Hamburg. Aerodynamischer und Sprit sparend: Tragflächen sollen die Form während des Flugs verändern können. Vorbild ist die Natur.

Am Himmel ziehen Vögel meist elegant ihre Bahnen. Mit ihren stromlinienförmigen Körpern sind sie ideal auf das Leben in der Luft vorbereitet. Sie können ihre Flügel ausstrecken, einklappen, nach oben und unten sowie vorn und hinten drehen.

Den starren Tragflächen von Flugzeugen sind die Tiere in ihrer Anpassungsfähigkeit weit voraus. Doch Airbus hat nun ein Projekt gestartet, um diesen Vorsprung zu verkleinern. Vor Kurzem startete der Extra-Performance Wing-Demonstrator zu seinem Erstflug.

Airbus arbeitet an flexiblen und klappbaren Flügeln

Das Ziel ist eine völlige Überarbeitung der Flugzeugflügel, um die Flugleistung zu verbessern, Treibstoff zu sparen und so die Umweltbelastung zu reduzieren, so der Flugzeugbauer mit seinem großen Werk auf Finkenwerder. Letztlich soll der Flügel während des Flugs seine Form ändern können, damit der Flieger aerodynamisch effizienter fliegt.

Die Tests werden mit einem modifizierten Businessjet vom Typ Cessna Citation VII geflogen. Die Cessna hat regulär eine Spannweite von 16 Metern. In dieser Konfiguration hob sie nun auch erstmals in Toulouse ab. Dabei soll es aber nicht bleiben. Letztlich wird eine Spannweite von mehr als 50 Metern angestrebt. Das ist weit mehr als die Tragflächen eines A320 von Spitze zu Spitze messen, das sind nämlich 35,80 Meter.

Technologie soll später an jedem Airbus eingesetzt werden können

„Wir haben uns für die Cessna entschieden, weil sie den besten Kompromiss zwischen der Komplexität des Prozesses und der Repräsentatitivät des finalen Entwurfs darstellt“, sagte Sebastien Blanc, technischer Direktor des Programms, das von der 100-prozentigen Airbus-Tochter und dem Technologie-Inkubator UpNext geleitet wird: „Im kleineren Maßstab sind die Dinge offenkundig einfacher.“ Später soll die Extra-Performance-Technologie auf jede Art von Flugzeug und Antriebstechnologie anwendbar sein.

Im September 2021 ist das Projekt als eines von mehreren Forschungsprojekten für die Flügel gestartet, die in die nächste Generation von Airbus-Fliegern integriert werden könnten. Das übergeorndete Ziel sei es, mehrere Flügelkonstellationen bereit zu stellen, die sich dynamisch an die Flugbedingungen anpassen, so der DAX-Konzern.

Airbus: Die Flügel sollen sich vollautomatisch anpassen

Das Design umfasse innovative, aktive Steuerungstechnologien sowie physikalische Änderungen an der Flügelstruktur. Windsensoren an der Vorderseite des Flugzeuges sollen Wirbelströmungen registrieren und dann entsprechende Anpassungen der Steuerflächen des Flügels auslösen.

„Dieses System ist völlig automatisch konzipiert“, sagte Blanc. „Die Extra-Performance Wing-Technologien, die die Form des Flügels verändern, indem sie die Federn eines Vogels nachahmen, passen sich automatisch an, um den aerodynamischen Fluss zu maximieren.“

Flügelspitzen sind hochklappbar – das spart Platz an Airports

Zudem werden bei dem Projekt klappbare Flügelspitzen zum Einsatz kommen. Das ist insofern wichtig, weil auf einer Vielzahl von Flughäfen – die der Kategorie C – an den Gates Flieger mit einer Spannweite von maximal 36 Meter geparkt werden können. In der Luft sollen die Flügelspitzen flexibel sein und ihre Form ändern können, damit nicht zu viel Druck auf die Tragflächen ausgeübt wird. Grundsätzlich erhöhten die längeren Flügel den Auftrieb und verringerten den Luftwiderstand, hieß es.

Klappbare Flügelspitzen gibt es zum Beispiel bei Militärmaschinen schon lange. In der Passagierluftfahrt sind sie allerdings noch nicht bei Fluglinien im Einsatz. Der US-Konzern Boeing baut sie in sein neues Großraumflugzeug 777-X ein. Links und rechts können jeweils 3,50 Meter hochgeklappt werden, sodass die Spannweite auf 64,80 Meter sinkt. Damit fällt man im Platzbedarf an den Airports aus der größten Kategorie F, wie sie der Jumbojet 747-8 und der A380 brauchen, in die kleinere Kategorie E.

Boeings 777-X wird erster Passagierjet mit hochklappbaren Flügelspitzen sein

Bei dem Flieger gibt es allerdings mehrjährige Verzögerungen, die Erstauslieferung wird nun für 2025 erwartet. Dann wird die 777-X das erste Passagierflugzeug mit hochklappbaren Flügelspitzen sein.

Airbus testete seinen Extra-Performance Wing bisher nur im Windkanal des britischen Werks in Filton. Offenbar aber erfolgreich. Mit der Herstellung verschiedener Flügelteile sei bereits begonnen worden, hieß es. Entsprechend der klassischen Aufteilung im paneuropäischen Konzern werden die Tragflächen in Großbritannien gebaut und die klappbaren Flügelspitzen in Spanien.

Airbus: In Bremen wird Design und Struktur der Landeklappen entwickelt

In Deutschland wird das Hochauftriebssystem entwickelt. Das große Werk in Hamburg ist an dem Demonstrator nicht beteiligt, wohl aber die hanseatischen Nachbarn in Bremen. Dort werde das Design und die Struktur der Landeklappen sowie die Aktuatoren entwickelt, sagte ein Airbus-Sprecher auf Anfrage. Als Aktuatoren werden antriebstechnische Baueinheiten bezeichnet, die ein elektrisches Signal in mechanische Bewegungen umsetzen. Die Montage des Fliegers erfolgt in Frankreich.

Beim Erstflug im November hebt der Demonstrator noch mit seinen normalen Flügeln in Toulouse ab.
Beim Erstflug im November hebt der Demonstrator noch mit seinen normalen Flügeln in Toulouse ab. © Airbus | Airbus

Im nächsten Jahr sollen die Extra-Performance Wings an der Cessna montiert werden und Bodentests erfolgen. Der Erstflug in diesem November mit den normalen Flügeln sei aber bereits ein wichtiger Meilenstein für das Projekt gewesen, weil alle Systeme für die Extra-Performance Wings bereits an Bord waren. Die dabei gewonnen Daten dienten den Ingenieuren als wichtige Grundlage, um zu sehen, welchen Einfluss die neuen, langen Flügel haben, um zum Beispiel Treibstoffverbrauch und CO2-Emissionen zu senken.

Für 2025 plant Airbus den Erstflug mit den langen Flügeln

Für 2025 sind die ersten Flüge mit den langen Flügeln geplant. Vorher soll in das Flugzeug noch ein Fernsteuerungssystem eingebaut werden. Von Cazaux in Frankreich werden weitere Testflüge erfolgen, um die Kommunikation zwischen den 20 Antennen des Flugzeuges und dem Kontrollzentrum am Boden zu prüfen.

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Der Demonstrator soll während der Flugerprobung ferngesteuert werden, damit die Ingenieure ihn bis an seine Grenzen belasten können. Man wolle möglichst viele realistische Flugsituationen erproben, damit die Technologien sich bewähren können und beste Chancen haben, eines Tages in die Flügel von morgen integriert zu werden, sagte Blanc: „Wir haben eine echte Chance, einen Beitrag zur Reduzierung des Kraftstoffverbrauchs zu leisten.“ In der Branche geht man von fünf bis zehn Prozent aus. Das Potenzial, die Luftfahrtindustrie zu verändern, sei riesig, so Blanc. Man habe bisher in dem Projekt schon viel gelernt.