Hamburg. Immer mehr XXL-Müllsäcke werden ungenehmigt auf öffentlichem Grund abgestellt. Nutzern droht ein Bußgeld. Was sie wissen sollten.
Sie blockieren Fußwege, Parkplätze oder Abstellflächen für Fahrräder – am Krohnskamp und an der Dorotheenstraße, an der Gertigstraße und am Mühlenkamp. In Winterhude und in ganz Hamburg-Nord werden mit Bauschutt oder Gartenabfällen gefüllte Big Bags, die ohne Genehmigung auf öffentlichem Grund abgestellt werden, zum immer größeren Problem.
2021 wurden nach Angaben des Bezirksamts 652 illegale Big Bags festgestellt, im vergangenen Jahr waren es 767. In keinem Fall war die dafür erforderliche Sondernutzungsgenehmigung eingeholt worden. Betroffen seien überwiegend eng bebaute Gebiete wie Eppendorf und Winterhude, wo schon die umstrittenen rosa Säcke für Unmut sorgen.
Winterhude: Illegale Big Bags behindern Fußgänger, Radfahrer und Parkplatzsuchende
Die Zahlen erfuhr der CDU-Bezirksabgeordnete Philipp Kroll, der eine Schriftliche Anfrage zu den Big Bags an das Bezirksamt gestellt hat. „Im Quartier rund um den Mühlenkamp häufen sich gefüllte Big Bags, die wochenlang nicht abgeholt werden und Fußgänger, Radfahrer und Parkplatzsuchende behindern“, begründet Kroll, der selbst in Winterhude lebt, sein Nachhaken.
Mindestens in jeder dritten Straße ständen Big Bags, sagt er. Oft würden diese dann zusätzlich von Passanten und Anwohnern mit Hausmüll und Pappbechern missbraucht. Das erschwere das sortenreine Recycling durch die Unternehmen, die die Big Bags verkauften und auch für die Entsorgung der jeweiligen XXL-Müllsäcke zuständig sind. Zudem würden Vögel und Wind nachträglich hineingestopften Abfall in der Gegend verteilen.
Big Bags: Sondernutzungsgenehmigung auch auf privaten Verkehrsflächen notwendig
Das Problem: Es können zwar die zuständigen Entsorgungsunternehmen ermittelt werden (das steht auf den Big Bags), nicht aber, wer sie erworben und aufgestellt hat. Das wäre nur dann möglich, wenn das Bezirksamt bei Beschwerden über nicht abgeholte Big Bags einen Abgleich mit der für den Standort erteilten Sondernutzungsgenehmigung vornehmen könnte, so Kroll.
Diese Erlaubnis benötige man auch für das Abstellen auf privaten Verkehrsflächen, betont das Bezirksamt. Die Kosten dafür betrügen mindestens 53,60 Euro im Monat, hingen aber von der Örtlichkeit (alle Straßen sind einer Wertstufe zugeordnet), der Flächengröße und dem Zeitraum ab.
Bezirksamt Hamburg-Nord hat keine Zahlen zu Sondernutzungsgenehmigungen für Big Bags
Zahlen dazu, wie viele Sondernutzungsgenehmigungen für Big Bags in 2022 generell erteilt wurden, lägen nicht vor, so Sprecher Alexander Fricke. Auch, ob im Fall der 767 illegalen Big Bags keine Genehmigungen beantragt wurden oder ob diese abgelaufen waren, kann man im Bezirksamt nicht sagen.
Gebe es entsprechende Beschwerden von Bürgern und Bürgerinnen, Meldungen über die Stadtreinigungs-App oder den Meldemichel oder auch Sichtungen der Wegewarte, würde die jeweiligen Standorte mit den genehmigten Sondernutzungserlaubnissen abgeglichen, so Sprecher Alexander Fricke.
Stadtreinigung hat in Hamburg 2022 rund 300 illegale Big Bags entsorgt
Stünden Big Bags nach Ablauf der Genehmigung im öffentlichen Raum, handele es sich um eine unerlaubte Sondernutzung, so Fricke. Je nach Anzahl der illegalen Big Bags und Dauer der Nutzung drohe dann ein Bußgeld sowie eine um mindestens 100 Euro erhöhte Sondernutzungsgebühr.
Egal, ob eine Sondernutzungsgenehmigung ungültig ist oder gar keine vorliegt: Für die Entsorgung der illegalen Big Bags wird die Stadtreinigung eingeschaltet. Diese wendet sich dann entweder an das Unternehmen, von dem die Big Bags stammen, oder wird – sofern dieses nicht ermittelt werden kann – selbst tätig. „In 2022 haben wir hamburgweit rund 300 Big Bags entsorgt, die keinem Vertreiber zugeordnet werden konnten“, sagt Stadtreinigungssprecher Kay Goetze.
Illegale Big Bags – Entsorgung kostet zwischen 70 und 120 Euro pro Stück
Generell gebe es eigentlich keinen nachvollziehen Grund, warum die Leistung der Entsorgung nicht in Anspruch genommen werde. Der Preis für die Anschaffung sei „all in“ – beinhalte also Kauf, Nutzung beziehungsweise Befüllung, sowie die Abholung, die der Kunde nach Beendigung der Maßnahme per Telefon oder QR-Code in Auftrag gebe.
Muss die Stadtreinigung dennoch illegale Big Bags abholen, kann das teuer werden. Je nach Aufwand, Personalstunden, Spezialgeräten (Hakenwagen) und Entsorgungskosten werden laut Götze zwischen 70 und 120 Euro pro Big Bag fällig. Diese würden, „je nach Beauftragung, zum Teil auch den Bezirksämtern in Rechnung gestellt“.
Hamburg: 2022 kostete Entsorgung von illegalem Müll rund 19,5 Millionen Euro
Mit der steigenden Menge erhöhen sich für die Stadt auch die Kosten für die Beseitigung. So musste sie im vergangenen Jahr für die Entsorgung von insgesamt 44.338 Kubikmeter illegalem Müll rund 19,55 Millionen Euro zahlen.
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Das erfuhr der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Sandro Kappe, der im März dazu eine Kleine Anfrage gestellt hatte. 2021 waren es demnach 41.949 Kubikmeter und knapp 16,4 Millionen Euro gewesen, im Jahr 2013 dagegen „nur“ 14 Kubikmeter, dessen Entsorgung knapp 2,6 Millionen Euro kostete.
Winterhude: Illegale Entsorgung der Big Bags häufig wohl aus Unkenntnis
Kappe fordert sogenannte „Kiezhausmeister“, die nach Berliner Vorbild das generelle Müllproblem durch Tausch- und Sperrmüllmärkte, Sensibilisierung für korrekte Müllentsorgung und Unterstützung bei Nachbarschaftsaktionen angehen – und auch bei illegal abgestellten Big Bags schnell eingreifen könnten.
Phlipp Kroll dagegen fordert, deutlicher zu machen, dass für das Aufstellen der Big Bags eine Sondernutzung beantragt werden muss. „Das wissen viele Kunden gar nicht, weil sie beim Kauf im Baumarkt oder im Internet nicht oder nur unzureichend darauf hingewiesen werden“, sagt er. Er nehme an, dass die illegale Müllentsorgung in nicht genehmigten Big Bags in vielen Fällen unbeabsichtigt sei.