Hamburg. Neue Produkte konzentrieren sich auf günstigen Vermögensaufbau. Warum der Handel für die Minigebühr von einem Euro in Gefahr ist.

Bisher hatte die Wertpapierhandelsplattform Trade Republic auch viele Hamburger mit ihren niedrigen Transaktionsgebühren angelockt. Nun ist das Unternehmen einen nächsten wichtigen Schritt gegangen. Die Handelsplattform für den Kauf von Aktien, ETF und Anleihen ist mittlerweile eine Bank.

Das Unternehmen erhielt vor Kurzem von der Europäischen Zentralbank (EZB) eine Vollbanklizenz, die es ermöglicht, auch noch andere Finanzprodukte anzubieten.

Trade Republic will als Vollbank „weiter stark wachsen“

„Für Verbraucher ist das sicher eine gute Nachricht“, sagt Sandra Klug, Finanzexpertin der Verbraucherzentrale Hamburg. Bisher hatte Trade Republic (TR) nur eine Lizenz als Wertpapierhandelsbank, darf also Wertpapiergeschäfte für die Kunden abwickeln.

„Mit dem Erhalt der Vollbanklizenz öffnet sich ein neues Kapitel in der bisherigen Entwicklung von TR“, sagt Christian Hecker, Mitgründer von TR. Er sieht den Großteil seiner Kunden noch am Anfang ihres finanziellen Lebens und möchte nun mit ihnen „weiter stark wachsen“.

Trade Republic jetzt auf einer Ebene mit etablierten Banken

Formal gesehen steht TR nun auf einer Ebene mit anderen großen Banken, kann aber auf ein deutlich stärkeres Wachstum verweisen. „Die Vollbanklizenz ist ein Gütesiegel, und damit besteht kein Unterschied mehr zu etablierten Banken, denn einer solchen Lizenz geht eine sehr intensive Prüfung voraus“, sagt eine Unternehmenssprecherin.

Doch in welche Richtung wird die Erweiterung des Geschäfts jetzt gehen? Die „Wirtschaftswoche“ spekuliert über ein Girokonto, weil die Bank zumindest zeitweise an einer eigenen Bezahlkarte gearbeitet haben soll. Auch das klassische Kreditgeschäft ist mit der Vollbanklizenz möglich.

Bank: Günstig Vermögen aufzubauen, bleibt im Fokus des Unternehmens

Doch TR wird wohl zunächst seinen Fokus auf ihrer Rolle als Spar-Bank behalten. Im Jahr 2023 hatte die Bank die Verzinsung der liquiden Einlagen mit zuletzt vier Prozent Zinsen und den Handel mit Unternehmensanleihen eingeführt. „Der Fokus bleibt unverändert auf dem einfachen, sicheren und günstigen Aufbau von Vermögen“, sagt Hecker. Das klingt nicht unbedingt nach Girokonto und Konsumentenkrediten.

„Wir werden im nächsten Jahr weitere Sparprodukte an den Markt bringen. Unser Anliegen bleibt zunächst, Sparen in allen Formen anzubieten – von der Aktie über ETFs bis zu Anleihen“, bestätigt die Unternehmenssprecherin. „Denn ein großer Teil unserer Kunden ist zwischen Mitte 20 und Mitte 30 und hat verstanden, dass sie sich nicht mehr auf die gesetzliche Rente verlassen können.“

Partnerbanken wie die Deutsche Bank verwalten weiter Kundengelder

Trotz Vollbanklizenz wird sich auch an der Verwahrung der Kundengelder bei Partnerbanken nichts ändern. Das ist etwas überraschend. Immerhin hätte TR jetzt die Möglichkeit, die liquiden Kundeneinlagen selbst zu verwalten. Solange der Neo-Broker noch keine Vollbanklizenz hatte, war das nicht möglich.

Als Alternative hat sich die Zusammenarbeit mit vier Banken ergeben: Solaris Bank, Deutsche Bank, J.P. Morgan SE und Citibank Europe. Die ersten drei Banken sind durch die Entschädigungseinrichtung deutscher Banken geschützt, die Citibank Europe durch den irischen Einlagensicherungsfonds. In jedem Fall sind pro Anleger 100.000 Euro abgesichert. „Die Vollbankenlizenz ändert nichts an der Zusammenarbeit mit unseren Partnerbanken, die sich bewährt hat“, sagt die Sprecherin von TR. „Der Kunde kann in der App erkennen, welche Bank sein Geld treuhänderisch verwahrt und daran ändert sich üblicherweise auch nichts.“

Trade Republic: Kundengelder werden weiterhin mit vier Prozent verzinst

Christian Hecker, Mitgründer von Trade Republic: „Der Fokus bleibt unverändert auf dem einfachen, sicheren und günstigen Aufbau von Vermögen.“
Christian Hecker, Mitgründer von Trade Republic: „Der Fokus bleibt unverändert auf dem einfachen, sicheren und günstigen Aufbau von Vermögen.“ © picture alliance/dpa | Christian Charisius

Immerhin muss die Zusammenarbeit mit den Banken so ertragreich sein, dass TR die liquiden Kundengelder mit vier Prozent verzinst (bis 50.000 Euro). „Die Verzinsung der Kundengelder führt nicht dazu, dass wir vornehmlich Kunden anziehen, die ausschließlich dieses Angebot nutzen wollen. Im Gegenteil: wir registrieren, dass die neu gewonnenen aktiver handeln“, so die Sprecherin. Während andere Geldinstitute die Zinsen schon wieder senken, ist die Zinspolitik von TR konstant. Dem Vernehmen nach werde es erst Senkungen geben, wenn auch die EZB ihre Zinsen wieder senkt.

Die eigene Verwaltung der Kundengelder würde den Aufwand erhöhen und TR wäre dann auch verpflichtet, eine Mindestreserve der Kundengelder bei der EZB zu unterhalten. Die Mindestreserve liegt zwar nur bei einem Prozent, also für 100 Euro Einlage muss ein Euro hinterlegt werden, aber sie wird auch nicht verzinst.

Trade Republic macht noch Verluste, Pensionsfonds beteiligt sich an Finanzierung

TR verdient noch kein Geld und wird von Risikokapitalgebern finanziert. Im Geschäftsjahr 2021/22, das am 30. September endete, verbuchte das Berliner Unternehmen einen Fehlbetrag von 145 Millionen Euro. Als für viele junge Unternehmen in der Corona-Krise das Geld knapp wurde, erhielt aber TR 2022 vom kanadischen Pensionsfond OTPP 250 Millionen Euro.

„Durch die neuen Produkte konnten wir 2023 unsere Marktanteile in Deutschland und international erheblich ausbauen“, sagt Hecker. Neben dem Heimatmarkt ist TR in weiteren 16 europäischen Ländern aktiv, darunter Österreich, Frankreich und die Niederlande. Genaue Zahlen nennt TR nicht, will aber am 9. Januar zum fünfjährigen Bestehen neuere Daten zur Geschäftsentwicklung bekannt geben. Branchenkenner gehen inzwischen von mehr als drei Millionen Kunden aus.

Trade Republic: Jeder Trade kostet nur einen Euro

Der entscheidende Vorteil von TR sind die niedrigen Kosten von nur einem Euro pro Trade – unabhängig vom Ordervolumen. Zwar haben Konkurrenten wie Scalable Capital ähnliche Modelle, sind aber bei den Kosten komplexer. Einst revolutionierten Anbieter wie Comdirect oder ING den Börsenhandel mit niedrigen Gebühren im Vergleich zu den klassischen Banken. Inzwischen sind sie teuer, haben Mindestgebühren und verlangen dazu noch 0,25 Prozent der Anlagesumme. Selbst bei einer Anlagesumme von 1000 Euro werden so bei Comdirect laut der Vergleichsplattform Brokerexperte fast zehn Euro fällig. Dafür hat der Kunde ein größeres Angebot an Finanzprodukten und mehr Börsenhandelsplätze zur Auswahl. Noch viel teurer ist es bei Filialbanken. Hier kostet eine Order über 2500 Euro laut Stiftung Warentest bis zu 50 Euro.

Und die jungen Kunden von TR handeln wahrscheinlich mit noch geringeren Summen, denn sie können auch nur Bruchteile von Aktien und sogar von Staats- und Unternehmensanleihen kaufen. Also nur einmal zum Beispiel 300 Euro in eine Anleihe von Lufthansa investieren, das ist durchaus möglich. Wer schon einmal versucht hat, über seine Bank direkt eine Anleihe zu kaufen, weiß, wie schwierig dieses Anlagesegment ist. Da verweisen Banken lieber auf Anleihefonds. Insofern ist das Angebot an 500 liquiden Staats- und Unternehmensanleihen bemerkenswert.

Trade Republic: Die Mindestanlage liegt nur bei einem Euro

Sparpläne auf ETF, also börsengehandelte Indexfonds, gibt es bei TR kostenlos und das ab einer Mindestanlage ab einem Euro. Auch rund 50 wichtige Kryptowährungen einschließlich Sparplänen sind im Angebot. Was manche noch vermissen werden, sind aktiv gemanagte Investmentfonds – das Gegenstück zu den ETF.

Weitere Wirtschaftsthemen

Offen ist allerdings, ob TR die niedrigen Gebühren dauerhaft beibehalten kann. Denn Börsenhandel fast zum Nulltarif wird bald Geschichte sein. Die EU plant ein Verbot des sogenannten „Payment for Order Flow“ (PFOF). Das bezeichnet Rückvergütungen, die Neobroker von ihren Handelspartnern dafür erhalten, dass sie Millionen von Kundenorders auf deren Plattform weiterleiten. Im Gegenzug profitieren die Kunden von den niedrigen Transaktionskosten.

Geschäftsmodell niedriger Gebühren ist in Gefahr

Kritiker des Geschäftsmodells befürchten, dass die Kundenorders von den Neobrokern nicht an die Handelsplätze weitergeleitet werden, die die besten Kurse bieten, sondern an diejenigen mit den höchsten Rückvergütungen. Doch selbst Studien der Finanzaufsicht BaFin konnten diese These nicht bestätigen. TR arbeitet nur mit einem Börsenhandelsplatz, nämlich der Börse Hamburg, zusammen.

„Wir stellen uns darauf ein, dass PFOF Mitte 2026 kommen wird, auch wenn die genaue Ausgestaltung der Regeln jetzt noch nicht feststeht“, sagt die Sprecherin von TR. „Aber wir sind ein Technologieunternehmen und haben unsere Prozesse von Anfang an darauf ausgerichtet, dass die Wertpapiertransaktionen bei uns zu deutlich niedrigeren Kosten pro Trade ausgeführt werden, als bei anderen Anbietern. Wir werden also eine Antwort auf die neuen Regeln im Interesse unserer Kunden finden.“ Die ETF-Sparpläne, das Sparbuch der jungen Generation, sollen auf alle Fälle kostenfrei bleiben.