Hamburg. Ein Hamburger Unternehmen verabschiedet sich vom Verbrennermotor und will Mitarbeiterzahl und Umsatz weiter steigern. Die Aktie geht ins Minus.
Der Hamburger Gabelstaplerhersteller Jungheinrich hat etwas erreicht, wovon alle deutschen Autobauer noch weit entfernt sind: Seit dem 13. März werden nur noch Fahrzeuge mit Elektroantrieb produziert. Das verschaffe dem Unternehmen einen echten Wettbewerbsvorteil, glaubt der Jungheinrich-Vorstandsvorsitzende Lars Brzoska: „Es gibt Wettbewerber, die noch einen nennenswerten Anteil von Verbrennern im Produktprogramm haben.“ Der Markt für solche Fahrzeuge werde aber immer kleiner. „Gerade mit unseren Staplern mit Lithium-Ionen-Batterie gewinnen wir jetzt viele Kunden, die bisher noch Verbrenner einsetzen“, so Brzoska.
Bis 2025 sollen den Planungen zufolge schon 70 Prozent aller Jungheinrich-Fahrzeuge mit dieser modernen Batterietechnologie ausgestattet sein. In einer eigenen Ökobilanz-Studie hat das Unternehmen ermittelt, dass die Lithium-Ionen-Batterie über den gesamten Lebensweg rund 20 Prozent weniger CO2-Emissionen verursacht als die heute auch noch in den Staplern verwendete Blei-Säure-Batterie.
Jungheinrich hat das Aus für Verbrennungsmotoren schon umgesetzt
Dabei komme der vollständige Umstieg auf den Elektroantrieb dem Hamburger Hersteller auch rein betriebswirtschaftlich gesehen zugute, erklärt Brzoska: „Die Verbrenner waren nicht unbedingt unsere profitabelsten Produkte.“
Einen solchen Effekt kann Jungheinrich gut gebrauchen. Denn der Konzern hat zwar das Geschäftsjahr 2022 trotz aller Herausforderungen durch Kostensteigerungen und die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs besser abschließen können als erwartet. Doch auch für 2023 rechnet der Vorstandschef mit weiterem Gegenwind unter anderem durch höhere Energiekosten. Daher werde die operative Gewinnmarge voraussichtlich nur im besten Fall das Niveau von 2022 – also 8,1 Prozent – erreichen, teilte das Unternehmen am Freitag mit.
Der vorsichtige Ausblick drückt den Aktienkurs um sieben Prozent
An der Börse kam der vorsichtige Ausblick nicht gut an: Die Vorzugsaktie, die in den zurückliegenden sechs Monaten um gut 56 Prozent an Wert gewonnen hat, notierte am Freitagnachmittag um mehr als sieben Prozent im Minus bei 32,38 Euro. Allerdings erwartet Brzoska für 2023 eine Steigerung des Umsatzes, der im vorigen Jahr um zwölf Prozent auf eine Rekordmarke von 4,76 Milliarden Euro geklettert ist, in den Bereich zwischen 4,9 Milliarden und 5,3 Milliarden Euro.
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Auch der Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) nahm auf einen Höchststand von 386 Millionen Euro (plus sieben Prozent) zu, die Dividende bleibt bei 0,66 Euro je Stammaktie und 0,68 Euro je Vorzugsaktie unverändert. Zur Prognose für die Ebit-Rendite, die in diesem Jahr im Bereich von 7,3 bis 8,1 Prozent liegen soll, merkte der Finanzchef Volker Hues an: „Wir sind bei unseren Ausblicken bekanntermaßen hanseatisch konservativ ausgerichtet.“
Im vorigen Jahr wurden Gas-Lieferverträge zu hohen Kosten abgeschlossen
Tatsächlich erscheine die Prognose recht zurückhaltend, urteilte Stefan Augustin vom Hamburger Analysehaus Warburg Research. Er beließ die Einstufung für Jungheinrich auf „Kaufen“ mit einem Kursziel von 46 Euro. Der Staplerkonzern habe 2022 stark beendet, schrieb Augustin.
Im aktuellen Jahr werde es aber Ertragsbelastungen durch Einmaleffekte geben, erklärte der Finanzvorstand – nicht zuletzt aufgrund der im Januar verkündeten Übernahme der US-amerikanischen Storage-Solutions-Gruppe, die auf Regalsysteme und Lagerautomatisierung spezialisiert ist.
Zudem drücken die Energiepreise, auch wenn sich Erdgas jüngst gegenüber den Höchstständen im Spätsommer 2022 wieder deutlich verbilligt hat: „Wir haben uns im vergangenen Jahr zu höheren Preisen Gaslieferungen gesichert, um keine Engpässe zu riskieren. Diese Verträge finden ihren Niederschlag im Jahr 2023.“
Neues Werk in Rumänien für die Wiederaufarbeitung gebrauchter Stapler
Zwar hat der Gasverbrauch von Jungheinrich im vorigen Jahr noch einmal um gut drei Prozent zugenommen. Man arbeite aber daran, „in Zukunft weniger auf Erdgas angewiesen zu sein“, hieß es vom Unternehmen. Das wird schon deshalb nötig sein, um das Ziel der Klimaneutralität bis 2040 erreichen zu können – im Jahr 2022 haben sich die Treibhausgasemissionen entlang der gesamten Wertschöpfungskette einschließlich der Nutzung der verkauften Produkte erst einmal noch um gut zwölf Prozent erhöht.
Einen Beitrag zur Reduktion der klimaschädlichen Emissionen soll auch die Wiederaufbereitung gebrauchter Stapler liefern. „Die Nachfrage nach aufgearbeiteten Gebrauchtfahrzeugen ist so hoch, dass die Kapazitäten in unserem Werk Dresden nicht mehr ausreichen“, so Brzoska. „Weil dies ein sehr personalkostenintensives Geschäft ist, haben wir uns entschieden, dafür einen weiteren Standort in Rumänien aufzubauen.“ Es hat Anfang 2022 den Betrieb aufgenommen.
Jungheinrich baut Mitarbeiterzahl in Hamburg aus, F&E-Bereich wächst
Die aufgearbeiteten Fahrzeuge seien „wie neu“, sagt der Jungheinrich-Chef, aber zu deutlich niedrigeren Kosten erhältlich – und außerdem sei der CO2-„Fußabdruck“ wegen der sehr hohen Wiederverwendungsquote von bis zu 80 Prozent erheblich geringer als bei einem neu produzierten Fahrzeug, was für immer mehr Kunden wichtig sei.
Zudem seien viele der Gebraucht-Stapler für die eigene Miet-Flotte von mehr als 200.000 Fahrzeugen bestimmt. Der Verkauf von fabrikneuen Produkten leide unter diesen Aktivitäten jedenfalls nicht, heißt es: „Für uns ist die Wiederaufarbeitung ein komplett zusätzliches Geschäft, das den Absatz von Neufahrzeugen nicht beeinträchtigt“, sagt Brzoska.
Um die selbst gesetzten Wachstumsziele erreichen zu können, werde Jungheinrich auch 2023 weiter Personal aufbauen müssen, so Hues. Im vergangenen Jahr hat sich die Zahl der Beschäftigten in Hamburg um 114 auf 3782 Personen erhöht, während sie weltweit um gut 700 auf knapp 20.000 Menschen zunahm. Dabei werden verstärkt Spezialisten benötigt, um bei der Technologie – zum Beispiel bei fortschrittlichen Batteriekonzepten – weiter vorne mitspielen zu können: Der Bereich Forschung und Entwicklung (F&E) im Unternehmen ist zuletzt um gut 200 auf nun 885 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vergrößert worden.