Hamburg. Was Experten für das Jahr 2024 erwarten – und warum es für die Besitzer bestimmter Immobilien noch härter kommen wird.
Ende des Jahres wurde noch einmal deutlich, wie tiefgreifend die Krise am Immobilienmarkt ist. Das Statistische Bundesamt meldete den stärksten Rückgang der Immobilienpreise seit zwei Jahrzehnten. Besonders hart trifft es Metropolen wie Hamburg. Denn hier sanken die Preise im dritten Quartal 2023 für Einfamilienhäuser um 12,7 Prozent und für Eigentumswohnungen um 9,1 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum und damit noch stärker als im bundesweiten Durchschnitt.
Die Zahlen für das vierte Quartal, die Metropolen wie Hamburg, Berlin oder München stets zusammen betrachten, stehen noch aus. Aber vieles spricht dafür, dass sich der Preisrückgang fortsetzt, auch wenn manche Immobilienportale schon wieder steigende Preise ausgemacht haben wollen. Die Daten der Portale beziehen sich ohnehin nur auf Angebotspreise, also die Preisvorstellungen der Verkäufer.
Immobilien Hamburg: Sinkende Zinsen verbessern Bedingungen für Erwerb
Aber selbst auf dieser Basis registriert ImmoScout24 im vierten Quartal noch einmal leichte Preisrückgänge gegenüber dem Vorquartal für die Hansestadt. Bei Eigentumswohnungen um 1,5 Prozent und bei Einfamilienhäusern um 3,7 Prozent. Hamburg weist damit einen der stärksten Preisrückgänge unter den sieben größten Metropolen auf. Aber: „Es ist nicht davon auszugehen, dass die Preise noch mal so spürbar nachgeben werden wie im zweiten Halbjahr 2022“, sagt Gesa Crockford, Geschäftsführerin von ImmoScout24.
Anderthalb Jahre nach dem Beginn der Immobilienkrise hoffen manche Experten auf eine Stabilisierung des Marktes. Im zweiten Quartal 2022 erreichten die Immobilienpreise ihren Höhepunkt. „Wenn sich jetzt die Zinsen für Hypothekendarlehen in Richtung drei Prozent einpendeln, dann verbessert das die Kalkulationsgrundlage für den Erwerb von Wohneigentum“, sagt Roman Heidrich, Experte für Wohnimmobilienbewertungen beim Immobiliendienstleister Jones Lang LaSalle (JLL).
Den steigenden Löhnen können steigende Immobilienpreise folgen
Bei Eigentumswohnungen, die nicht vermietet und in einem guten Zustand sind, erwartet er deshalb keine großen Preisrückgänge, „eher eine Seitwärtsentwicklung. Hamburg hat einen angespannten Wohnungsmarkt und die Mieten werden weitersteigen“, sagt der Experte. Denn auch das Angebot dieser Objekte aus dem Bestand sei begrenzt: Während in Hamburg insgesamt rund 3300 Eigentumswohnungen zum Verkauf stehen, sind davon nur knapp 250 Objekte bezugsfrei.
Michael Voigtländer, Leiter des Kompetenzfeldes Finanz- und Immobilienmärkte am Institut der deutschen Wirtschaft (IW), rechnet in diesem Jahr sogar wieder mit steigenden Preisen. „Wir haben steigende Reallöhne und Mieten, und die Zinsen für Baufinanzierungen sind deutlich gesunken“, sagt der IW-Experte. Außerdem sieht er einen Gewöhnungseffekt an die deutlich höheren Finanzierungszinsen für Immobilienkäufe. „Die potenziellen Käufer reagieren darauf, indem sie kleinere Immobilien nachfragen oder andere Abstriche an der Lage oder der Ausstattung machen“, sagt Voigtländer.
Immobilien: Käufer hoffen noch auf weitersinkende Zinsen
Zwar sind die Baufinanzierungszinsen für eine zehnjährige Zinsfestschreibung von mehr als vier Prozent im Herbst 2023 auf im Schnitt 3,40 Prozent gefallen. „Aber es ist doch so, dass in einer Phase sinkender Zinsen die potenziellen Käufer eher noch abwarten, dass sich die Konditionen noch mehr ermäßigen. Insofern hatten wir im Oktober, als die Zinsen noch gestiegen sind, mehr zu tun als aktuell“, sagt Frank Lösche, Baufinanzierungsberater beim Baugeldvermittler Dr. Klein in Hamburg.
Er rechnet damit, dass sich der Preisrückgang bei Immobilien in Hamburg abschwächen wird und hofft noch auf weitersinkende Zinsen. „In den USA wird im April mit ersten Zinssenkungen gerechnet, und auch die EZB wird nachziehen“, sagt Lösche. „Die Nachfrage nach Wohnraum in Hamburg wird immer größer, und auch die Nachfrage nach Immobilieneigentum hat sich aufgestaut. Wenn der Markt wieder in Schwung kommt, sollte es also zu deutlich mehr Abschlüssen kommen.“ Und steigende Immobilienpreise werden auch wieder mehr Interessenten für den Immobilienmarkt mobilisieren. Das ist ähnlich wie bei steigenden Zinsen.
Fast 30 Prozent Abschlag für Immobilien mit schlechter Energieeffizienz
Das ist also das eine Szenario, das nur noch von leicht sinkenden bis stagnierenden Immobilienpreisen in Hamburg ausgeht. Allerdings gilt das nur für Immobilien, die energetisch einigermaßen auf der Höhe der Zeit sind. Im dritten Quartal waren Mehrfamilienhäuser der beiden niedrigsten Effizienzklassen G und H 28,7 Prozent billiger als Gebäude der besten Klassen A und A+, ermittelte JLL. „Eigentümer energetisch schlechter Immobilien werden in Zukunft immer größere Schwierigkeiten bei der Vermietung, beim Verkauf und auch bei der Finanzierung ihrer Immobilien bekommen“, sagte JLL-Experte Heidrich.
In diesem Punkt sind sich fast alle Experten einig. Allerdings ist davon ein großer Teil der Immobilien betroffen. So fällt in Hamburg jede dritte Immobilie in die schlechtesten Energieeffizienzklassen F, G und H, weitere 51 Prozent sind in den Klassen C, D und E.
Noch große Unterschiede zwischen Angebotspreisen und realistischem Immobilienwert
Auch der Hamburger Makler Grossmann & Berger trennt die Spreu vom Weizen. Bei Eigentumswohnungen aus dem Bestand mit guter Bausubstanz rechnet er nur noch mit einem Preisrückgang von 4200 auf 4100 Euro je Quadratmeter Wohnfläche in diesem Jahr. Energieineffiziente Immobilien müssen nochmals mit einer Preiskorrektur von 25 Prozent rechnen.
Seit dem Preishoch wäre das bei energieeffizienten Immobilien immerhin eine Korrektur von 20 Prozent in Hamburg. Die Angebotspreise sind von diesen Werten aber noch weit entfernt. ImmoScout24 kommt auf einen Angebotspreis von 5024 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche und JLL geht von 5571 Euro aus. Das ist ein Preisniveau, dass sich viele bei den gestiegenen Zinsen nicht leisten können.
Fast jeder Fünfte empfindet seinen Kredit als schwere Hypothek
Bei einem Quadratmeterpreis von 5000 Euro und einer Wohnung von 80 Quadratmetern würde selbst mit 20 Prozent Eigenkapital die monatliche Belastung bei rund 1600 Euro liegen. Die Nebenkosten für Heizung, Grundsteuer, Versicherungen und andere Dinge kommen noch hinzu.
19 Prozent der Eigentümer finden es „schwierig“ oder „sehr schwierig“, ihre Finanzierungskosten zu tragen, geht aus einer aktuellen Umfrage der ING hervor. Bei den Mietern stimmen in Bezug auf ihre Wohnkosten 29 Prozent dieser Aussage zu. Damit lieferte die Befragung den höchsten Wert, seit die Frage 2013 zum ersten Mal gestellt wurde. Rund 55 Prozent der befragten Mieter sagen zudem, dass sie sich derzeit den Kauf einer Immobilie nicht leisten können.
Immobilienblase ist geplatzt - weitere Preisrückgänge erwartet
Die Bundesbank warnt schon seit Jahren vor einer Überbewertung der Immobilien. Gerade in Metropolen wie Hamburg, München, Berlin oder Frankfurt ging sie von einer Überbewertung von 35 bis 40 Prozent aus. Davon ist jetzt maximal die Hälfte abgebaut. Die Bundesbank sieht weiterhin Übertreibungen bei den Preisen am deutschen Immobilienmarkt, heißt es in der „FAZ“.
„In der derzeitigen Situation dürften Preisrückgänge vor allem zum Abbau der im langjährigen Aufschwung aufgebauten Überbewertungen beitragen und damit das Risiko künftig stärkerer Preisrückgänge reduzieren“, schreibt die Bundesbank in einem aktuellen Bericht und sorgt sich auch um die Auswirkungen der Preisrückgänge auf die Kreditgeber.
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„In der Tat gab es bis Anfang 2022 eine spekulative Preisblase in Deutschland, eine der größten in den letzten 50 Jahren“, sagt Konstantin Kholodilin, Immobilienexperte der Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). „Seitdem fallen die Preise, das bedeutet, dass die Blase schon geplatzt ist. Man kann erwarten, dass es noch Spielraum für einen weiteren Rückgang der Kaufpreise gibt, dass also die spekulative Komponente noch nicht komplett ausgeschöpft wurde.“
Immobilien Hamburg: Profis kaufen kaum noch Mehrfamilienhäuser
Auch für Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, ist die Preiskorrektur bei den Immobilienpreisen noch nicht zu Ende, auch weil viele Verkäufer noch überzogene Preisvorstellungen haben. Rein rechnerisch erwartet er ein Korrekturpotenzial von 15 bis 25 Prozent. Das sei noch nicht ausgeschöpft.
Schließlich hilft auch ein Blick auf die Profis, die für Anlagezwecke Immobilien kaufen, darunter auch Wohnimmobilien. In Hamburg haben sie sich im vergangenen Jahr sehr zurückgehalten. Lediglich für 451 Millionen Euro wechselten Wohnimmobilien den Besitzer, berichtet JLL. Damit hat sich der Wert gegenüber dem Vorjahr mehr als halbiert, als noch Wohnimmobilien für 1,3 Milliarden Euro von den Profis gekauft wurden. Vielleicht sollten auch private Immobilieninteressenten abwarten, bis die Profis wieder meinen, dass es lohnend ist, eine Immobilie zu erwerben.