Hamburg. Hamburger Untersuchungsausschuss beschließt Zwischenbericht. Viele Fragen zu Scholz und Tschentscher bleiben allerdings offen.
Für die CDU ist die Sache völlig klar: „Politische Einflussnahme durch Olaf Scholz und Peter Tschentscher“ habe dazu geführt, dass die Warburg-Bank 2016 rund 47 Millionen Euro an Steuern aus Cum-Ex-Geschäften nicht zurückzahlen musste. Dadurch sei „strafbares Handeln in Hamburg zulasten des Fiskus“ gedeckt worden.
Auch für die Regierungsfraktionen von SPD und Grünen ist die Sache klar, nur kommen sie zu einem völlig anderen Urteil: Nach drei Jahren Arbeit im parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) stehe fest, „dass es diese politische Einflussnahme nicht gegeben hat“.
Die Linkspartei wiederum ist näher bei der CDU, aber nicht ganz so selbstsicher: „Korruption liegt in der Luft“, lautet ihr Fazit, einen Beweis dafür habe der Untersuchungsausschuss aber bislang nicht erbracht. Die AfD sieht sich in ihrer Meinung über den „SPD-Filz in der Hansestadt“ bestätigt: „Wenn der PUA ein Indizienprozess wäre, wäre Olaf Scholz zu verurteilen.“
Cum-Ex: Zeugenaussagen werden völlig unterschiedlich interpretiert
Am Mittwoch prallten diese unterschiedlichen Interpretationen nun direkt aufeinander. In der 48. Sitzung des Ausschusses wurde erstmals über den rund 1000-seitigen Zwischenbericht debattiert, mit dem der Fall Warburg abgeschlossen werden soll, bevor sich der PUA den Cum-Ex-Geschäften der früheren HSH Nordbank zuwendet. Der Bericht selbst war am Mittwoch noch geheim. Dem Vernehmen nach trägt er akribisch die bekannten Fakten und Zeugenaussagen zusammen, wertet diese jedoch nicht politisch. Das übernahmen daher die Fraktionen.
Insbesondere die beiden Juristen unter den Obleuten, Richard Seelmaecker (CDU) und Milan Pein (SPD), verdeutlichten dabei, wie man ein und denselben Sachverhalt völlig unterschiedlich interpretieren kann. Beispiel Zeugen: Die SPD verwies darauf, dass es „laut Aussagen aller über 50 Zeuginnen und Zeugen … keine politische Einflussnahme“ gegeben habe.
Das ist nicht nur aus CDU-Sicht so nicht ganz korrekt. Richtig ist zwar, dass niemand im Zeugenstand Scholz oder Tschentscher direkt eine Einflussnahme angelastet hat, und insbesondere die acht Personen aus Finanzamt und -behörde, die letztlich die Entscheidung getroffen haben, auf die Rückforderung zu verzichten, haben bekräftigt, dass sie niemand beeinflusst hat.
Cum-Ex: War Tschentschers „Bitte um Informationen“ eine Beeinflussung?
Wie Seelmaecker jedoch klarstellte, hätten etliche andere Zeugen sich dazu gar nicht geäußert – aus Unwissen oder weil ihnen diese Frage so konkret gar nicht gestellt worden war. Drei von ihnen hätten die Frage sogar „bejaht“.
Doch auch das ist nicht ganz korrekt. Denn zwei von drei bezogen ihre Aussagen nicht konkret auf Scholz oder Tschentscher, sondern hatten sich eher allgemein oder zu anderen Zusammenhängen geäußert. Und der dritte war der frühere CDU-Finanzsenator Wolfgang Peiner.
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Beispiel „Argumentationspapier“ der Bank: Nach Peiners Einschätzung mischte sich der damalige Finanzsenator Tschentscher in den Steuerfall Warburg ein, indem er jenes Papier mit der „Bitte um Informationen zum Sachstand“ in die Steuerverwaltung gab. Diese habe aufgrund des Interesses der Politik nicht mehr unabhängig entscheiden können.
Seelmaecker ging noch weiter: Tschentscher habe sich ausweislich der Akten zuvor mündlich über den Fall unterrichten lassen: „Der Senator brauchte den Sachstand gar nicht mehr, er hatte ihn bereits.“
Cum-Ex: Auch 1000 Seiten Zwischenbericht liefert keine abschließende Antwort
Warum also gab er das Papier seiner Fachabteilung, zumal es dort erkennbar bereits vorlag? Um noch einmal auf das Argument der Bank hinzuweisen, dass eine Rückforderung sie in die Pleite treiben könnte? Pein hielt dagegen: Wie soll ein Argument etwas ändern, was schon bekannt ist? Die Weiterleitung des Schreibens sei daher „bedeutungslos“.
Immerhin: Einig ist sich die Politik, dass auch nach drei Jahren Untersuchungen noch Fragen offen sind – etwa die, warum die Steuerverwaltung die Behauptung der Bank, eine Millionenforderung könne sie gefährden, nicht überprüft hat.
Das könne den Eindruck erwecken, „dass es da noch etwas anderes gegeben hat“, so Farid Müller (Grüne). „Aber dieses irgendetwas andere haben wir nicht entdecken können.“