Hamburg. Bewerber müssen sich bis Anfang November registrieren lassen. Ex-Präses Tobias Bergmann meldet sich im Abendblatt zu Wort.
In der Handelskammer Hamburg werden die Weichen neu gestellt. Rund 180.000 Hamburger Unternehmer sind vom 15. Januar bis zum 19. Februar dazu aufgerufen, ein neues Plenum zu wählen. Doch zuvor müssen die Kandidaten feststehen. Die Bewerbungsfrist wurde nun gestartet. Bis zum 3. November um 15 Uhr können sich interessierte Unternehmerinnen und Unternehmer für die Wahl aufstellen lassen. Mit dabei sind bekannte Firmenlenker, die derzeit schon im Plenum sitzen, aber auch einige sogenannte Kammer-Rebellen der vorvergangenen Legislaturperiode treten wieder an.
„Nur sind die Rahmenbedingungen mit denen von den Kammerwahlen 2017 gar nicht vergleichbar“, sagt der Energieunternehmer Matthias Ederhof, der damals dabei war und wieder antritt. „Heute haben wir eine ganz andere Kultur in der Kammer.“ Die Wechselstimmung von damals gebe es nicht mehr.
Handelskammer Hamburg: Wahlen stehen vor der Tür – auch Rebellen treten wieder an
Im Sturm hatten die Kammer-Rebellen mit ihrer Wahlplattform „Die Kammer sind Wir!“ vor bald sieben Jahren die Kammer für sich erobert. Von 58 zu vergebenen Sitzen konnte die Gruppe, deren meisten Mitglieder zuvor nicht in der Kammer aktiv waren, 54 Sitze für sich erringen. Sie versprachen mehr Demokratie, Transparenz und eine Befreiung der Unternehmen von den Kammerbeiträgen, was ihnen nicht gelang.
Schon nach kurzer Zeit war die in sich sehr heterogene Gruppe völlig zerstritten. Drei Jahre lang war die Arbeit des Kammerplenums von chaotischen Zuständen geprägt. Mit der Neuwahl 2020 änderte sich das. Die Wir-Gruppe flog fast geschlossen aus dem Plenum. Die Nachfolger bemühten sich, die Fehler zu korrigieren. „Das haben Präsidium und Hauptgeschäftsführung in der vergangenen Legislaturperiode gut hinbekommen: Sie haben die Handelskammer wieder in ruhiges Fahrwasser geführt“, sagen die Ex-Rebellen Ederhof und Kai Elmendorf übereinstimmend. Elmendorf, der Inhaber einer Korn-Brennerei ist und damals Vizepräses der Kammer war, will ebenfalls wieder antreten.
Kammer-Präses Aust wirft Hut in den Ring
Beide waren bei den Neuwahlen 2020, wie fast alle Kammer-Rebellen, abgewählt worden. Die Wahlgruppe „Die Kammer sind Wir!“ löste sich auf. Der Kontakt zur Kammer riss aber nie völlig ab: „Ich bin weiterhin im Tourismusausschuss der Kammer tätig und im Industrieausschuss“, sagt Elmendorf, der nun als Einzelkämpfer antreten wird – wie etwa ein halbes Dutzend weiterer ehemaliger Kammer-Rebellen.
Eine eigene Gruppe bilden sie aber nicht mehr. „Wir sind kein Parteienparlament“, sagt der derzeitige Kammer-Präses Norbert Aust. „Es entspricht auch nicht dem Wesen der Handelskammer. Sie soll sich um das Wohlergehen der Hamburger Wirtschaft kümmern und keine Einzelinteressen vertreten.“ Zwar ist auch der Mitgründer des Schmidt-Theaters 2020 zusammen mit anderen namhaften Hamburger Unternehmerpersönlichkeiten über eine eigene Wahlgruppierung („Starke Wirtschaft Hamburg“) in die Kammer gewählt worden. „Aber das hatten wir nur gemacht, um ein Gegengewicht gegen die Plattform der Rebellen zu schaffen. Unsere Gruppierung hat sich am Tag nach der Wahl aufgelöst.“ Aust kandidiert und würde auch gerne wieder als Präses der Hamburger Wirtschaftsvertretung vorstehen.
Kammer-Rebellen loben derzeitige Führung
Für seine Arbeit erhält er viel Lob – auch von den ehemaligen Rebellen. „Es gibt keine Lager mehr. Die Zusammenarbeit ist sehr harmonisch“, sagt der Hafenunternehmer Johann Killinger, der als einer der wenigen der alten Wir-Gruppe auch noch im aktuellen Plenum sitzt. Er tritt wieder an. Auch die Zusammenarbeit mit dem Hauptamt sei vertrauensvoll, ergänzt Ederhof.
Sogar aus dem fernen Neumünster kommt Zustimmung. Der Oberbürgermeister der Stadt, Tobias Bergmann, war Anführer der Kammer-Rebellen und Präses der Handelskammer, bis er im Streit mit seinen Verbündeten Ende 2018 zurücktrat. „Die Kammer ist zur Ruhe gekommen, sie steht für Kontinuität und Verlässlichkeit. So empfinde ich das, auch wenn ich inzwischen mehr aus der Ferne darauf blicke.“ Zudem habe sich der Arbeitsstil der Kammer dem 21. Jahrhundert angepasst. „Er ist ausgewogener geworden.“ Es werde nicht mehr von oben herab bestimmt. „Und auch das Hauptamt meint nicht mehr, den Unternehmern erklären zu müssen, wie die Wirtschaftspolitik zu funktionieren habe.“
Tobias Bergmann sieht Erfolge der Kammer-Rebellen
Das sei aber auch der Erfolg der Wir-Gruppe gewesen, sagt Bergmann. Noch einmal für die Kammer antreten will er aber nicht. „Ich fühle mich hier in Neumünster sehr wohl. Und auch mein Amt ist deutlich angenehmer als das des Präses zu damaliger Zeit.“ Auch Bergmanns Nachfolger als Präses, André Mücke, verzichtet auf eine erneute Kandidatur – zumindest bei dieser Wahl. „Sehen Sie es mir nach. Ich bin vor sechs Monaten Vater einer Tochter geworden. Da kann jede Kammersitzung noch so unterhaltsam sein. An das Familienleben reicht sie nicht heran.“
Wieder antreten will allerdings die Stellvertreterin von Aust, Vize-Präses Astrid Nissen-Schmidt. Ob sie noch einmal fürs Präsidium kandidiert, lässt sie offen. „Das werde ich erst nach dem Wahlausgang entscheiden.“ Auch der bekannte Einzelhandelsunternehmer Cord Wöhlke, Inhaber der Drogeriemarktkette Budnikowsky, tritt wieder an. „Ich werde noch einmal kandidieren“, sagt er dem Abendblatt.
Handelskammer Hamburg wird von Ex-Rebell verklagt
So wird man zahlreiche bekannte Namen auf dem Wahlzettel finden, wenn es Mitte Januar in die Abstimmung geht. Völlig neu ist dabei, dass die Wahl ausschließlich digital erfolgt. Es werden keine Wahlunterlagen per Post verschickt. Auch das lästige Einsammeln von Unterstützer-Unterschriften für die Kandidaten entfällt. Sie hatten der Kammerführung in der Vergangenheit viel Verdruss bereitet, weil der Wahlausschuss vermutete, dass für einige Kandidaten Blankounterschriften geleistet wurden.
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Das neue Plenum wird dann Anfang Januar feststehen. Als dringliche Sache kann es sich gleich einer Reihe von Klagen annehmen: Der ehemalige Kammer-Rebell Stefan Duphorn kandidiert nicht wieder fürs Plenum. Aber er hat zwei Klagen gegen die Handelskammer losgetreten. Sie soll Rücklagen gebildet haben, ohne deren Bestimmungszweck klar zu definieren. Mit einer solchen Klage hatte der Bergedorfer Unternehmer 2018 schon einmal vor dem Oberverwaltungsgericht recht bekommen. Die Kammer musste daraufhin die Beiträge ihrer Mitglieder absenken. Manche Dinge ändern sich nicht.