Hamburg. Gesucht wird ein neues Plenum. Nicht nur altbekannte Unternehmer konkurrieren um die 85 Sitze. Auch unerwartete Bewerber treten an.
Es ist wieder so weit: Rund 180.000 Unternehmer sind seit dem heutigen Montag, 15. Januar, dazu aufgerufen, für die Handelskammer ein neues Parlament zu wählen. Die Kandidaten stehen fest. Bis zum 19. Februar, um 17 Uhr, haben die wahlberechtigten Kammermitglieder Zeit, sich für ihre Vertreter zu entscheiden.
Überraschungskandidaten bei Wahlen zur Handelskammer
Größere Umstürze wie 2017, als die Kammerrebellen das Plenum eroberten, sind nicht zu erwarten. Dennoch gibt es bei dieser Wahl einige Besonderheiten. Das Abendblatt erklärt das Prozedere, sagt, wer sich zur Wahl stellt und welche Überraschungskandidaten in der Wahlliste aufgetaucht sind.
Worum geht es bei den Kammerwahlen?
Die Handelskammer ist die wichtigste Vertreterin der Hamburger Wirtschaft. Sie bildet das Gesamtinteresse der gewerblichen Hamburger Wirtschaft gegenüber Politik und Verwaltung. Höchstes Entscheidungsgremium der Handelskammer ist das Plenum, das alle vier Jahre gewählt wird. Zur Wahl stehen Vertreter der Mitgliedsunternehmen, die sich ehrenamtlich für die Kammer engagieren wollen. Das Plenum fällt die wichtigsten Grundsatzentscheidungen für die Arbeit unserer Handelskammer. Es bestimmt also die Richtlinien der Kammerarbeit. Unterstützt wird das Plenum vom Hauptamt der Kammer mit rund 280 Beschäftigten.
Wie wird gewählt?
Erstmals in der Geschichte der Kammer findet die Wahl ausschließlich per Internet statt. Die Zugangsdaten für die Onlinewahl haben die Mitglieder zum Beginn der Wahlfrist per Post erhalten. Bei Bedarf kann die Stimmenabgabe auch vor Ort in einer Wahlkabine durchgeführt werden. Allerdings auch da nur per Internet und mit dem technischen Equipment der Handelskammer. Der Vorteil: Eine langwierige Stimmenauszählung entfällt. Die Bekanntgabe der Ergebnisse erfolgt voraussichtlich noch am Abend des 19. Februar.
Wie setzt sich das Plenum am Ende zusammen?
58 Sitze sind im künftigen Plenum zu besetzen. Sie verteilen sich auf neun Wahlgruppen, welche die Branchenstruktur der Hamburger Wirtschaft widerspiegeln. Diese sind die Finanz- und Versicherungswirtschaft, der Dienstleistungsbereich, der Einzelhandel, der Groß- und Außenhandel, der Güterverkehr, die Immobilienwirtschaft, die Industrie zusammen mit Energie und Umwelt, die Informationstechnologie und Medienwirtschaft sowie der Tourismus und die Freizeitwirtschaft. Die Anzahl der Vertreter, die die einzelnen Branchen entsenden können, errechnet sich nach den Gewerbeerträgen, der Anzahl der Unternehmen, der Anzahl der Beschäftigten sowie der Anzahl der Auszubildenden.
Wie bei der vorangegangenen Wahl werden die Wahlgruppen in jeweils drei Untergruppen nach Betriebsgrößen unterteilt. So gibt es in jeder Wahlgruppe garantierte Sitze für kleine Unternehmen (bis neun Beschäftigte), mittelgroße Unternehmen (zehn bis 249 Beschäftigte) und große Unternehmen (ab 250 Beschäftigte). Das Plenum kooptiert noch einige wenige Unternehmerpersönlichkeiten, die sich nicht selbst der Wahl gestellt haben oder unterlagen. Insgesamt verfügt es am Ende über 62 Sitze.
Welche Unternehmer stehen zur Wahl?
Zu dieser Wahl haben sich 116 Kandidatinnen und Kandidaten angemeldet. Wählbar sind natürliche Personen, die am Wahltag volljährig und das Kammerwahlrecht auszuüben berechtigt sind. Sie müssen also selber Unternehmer sein und ein Gewerbe bei der Handelskammer angemeldet haben oder als deren Vertreter im Handelsregister eingetragene Prokuristen sein.
Wer hat seinen Hut in den Ring geworfen?
An erster Stelle ist der Hamburger Kulturmanager und ehemalige Hochschulpräsident Norbert Aust zu nennen. Er stand in der vergangenen Wahlperiode als Präses an der Spitze der Handelskammer und tritt erneut zur Wahl an. Ebenso seine Stellvertreterin, die Unternehmensberaterin Astrid Nissen-Schmidt. Daneben stellen sich zahlreiche weitere mehr oder weniger bekannte Hamburger Unternehmer zur Wahl, die bereits in der vergangenen Legislaturperiode für die Wirtschaft im Plenum der Kammer wirkten, wie zum Beispiel der Hafenunternehmer Johann Killinger, der Geschäftsführer der Buhck Abfallverwertung, Henner Buhck, der Vorsitzende der Geschäftsführung der Eugen Block Holding GmbH, Stephan von Bülow, Airbus-Vertreter Georg Mecke, der Gastronom Jens Stacklies (Gröninger Privatbrauerei) oder der Bauunternehmer Stefan Wulff.
Überraschungskandidaten stellen sich zur Wahl
Es gibt aber auch eine Reihe neuer Überraschungskandidaten, etwa der Präsident des FC St. Pauli, Oke Göttlich, der frisch gewählte Präsident des Unternehmensverbands Hafen Hamburg, Ulfert Cornelius, der Betriebsvorstand der HHLA, Jens Hansen oder Aurubis-Chef Roland Harings. Mirco Wolf Wiegert, der Geschäftsführer der Fritz-Kulturgüter GmbH, die mit dem Kultgetränk Fritz-Kola bekannt geworden ist, bewirbt sich ebenso um einen Platz wie die Co-Chefin von Traceless, Anne Lamp. Auch die Vorsitzende des Wirtschaftsvereins für den Hamburger Süden, Franziska Wedemann und der Vorstandschef der Körber AG, Stephan Seifert, werfen erstmals ihren Hut in den Ring.
Wer tritt nicht noch einmal an?
Es scheiden aber auch einige bekannte Unternehmer aus dem Plenum aus. Dazu gehören der Präsident des Groß- und Außenhandelsverbands AGA, Hans Fabian Kruse, der Geschäftsführer der Drogeriemarktkette Budnikowsky, Cord Wöhlke, und der ehemalige St.-Pauli-Trainer und heutige Betreiber eines Rewe-Markts, Holger Stanislawski – sie alle stellen sich nicht wieder zur Wahl. Überraschend ist, dass der Vizepräses der Handelskammer, der Präsident des europäischen Spediteursverbands Clecat, Willem van der Schalk, nicht noch einmal kandidiert.
Wer stellt das Präsidium?
Erst wenn das Plenum feststeht, wählen dessen Mitglieder das Präsidium. Es besteht aus dem Präses und sechs Vizepräsides. Dieses Gremium führt die Geschäfte der Handelskammer Hamburg und koordiniert die Arbeit der Ausschüsse. Zudem beschließt es die Tagesordnungen der Plenarsitzungen, die in der Regel einmal im Monat stattfinden.
Was ist aus den ehemaligen Kammerrebellen geworden?
2017 hatte die Wahlgruppe „Die Kammer sind Wir!“ mit einem Erdrutschsieg bei den Kammerwahlen das Plenum erobert und 55 von 58 Sitzen gestellt. Es waren vor allem kleine und Kleinstunternehmer, die gegen die Finanzierung der Kammer über Pflichtbeiträge, gegen hohe Gehälter der Geschäftsführung und gegen die streng hierarchische Ordnung der Wirtschaftsvertretung rebellierten. Doch durch interne Querelen, Rivalitäten sowie eine Reihe undurchführbarer Ideen blockierte sich das Plenum in seiner Arbeit in den folgenden drei Jahren. Der Präses und Chef der Kammerrebellen, Tobias Bergmann, trat entnervt zurück. Auf einen Nachfolger konnte sich das Plenum nicht einigen. 2020 wurde die Gruppe der Kammerrebellen abgewählt, nur einzelne wenige Mitglieder konnten ihren Sitz im Plenum als Einzelkämpfer behalten.
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Die Wahlgruppe „Die Kammer sind Wir!“ war faktisch nicht mehr vorhanden. Der verbliebene Rest der Mitglieder gab am Freitag vergangener Woche die Auflösung bekannt. Gleichwohl tritt eine Reihe prominenter ehemaliger Kammerrebellen wieder zur Wahl an. Neben dem bereits genannten Hafenunternehmer Killinger sind das beispielsweise der Spirituosenhersteller Kai Elmendorff, die Einzelhändlerinnen Annett Nack und Martina Harbs, sowie die Energieexpertin Ursel Beckmann.
Nicht gewählt und dennoch dabei?
Wer nicht ins Plenum gewählt wird, kann sich dennoch in der Kammer engagieren, und zwar in einem der 23 Branchen- und Regionalausschüsse der Kammer. Die widmen sich konkreten Problemen und geben dem Plenum Entscheidungshilfen. Rund 850 Hamburger Unternehmerinnen und Unternehmer engagieren sich ehrenamtlich in den weiteren Gremien der Kammer.