Hamburg. Der DAX klettert erstmals über 17.000 Punkte. Einige Werte haben weiter Kurspotenzial: die konkreten Tipps von Börsen-Fachleuten.

In den zurückliegenden Tagen ist der Deutsche Aktienindex (DAX) von Rekord zu Rekord gestürmt. Am Donnerstag hat er sogar erstmalig kurzfristig die Marke von 17.000 Punkten überwunden. Seit dem Zwischentief im Oktober hat der DAX schon um rund 15 Prozent zugelegt – und auch Börsen im Ausland sind in Feierstimmung. Es gibt aber durchaus Titel, denen Wertpapierexperten aus Hamburg noch deutliche Kurssteigerungen zutrauen. Hier einige ihrer Tipps.

Fielmann

Das Unternehmen sei „im Bereich der Augenoptik unangefochtener Marktführer in Deutschland und expandiert zunehmend auch in das europäische Ausland“, sagt Thomas Wissler, Vorstand des Hamburger Analysehauses AlsterResearch. „Eine strukturell steigende Nachfrage nach Brillen und Kontaktlinsen aufgrund einer alternden Gesellschaft sollte auch zukünftig für nachhaltiges Wachstum sorgen.“ Der Analyst geht davon aus, dass das Familienunternehmen im Geschäftsjahr 2023 erstmalig die Umsatzschwelle von zwei Milliarden Euro überwinden wird. AlsterResearch empfiehlt die Aktie von Fielmann mit einem Kursziel von 62,00 Euro zum Kauf ein – das würde einem Aufwärtspotenzial von gut 26 Prozent entsprechen.

Bechtle

Der IT-Dienstleister aus Hannover ist in 14 Ländern aktiv und zählt mit fast 15.000 Beschäftigten und einem Umsatz von mehr als sechs Milliarden Euro zu den führenden Unternehmen der Branche in Europa. „Die Pandemie hat uns allen gezeigt, wie wichtig die digitale Transformation ist“, sagt AlsterResearch-Analyst Harald Hof. „Bechtle ist ein klarer Profiteur des digitalen Zeitalters und wächst seit Jahren kontinuierlich.“ Hof versieht die Bechtle-Aktie mit einem Kursziel von 57,00 Euro, was einen Anstieg von rund 28 Prozent bedeuten würde.

TUI

Als eines der größten Touristikunternehmen weltweit ist der Konzern „nach der schwierigen Corona-Zeit wieder in der Erfolgsspur und hat sehr gute Zahlen für das Geschäftsjahr 2023 vorgelegt“, so AlsterResearch-Analyst Oliver Wojahn. „Auch die Buchungssituation für den Winter und den kommenden Sommer ist vielversprechend. Damit kommen weitere Hochstufungen durch die Ratingagenturen in greifbare Nähe.“ Wojahns Kursziel von 16,00 Euro reflektiert die große Zuversicht – gegenwärtig notiert die TUI-Aktie bei rund 7,15 Euro.

Tonies

„Kinder lieben den Audioplayer Toniebox und die zugehörigen süßen Tonies-Figuren“, so Wojahn. Für die Eltern empfehle er seit 2021 an der Börse notierte Aktie des Düsseldorfer Unternehmens mit finanztechnischem Sitz in Luxemburg. „Die steilen Wachstumsprognosen vom Börsengang wurden eingehalten, und der riesige US-Markt entwickelt sich bisher sehr gut“, erklärt der Experte. „Nach hohen Investitionen in die Expansion rückt die Gewinnschwelle näher, jetzt ist Zeit einzusteigen.“ Wojahn sieht fast 60 Prozent Aufwärtspotenzial bis zu einen Kursziel von 7,70 Euro.

„Wir mögen Unternehmen, die in Bereichen aktiv sind, die man als Infrastruktur bezeichnen kann – da wird in den nächsten Jahren und Jahrzehnten viel investiert werden müssen“, sagt Sy Schlüter, Investmentchef des Hamburger Bankhauses Otto M. Schröder. „Bei der Titelauswahl sind für uns eine günstige Bewertung und Wachstum die wichtigste Kriterien.“ Und hier seine Empfehlungen:

Siemens Energy

Das Unternehmen, im Jahr 2020 aus dem Siemens-Konzern abgespalten, ist ein Gaskraftwerk- und Windturbinenhersteller. „Beide Bereiche werden für die Energiewende gebraucht“, sagt Schlüter. „Der Windturbinenbereich hatte diverse Schwierigkeiten in den letzten Jahren, die sich aber in den nächsten zwei Jahren lösen sollten.“ Gegenwärtig ist das Papier vergleichsweise billig – es wird gerade einmal mit 0,26-fachen des Umsatzes bewertet. Zum Vergleich: beim US-Technologieunternehmen Apple ist es das achtfache.

Bilfinger
Der Mannheimer Dienstleister ist in der Instandhaltung, Erweiterung und dem Betrieb von Industrieanlagen tätig – mit dem Ziel, deren Effizienz und Nachhaltigkeit zu verbessern. Die Kunden kommen aus den Bereichen Energie, Chemie, Pharma sowie Öl und Gas. Einer der Pluspunkte der Bilfinger-Aktie ist die Dividendenrendite von immerhin 5,35 Prozent. Außerdem ist das Papier mit dem neunfachen des Jahresgewinns „sehr günstig bewertet“, wie Schlüter erklärt. Auch hier wieder der Vergleich zu einem teuren Börsenwert wie Apple: hier kostet der einzelne Anteilsschein das 30-fache des Nettogewinns pro Aktie.

Ericsson
Das schwedische Unternehmen ist ein global tätiger Hersteller von Ausrüstungen für die Telekommunikationsinfrastruktur. „Der weltweite Ausbau von 5G-Mobilfunknetzwerken liefert den Hintergrund für Wachstum“, so Schlüter. Ansonsten sprechen ähnliche Faktoren wie bei Bilfinger für die Aktie: die Dividendenrendite ist mit 4,85 Prozent ansehnlich, das Papier wird derzeit mit dem 12-fachen Jahresgewinn bewertet.

Die nächsten vier Empfehlungen kommen von Torsten Johannsen, Senior-Berater in der Hamburger Niederlassung des Vermögensverwalters Capitell, der gut 3,3 Milliarden Euro für mehr als 1600 Mandanten anlegt. „Wir setzen nicht auf Fonds, sondern ausschließlich auf Einzelwerte, nennen aber, weil wir langfristig orientiert sind, keine Kursziele“, sagt Johannsen. Hier seine Tipps:

BASF

„Das Unternehmen hat ein Sparprogramm und eine strategische Neuausrichtung beschlossen“, sagt Johannsen. So ist unter anderem vorgesehen, die Produktion von Batteriematerialien für E-Autos in eine rechtlich eigenständige Firma einzubringen. „Außerdem gibt es Berichte, dass ein Ölkonzern aus Abu Dhabi an einer Übernahme der BASF-Tochter Wintershall Dea interessiert ist.“ Angeblich soll Wintershall Dea, ein Gas- und Ölförderer, dabei mit mehr als zehn Milliarden Euro bewertet werden – und BASF ist mit mehr als 70 Prozent beteiligt.

Rio Tinto

Das britisch-australische Rohstoffunternehmen Rio Tinto wird von Capitell nicht nur wegen der Dividendenrendite von deutlich mehr als sechs Prozent geschätzt. „Wenn man von einer Belebung der Weltkonjunktur ausgeht, werden Rohstoffe künftig stärker gefragt sein“, so Johannsen. Rio Tinto fördert neben Eisenerz auch Aluminium und die für die Energiewende wichtigen Materialien Kupfer und Lithium.

Vonovia

Gute Perspektiven sieht Johannsen schließlich noch für Vonovia, nach eigenen Angaben Deutschlands führendes Wohnungsunternehmen mit einem Bestand von fast 550.000 Wohnungen. „Wenn die Zinsen – wie man am Markt erwartet – wieder fallen, ist das günstig für Vonovia“, so der Anlageexperte. „Auch ist die Neubautätigkeit in Deutschland deutlich zurückgegangen und damit wird die Altsubstanz im Bestand von Unternehmen wie Vonovia relativ wertvoller.“ Daneben schaffe dies weiteres Steigerungspotenzial bei den Mieten. Gleichzeitig nehme der Druck auf die Instandhaltungskosten ab, nachdem das „Heizungsgesetz“ von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) gegenüber der ursprünglichen Planung „entschärft“ worden sei.

Die beiden letzten Empfehlungen stammen vom Hamburger Privatbankhaus Berenberg, das vor einigen Tagen eine Investorenkonferenz veranstaltete, bei der die Analysten Gelegenheit hatten, mit Topmanagern der von ihnen beobachteten Unternehmen zu sprechen. Hier zwei der daraufhin herausgegeben Kaufempfehlungen:

Jungheinrich

Nachdem die Nachfrage nach Gabelstaplern und Lagertechnik in diesem Jahr aufgrund des Zinsumfelds und der weltwirtschaftlichen Ungewissheiten zunächst schwächer ausfiel, beobachtete das Management den Angaben zufolge im Oktober und November eine allmähliche Verbesserung. Für das zweite Quartal 2024 erwarte Jungheinrich nun eine spürbare Erholung des Marktes, vor allem in den USA. Zudem habe der Konzern bereits mit einem Effizienzprogramm, das auch einen Einstellungsstopp umfasse, auf die Nachfrageschwäche reagiert und verlagere Aktivitäten in Länder mit niedrigeren Arbeitskosten, etwa nach Spanien und Rumänien. Die Berenberg-Analysten nennen ein Kursziel von 39,00 Euro (aktuell: 32,18 Euro).

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Jenoptik

Der Technologiekonzern aus Thüringen ist ein wichtiger Ausrüster für Halbleiterhersteller. Kunden des Unternehmens hätten angedeutet, dass sie an einen starken Ausbau ihrer Kapazitäten im Jahr 2025 glauben, heißt es. Gerade habe der Vorstand sein Ziel für die operative Gewinnmarge (auf Basis Ebitda) im Jahr 2025 von bisher 20 Prozent auf 21 bis 22 Prozent heraufgesetzt. Die Investition in eine neue Fertigungsstätte in Dresden und damit die Konzentration auf organisches Wachstum bedeute zudem, dass Zukäufe in den nächsten Jahren keine hohe Priorität haben. Das Kursziel für Jenoptik wurde auf 38,00 Euro gesetzt (derzeit: 27,92 Euro).