Hamburg. Jetzt schon sein Erspartes länger binden oder sich gedulden? Was Experten raten und in welche Fallen man nicht tappen sollte.

Die Zinslandschaft hat sich in den vergangenen 15 Monaten massiv verändert. Mussten sich im Frühjahr 2022 noch zig Millionen Sparer mit Negativzinsen herumärgern, locken nun wieder Zinsen von mehr als vier Prozent auf Tages- und vor allem Festgeld.

Die Fragen, die sich in einer reichen Stadt wie Hamburg viele Menschen stellen, die über hohe Einlagen auf Sparbüchern und Girokonten verfügen, lautet: Wann genau ist der richtige Zeitpunkt, um sein Geld auf einem der mittlerweile wieder attraktiv verzinsten Festgeldkonten zu deponieren, wie lange soll man sich am besten binden? Und geht der Zins noch auf fünf Prozent oder mehr?

Experten sind sich einig: Die Entwicklung der Sparzinsen dürfte stark von der künftigen Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) abhängen. Denn sie hat in den vergangenen Monaten im Kampf gegen die Inflation ihre Zinsen immer weiter erhöht. Zum 27. Juli 2022 hob die EZB die Leitzinsen nach mehr als sechs Jahren erstmals wieder an, damals um 0,5 Prozentpunkte.

Steigende Zinsen aufs Festgeld: Experten rechnen mit fünf Prozent

Lag der Zinssatz, zu dem Geschäftsbanken überschüssiges Geld bei den Währungshütern in Frankfurt deponieren konnten im September 2022 noch bei 0,75 Prozent, stieg er einen Monat später auf 1,5 Prozent, befand sich im Dezember dann bei 2,0 Prozent und beträgt mittlerweile nach weiteren Erhöhungen 3,5 Prozent.

Das Ziel der EZB: Geld aus dem Wirtschaftskreislauf zu saugen, damit sich die Nachfrage nach Krediten, Produkten und Dienstleistungen abkühlt und in Folge die Preise weniger stark steigen als in den vergangenen Monaten.

Doch trotz der zahlreichen Zinsschritte ist die EZB von ihrer gewünschten Inflationsrate in der Eurozone von etwa zwei Prozent weit entfernt. Um immerhin noch 5,5 Prozent legten die Verbraucherpreise zu – also offensichtlich noch kein Grund für die Zentralbanker ihre Geldpolitik zu ändern, oder?

Fünf Prozent aufs Festgeld – das ist laut Finanzexperten realistisch

Holger Schmieding geht davon aus, dass es weitere Zinsschritte der EZB geben wird, obwohl er diese selbst nicht für notwendig hält. „Meines Erachtens hat die EZB bereits genug getan. Die Inflation geht ja spürbar zurück. Die Konjunkturflaute wird den Preisauftrieb weiter dämpfen. Im kommenden Jahr werden die Löhne wesentlich weniger stark steigen als derzeit“, sagt der Chefvolkswirt der Hamburger Berenberg Bank dem Abendblatt.

Allerdings sehe die EZB das offensichtlich anders. „Sie ist viel zu optimistisch für die Konjunktur. Deshalb wird sie fast mit Sicherheit im Juli ihre Zinsen weiter erhöhen. Auch ein zusätzlicher Zinsschritt im September ist – leider – gut möglich.“ Und dann würden auch die Sparzinsen weiter steigen.

Festgeld – welche Tipps Verbraucherschützer geben

Sollte man also mit der Anlage in Festgeld noch warten? Michael Berlemann sieht jedenfalls noch weiteres Zinspotenzial nach oben. „Auch bei Festgeld erwarte ich einen weiteren Zinsanstieg“, sagt der wissenschaftliche Direktor des Hamburger Wirtschaftsforschungsinstituts HWWI. Und er geht noch weiter: „Eine Fünf vor dem Komma erscheint mir realistisch.“ Bisher dürfen sich Anleger in der Spitze bei mehrjährigen Festgeldanlagen über gut vier Prozent freuen.

Auch Henning Vöpel sagt steigende Zinsen voraus. „Die Sparzinsen werden ziemlich sicher auf über fünf Prozent steigen“, sagt der Hamburger Volkswirt und Direktor des Centrums für europäische Politik (cep) dem Abendblatt. Denn für ihn ist die EZB mit ihrer Inflationsbekämpfung noch lange nicht am Ende. „Ich gehe dennoch davon aus, dass auch vor dem Hintergrund des Glaubwürdigkeitsverlusts der Wille hoch ist, die Inflation und die Inflationserwartungen wieder auf zwei Prozent zurückzuführen. Viele sagen, dass die Geldpolitik noch gar nicht wirklich restriktiv, sondern nur weniger expansiv sei.“

Festgeld im Ausland – das könnte riskant werden

Was heißt das für Sparer? Weiter abwarten? Lieber jetzt schon losschlagen? „Es ist erfreulich, dass nach der langen Nullzinsphase die Zinsen wieder steigen. Wer bereit ist, sein Geld hin und wieder umzuschichten, kann profitieren und die Inflation zumindest etwas abmildern“, sagt Kerstin Hußmann-Funk von der Verbraucherzentrale Hamburg.

Wichtig sei jedoch, die Konditionen regelmäßig zu vergleichen und mögliche Kosten im Blick zu haben. Die Finanzexpertin empfiehlt das Sparen in Etappen, also fällige Auszahlungen erneut zu ordentlichen Renditen anzulegen und vor allem auf Sparformen zu verzichten, bei denen man das Geld zu lange bindet, wie zum Beispiel bei privaten Renten- und Lebensversicherungen. Für unerwartete Notfälle sollten drei bis vier Netto-Monatsgehälter auf einem Tagesgeldkonto liegen, rät die Expertin.

Festgeld – lieber kurz- oder mittelfristig binden?

Wer größere Summen sicher anlegen wolle, sei derzeit mit einem Festgeldkonto gut beraten. Allerdings empfiehlt Hußmann-Funk hier aktuell kürzere Laufzeiten. „Ob die Zinsen weiter steigen, weiß niemand. Mit kürzeren Laufzeiten erhält man sich Flexibilität, falls die Zinsen weiter nach oben klettern.“ Wichtig sei, die Grenze der gesetzlichen Einlagensicherung von 100.000 Euro zu beachten. Ihr Ratschlag: „Höhere Beträge immer auf mehrere Banken verteilen!“

Und beim Blick ins Ausland warnen nicht wenige Experten vor allzu viel Risiko bei der Festgeldanlage. Trotz der einheitlichen Regelung, dass in allen Ländern der EU Sparguthaben mit bis zu 100.000 Euro gesetzlich abgesichert sind, raten Verbraucherschützer dazu, sich auch die Bonität des jeweiligen Landes anzuschauen. Denn was passiert wirklich, wenn eine größere Bank in die Insolvenz rutscht? Reichen die nationalen Sicherungssysteme dann aus, um alle betroffenen Sparer zu entschädigen?

Sandra Klug von der Verbraucherzentrale Hamburg rät dazu, ganz genau hinzuschauen. Sie hatte bereits im Februar in Abendblatt gesagt: „Ich wäre vorsichtig. Denn ich kann nicht beurteilen, ob wirklich jedes Land in Süd- und Osteuropa in der Lage ist, im Falle einer Bankenpleite diese Entschädigungen im vollen Umfang zu leisten. Wenn man im Ausland Geld anlegt, dann lieber in Nordwesteuropa.“