Hamburg. Hamburger Unternehmen holt Wertstoffe zu Hause ab. Was der Service kostet, welche Neuerungen es gibt und wie die Expansion läuft.
Ein Stück nach rechts, dann nach links, noch einmal zurücksetzen. Es braucht nur wenige Fahrmanöver, dann steht das schwere E-Lastenrad in Parkposition. Ladeklappe auf, schnell ein paar Kisten umladen. Dann geht es los. Vormittags ist es eher ruhig auf dem Gewerbehof an der Stresemannstraße. Gerade kommt noch ein Fahrer angeradelt und hält für eine kurze Stippvisite vor dem Garagentor. „Alle anderen sind unterwegs auf Tour“, sagt Nadine Herbrich (38).
So soll es sein. Gemeinsam mit Alessandro Cocco (39) betreibt die Hamburgerin den Abholservice Recyclehero. In vielen Stadtteilen Hamburgs sammeln die Gründer mit ihrer Lastenrad-Flotte Altglas, Altpapier, Altkleider sowie Pfandflaschen auf Bestellung ein und kümmern sich um die Entsorgung.
Recycling in Hamburg: Unternehmen holt Altglas, Altpapier und Altkleider ab
Klar, es ist nervig. Leere Flaschen stehen nach der letzten Party auf dem Balkon, in einer Küchenecke stapeln sich alte Kartons und was sonst noch an Papiermüll anfällt. Müsste jemand dringend zum Container bringen. Oftmals landet dann alles doch im Müll. Weil es einfacher ist und schneller geht. Das passiert bei der Familie mit drei Kindern und in der Studierenden-WG, aber auch in Büros, Läden und in der Gastronomie.
Genau da setzt Recyclehero an. „Wir bieten einen möglichst einfachen Weg, Wertstoffe zu recyclen und kümmern uns darum, dass sie im Kreislauf bleiben“, sagt Alessandro Cocco. Seit fünf Jahren gibt es den Abholservice in Hamburg – und die Nachfrage steigt. Gerade hat das Start-up in einer zweiten Investorenrunde erneut einen niedrigen siebenstelligen Euro-Betrag eingesammelt. „Wir wollen wachsen und dafür konnten wir strategische Geldgeber gewinnen, die uns auch inhaltlich unterstützen“, sagt Nadine Herbrich.
Recyclehero: Mehr als 100 Tonnen Altglas und Altpapier wurden 2022 abgeholt
Der Bedarf ist da. Im vergangenen Jahr sind die „Heros“, wie die sechs Fahrer intern genannt werden, mehr als 20.000 Kilometer durch Hamburg gestrampelt und haben volle Boxen mit Wertstoffen abgeholt: insgesamt 85 Tonnen Altglas und 30 Tonnen Altpapier sowie etwa 40 Tonnen Altkleider. „Bei Glas und Papier haben wir vor allem gewerbliche Kunden“, sagt Co-Gründer Cocco. Weitere Details zu den Kunden und Umsatzzahlen nennt er nicht.
Gesteuert wird das Abholsystem über eine digitale Plattform. Die Kunden registrieren sich, buchen einen Termin und müssen nur noch angeben, wo der Reyclingmüll steht. Pro Box kostet der Service bei regelmäßiger Abholung ab 8,99 Euro, bei einmaligen Bestellungen ab 12,99 Euro. Die Recyclehero-Fahrer entsorgen Glas und Papier in den entsprechenden Containern. Große Mengen werden direkt zum Recyclinghof gefahren. „Wir verstopfen keine Container“, versichert Nadine Herbrich, „sondern arbeiten in Absprache mit der Stadtreinigung.“
Altkleider werden in zwei Läden in Hamburg verkauft
Seit 2021 sammelt Recyclehero auch Altkleider. Die Abholung ist wie bei Pfandflaschen kostenlos. Um den oft gut erhaltenen Teilen eine zweite Chance zu geben und wieder an Frau, Mann oder Kind zu bringen, arbeitet der Abholservice mit dem Kieler Secondhand-Anbieter 2nd Fit zusammen, der in Hamburg am Schulterblatt und im Mercado in Ottensen zwei Läden betreibt.
„Das Angebot wird sehr gut angenommen“, sagt Nadine Herbrich. Nach eigenen Angaben sammelt Recyclehero im Monat knapp vier Tonnen gebrauchte Kleidung ein – Tendenz steigend. Durch die Kooperation mit dem Partner 2nd Fit sei eine wirtschaftlich tragbare und vor allem regionale Umsetzung für das Projekt gefunden worden.
Recyclehero auch in Köln, Frankfurt, München und Bonn
Inzwischen sind die Hamburger mit ihrem Modell auch in anderen Städten unterwegs. In Kooperation mit Lastenrad-Logistikern und lokalen Secondhand-Läden werden in Köln, Frankfurt, München und seit November auch in Bonn getragene Klamotten in privaten Haushalten oder in Firmen abgeholt. Die Abwicklung erfolgt über die Plattform von Recyclehero. „Dadurch können wir das System schnell skalieren“, sagt Alessandro Cocco. Im nächsten Jahr sollen weitere Standorte dazukommen. Auf der Agenda stehen Düsseldorf, Berlin, Leipzig und Stuttgart.
Schon jetzt ist der Bereich mit einem Umsatzanteil von 20 Prozent eine wichtige Säule des Geschäftsmodells. „Es zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind“, sagt Nadine Herbrich. 2018 hatten sie und ihr Geschäftspartner Cocco, beide studierte Betriebswirte, ihre gut bezahlten Jobs gekündigt und Deutschlands ersten nachhaltigen Abholservice für recyclebare Wertstoffe gestartet – mit 25.000 Euro Startkapital aus einer Crowdfunding-Kampagne und von der Hertie-Stiftung. Heute arbeiten 23 Beschäftigte für das Unternehmen. Vor allem Fahrer werden immer gesucht. Recyclehero verdient Geld, aber profitabel ist das Start-up noch nicht. Im Vordergrund steht das Wachstum.
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„Uns geht es darum, Lösungen anzubieten und einen Beitrag zu leisten, dass sich etwas ändert“, sagt Nadine Herbrich. Mit den Einnahmen aus dem Pfand werden regelmäßig soziale Projekte unterstützt. Die Recyclehero-Gründer haben viele Pläne. „Das Potenzial ist groß.“ Dabei setzen sie auf die strategischen Investoren der aktuellen Finanzierungsrunde, die aus der Entsorgungs- und Logistikbranche kommen. „Das ist wichtig, um gemeinsam das Geschäftsmodell weiterzuentwickeln“, so Herbrich. „Für uns ein Quantensprung.“
Die nächste Neuerung ist Anfang des kommenden Jahres geplant. Im Januar erweitert Recyclehero den Abholservice in Hamburg und sammelt auch elektronische Geräte wie alte Handys, Laptops und Tablets ein. Diese sollen über Gebrauchtanbieter gecheckt, aufgearbeitet und verkauft oder, wenn das nicht geht, als Ersatzteile genutzt werden.
Recycling in Hamburg: Gründer haben große Vision
Für die beiden Gründer ist das zusätzliche Angebot nur ein Schritt auf dem Weg zu ihrer großen Vision. „In zehn Jahren ist Recyclehero europaweit die App, die den Verbraucher dabei unterstützt, etwas sinnvoll und umweltgerecht in den Kreislauf zurückzuführen“, sagt Alessandro Cocco. „Die Suchmaschine für die Kreislaufwirtschaft.“