Hamburg. Reederei muss wegen Wassermangels Tausende Kilometer Umweg fahren. Und auf der alternativen Route werden Schiffe attackiert.

Eine seit Monaten andauernde große Dürre in Mittelamerika bringt HamburgsTraditionsreederei Hapag-Lloyd ins Schlingern. Wie alle großen Redereien nutzen die Hamburger für ihre Schiffe gewöhnlich den Panamakanal, um Ladung von Asien an die Ostküste der USA zu transportieren. Doch seit Mai gibt es erhebliche Durchfahrtsbeschränkungen. Grund ist das fehlende Wasser.

Zwar verbindet der Kanal den Atlantik mit dem Pazifik. Gespeist wird er aber durch Süßwasser aus zwei Seen – und die fallen derzeit trocken. Da es kein Pumpsystem gibt, geht bei jedem Schleusenvorgang Wasser verloren. Deshalb wird die Schifffahrt beschränkt. Anstatt bis zu 38 Schiffe pro Tag dürfen derzeit nur 22 den Kanal befahren. Ab Januar sind es 20, ab Februar soll die Zahl auf 18 reduziert werden. Das führt zu einem Stau. Mehr als 100 Schiffe warten derzeit vor dem Kanal.

Hapag-Lloyd: Hamburger Reederei von Dürre am Panamakanal stark betroffen

Nun könnte man meinen, dass das Problem alle Reedereien gleichermaßen trifft. Das ist aber nicht so. Denn die zuständige Kanalbehörde, die Autoridad Del Canal de Panamá, hat eine Prioritätenliste erstellt, nach der die Schiffe in den Kanal einfahren dürfen. Es geht also nicht nach dem Prinzip, wer zuerst kommt, wird als Erstes bedient, sondern nach Ladungsmengen. Die Liste liegt dem Abendblatt vor, und demnach hat Hapag-Lloyd erhebliche Wettbewerbsnachteile gegenüber seinen Konkurrenten.

Mit Priorität abgefertigt werden die drei weltgrößten Reedereien Maersk, MSC und CMA CGM. Dann folgt die Reederei NYK-Line. Hapag-Lloyd ist in der Liste der weltgrößten Reedereien zwar auf Platz fünf. In der Prioritätenliste der panamesischen Behörden folgt sie aber erst auf Platz zehn – und Schiffe der Hapag-Lloyd-Tochter UASC (United Arab Shipping Company) stehen gar erst auf Platz 591.

Verärgerung bei Hapag-Lloyd in Hamburg: Konkurrenten werden bevorzugt

In der Zentrale des Schifffahrtskonzerns am Ballindamm ist man darüber verschnupft. Schließlich muss die Reederei jetzt einen riesigen Aufwand betreiben, um ihre Kunden dennoch rechtzeitig zu bedienen – und das zu erheblichen Mehrkosten. Denn anstatt 12 bis 18 Tage vor dem Kanal zu warten, werden die Schiffe der Reederei nun alle umgeleitet: Anstatt nach ihrer letzten Abfertigung in Asien ostwärts in Richtung der westamerikanischen Küste zu fahren und durch den Panamakanal auf die andere Seite des Kontinents zu gelangen, drehen die Schiffe jetzt westwärts, durchqueren den Suezkanal oder fahren ums Kap der Guten Hoffnung herum, um dann über den Atlantik Richtung USA zu dampfen.

Das sind Tausende Kilometer mehr, kostet mehr Sprit und Betrieb. Die Fahrzeit verlängert sich. Um wie viel genau, das komme auf den jeweiligen Dienst an, sagt eine Sprecherin von Hapag-Lloyd. „Die Strecke durch den Suezkanal dauert durchschnittlich eine Woche länger.“

Nach Angriff im Roten Meer: Ausweichroute für Schiffe von Hapag-Lloyd unsicher

An 6. Dezember informierte Hapag-Lloyd seine Kunden über die Umroutungen, die täglich aktualisiert werden. Betroffen sind davon drei Dienste zwischen Asien und der Ostküste der USA: der EC 1, der derzeit von 14 Schiffen bedient wird, der EC 2, in dem 13 Schiffe fahren, und der EC 6 mit elf Schiffen.

Um die verlängerte Fahrzeit wenigstens teilweise kompensieren zu können und die Industriekunden in den USA zuverlässig mit ihrer Ware zu beliefern, muss Hapag-Lloyd noch mehr Schiffe auf der Strecke einsetzen, was zusätzliche Kosten verursacht. „Es ist richtig, dass wir weitere Schiffe benötigen“, sagte die Sprecherin.

Ganz selten darf ein Containerschiff der Reederei Hapag-Lloyd - wie dieses hier - in die Schleusen einfahren.
Ganz selten darf ein Containerschiff der Reederei Hapag-Lloyd - wie dieses hier - in die Schleusen einfahren. © picture alliance / imageBROKER | Diego Lezama

Seit Freitag vergangener Woche ist für die Hamburger Reederei ein weiteres Problem hinzugekommen, denn auch die Ausweichroute durch den Suezkanal gilt inzwischen als unsicher. Nach dem Ausbruch des Krieges im Gazastreifen attackieren Huthi-Rebellen aus dem Jemen zunehmend zivile Handelsschiffe im Roten Meer und in der Meerenge Bab al-Mandab. Am Freitag wurde ein Hapag-Lloyd-Frachter auf dem Weg von Piräus nach Singapur Opfer eines Angriffs. Dabei wurde er von einem Projektil getroffen, das Schäden an Bord verursachte. Die Mannschaft blieb aber unverletzt.

Hapag-Loyd rechnet mit Neuordnung aller Reedereien wegen Kanalkrise

In umgekehrter Richtung hat Hapag-Lloyd im Panamakanal übrigens weniger Probleme, etwa beim Dienst von Europa nach Los Angeles, weil die Route von kleineren Schiffen befahren wird. Bei dem „betroffenen“ Service AL5 „fahren wir durch die kleineren alten Schleusen, die weniger betroffen sind“, sagte die Sprecherin. „Bislang haben wir nur minimale Verzögerungen festgestellt. Natürlich wissen wir nicht genau, wie es sich entwickeln wird, aber wir erwarten kurzfristig keine wesentlichen Änderungen.“

Die Wassermenge ist bisher jedenfalls nicht mehr geworden. Als Ursache für den Mangel werden das Aufeinandertreffen des Klimawandels und des Wetter-Phänomens El Niño. genannt, das in unregelmäßigen Abständen etwa alle vier Jahre auftritt. Sie sind dafür verantwortlich, dass es in Panama deutlich weniger regnet als gewöhnlich und die Regensaison, die eigentlich von Mai bis Dezember dauert, später begonnen hat.

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Ein Ende der Dürre ist nicht in Sicht. Denn die Behörden planen, die Nutzung des Panamakanals noch weiter einzuschränken. „Während Hapag-Lloyd derzeit aufgrund seiner Position im Kanaldurchfahrtssystem sicherlich einen Wettbewerbsnachteil hat, könnte sich die Situation im Februar verändern, wenn nur noch 18 Schiffe pro Tag den Kanal passieren dürfen“, sagt die Reedereisprecherin. Dann werden nämlich noch mehr Reedereien von den Durchfahrtsbeschränkungen betroffen sein.

Bei Hapag-Lloyd hält man in dem Fall sogar eine Neuordnung der Schifffahrtsrouten für wahrscheinlich: „Wir gehen davon aus, dass dies weitreichende Auswirkungen auf alle Reedereien haben wird und eine strategische Neuausrichtung der Dienste als Reaktion auf die sich entwickelnde Kanalkrise erforderlich macht.“