagte Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard (SPD). Denn an den Konflikten in Nahost und in der Ukraine hingen auch die für Hamburg wichtigen Themen Energieversorgung und Lieferketten. Wenn zum Beispiel ein Schiff wegen Rebellenangriffen im Roten Meer zehn Tage länger unterwegs sei, sorge das in der Hansestadt und darüber hinaus für Materialmangel und Stress bei den Lieferketten, so Leonhard.

Wichtigste Einzelentscheidung im Jahr 2024 ist auch aus Sicht der zuständigen Senatorin die Weichenstellung in Sachen Köhlbrandquerung. Daher bekräftigte sie, dass bald entschieden werde, ob ein neuer Tunnel oder doch eine neue Brücke geplant werde: „Wir werden im ersten Quartal so weit sein, dass wir die Bürgerschaft noch vor dem Sommer damit befassen können.“