Hamburg. Der Bau eines Brennstoffzellentriebwerks macht Fortschritte. Das Abendblatt schaute im Werk auf Finkenwerder vorbei.

Die grauen Lamellen erinnern optisch ein bisschen an hintereinandergeklebte Bierdeckel – doch für Airbus sind sie der Ausgangspunkt der geplanten Technologierevolution. Jede dieser Lamellen ist eine Brennstoffzelle. Hunderte davon wurden miteinander verspannt. So entstand ein Stack (Stapel) von Brennstoffzellen. „Damit erreichen wir eine Leistungsklasse von 100 bis 200 Kilowatt pro Stack“, sagt Hauke Peer Lüdders: „Das ist gut – reicht aber bei Weitem nicht aus, um ein Flugzeug anzutreiben.“

Darauf aufbauend forschte das international aufgestellte Team um den Entwicklungsleiter für Brennstoffzellentriebwerke weiter – und machte deutliche Fortschritte.

Airbus will bis 2035 ein "grünes" Flugzeug auf den Markt bringen

Der DAX-Konzern hat große Pläne. Bis 2035 will er ein „grünes“ Flugzeug auf den Markt bringen. Es soll mit Wasserstoff angetrieben werden, der aus regenerativen Energien hergestellt wurde. Dafür gibt es zwei Möglichkeiten: Erstens die Verbrennung in einer Gasturbine, an der das Unternehmen schwerpunktmäßig an anderen Standorten tüftelt. Zweitens den Einsatz in einer Brennstoffzelle, um den sich im Zentrum für Angewandte Luftfahrtforschung (ZAL) auf Finkenwerder das Team um Lüdders kümmert.

„Wir arbeiten an einem Triebwerkskonzept, das auf der Basis von Brennstoffzellen elektrisch funktioniert. Damit kann man frei von Emissionen fliegen, Kohlenstoffoxide, Stickoxide und Kondensationsstreifen werden vermieden“, sagt der 38-Jährige.

Der promovierte Flugzeugsystemtechniker sieht darin eine Chance, um eine neue Generation von Triebwerken und Flugzeugen zu konstruieren und weg vom Kerosinverbrennen zu kommen. „Die Brennstoffzelle hat den Riesenvorteil, dass sie aus Wasserstoff und Sauerstoff, den wir aus der Luft entnehmen, über eine elektrisch-chemische Reaktion direkt Elektrizität erzeugen kann“, sagt Lüdders. Eine sehr effiziente Technik.

Kommerzieller Einsatz der Technologie ist laut Airbus noch offen

Weil die Technologietreiber dafür bisher fehlen, mischt Airbus selbst in dem Markt für Antriebe mit. Normalerweise überlässt man die Entwicklung von Triebwerken anderen Firmen wie Rolls-Royce, Pratt & Whitney und General Electric. „Für uns ist wichtig zu prüfen, ob diese Technologie funktioniert“, sagt Lüdders. Vollkommen offen sei, ob man damit später auch in den kommerziellen Einsatz gehe, also sie selbst in Serie produzieren will.

Im ZAL auf Finkenwerder konnte sich unsere Redaktion den Fortschritt auf dem langen und schwierigen Weg zur neuen Antriebsart anschauen. Der Brennstoffzellenstack ist Teil einer etwa drei Meter langen und hüfthohen Anlage mit unzähligen Leitungen.

Um die Leistung zu erhöhen, wurden mehrere Stacks, die Airbus aus dem mit dem Automobilzulieferer ElringKlinger gegründeten Gemeinschaftsunternehmen Aerostack bezieht, zu einem Modul zusammengefasst. „Das ist das erste von uns selbst entwickelte Brennstoffzellensystem in einer Leistungsklasse von 200 Kilowatt“, sagt Lüdders, der vor der Anlage in einer Halle steht. Auf dem Systemprüfstand im ZAL verliefen umfangreiche Tests erfolgreich.

Neues Antriebssystem von Airbus wird in Bayern getestet

Nun erfolgen nahe München die nächsten Untersuchungen. Im Systemhaus für elektrisches Fliegen in Ottobrunn werden sechs dieser Systeme zusammengeschaltet, um in die Megawatt-Klasse vorzudringen. Denn vorgesehen ist, dass ein Triebwerk eine Leistung von 2,5 Megawatt bringt. „Dann reichen vier Triebwerke aus, um ein Flugzeug mit circa 100 Passagieren in die Luft zu heben“, sagt Lüdders.

Wie die „grünen“ Flugzeuge aussehen werden, ist eine der spannendsten Fragen. Als Airbus im September 2020 die Pläne für den wasserstoffangetriebenen Flieger vorstellte, erregte vor allem der Blended-wing-Body Aufsehen. Er sieht aus wie ein B2-Kampfbomber, wird zunächst aber wohl nicht gebaut werden. „Der Nurflügler wird wahrscheinlich nicht 2035 in den Markt kommen und nicht das erste Wasserstoffflugzeug sein. Aber es ist nicht absurd, dass er irgendwann in den Markt kommt“, sagt Nicole Dreyer-Langlet, die bei Airbus in Deutschland den Bereich Forschung und Technologie leitet.

Airbus: Diese Vor-und Nachteile haben Wasserstoff

Die beiden anderen vorgestellten Konzepte sind auf den ersten Blick herkömmlichen Flugzeugen mit Propeller- oder Turbinenantrieb sehr ähnlich. Man werde das Flugzeug quasi um die Systeme herumbauen, sagt die 47 Jahre alte Wirtschaftsingenieurin. Dabei haben die Tanks wegen ihrer Größe starken Einfluss und müssten Teil der Struktur sein.

Wasserstoff hat zwar den Vorteil, für die gleiche Energiemenge wie Kerosin nur ein Drittel des Gewichts zu veranschlagen, aber dafür braucht er das vierfache Volumen. Zudem muss er bei minus 253 Grad Celsius im verflüssigten Zustand an Bord untergebracht werden. Das kann durch ein Vakuum zwischen zwei Metallschichten gelingen, ähnlich wie bei einer Thermoskanne.

Die Oberfläche sollte dann aber möglichst klein sein – das spricht gegen die Unterbringung im Flügel, wo in den jetzigen Fliegern viel Kerosin gespeichert wird. Als ideal für Tanks mit flüssigem Wasserstoff gelten Kugel- oder Zylinderformen. Daher muss das Flugzeugdesign für den Wasserstoffantrieb angepasst und optimiert werden.

Wasserstofftanks könnten hinter den Passagieren platziert werden

Künftig werden sich Start- und Landegewicht nicht mehr so stark voneinander unterscheiden. Denn wegen der höheren Energiedichte wird weniger Wasserstoff als Kerosin verbraucht werden. Dafür muss aber dauerhaft mehr Gewicht für die Tankstrukturen mitgeschleppt werden, bei deren Entwicklung man vor allem mit der Raumfahrtsparte in Bremen kooperiert. Gerechnet wird damit, dass die Tanks hinter den Passagieren im Heck eingebaut werden – als blauer Bereich auf dem Foto der Konzeptflieger zu sehen.

Die Rückkehr zu vier Motoren gilt als sehr wahrscheinlich. Jeweils zwei dürften am linken und rechten Flügel montiert werden. Zwar gab es zuletzt den Trend zu nur noch zwei Triebwerken wie man an den neu entwickelten A350 und Boeings 787 Dreamliner erkennt. Das senkt sowohl die Sprit- als auch die Wartungskosten erheblich. „Aber bei solchen Technologierevolutionen wie dem elektrischen Fliegen ändern sich die Paradigmen“, sagt Lüdders. So hat das im Konzern entwickelte Lufttaxi Cityairbus gleich acht Propeller, die für das senkrechte Starten und Landen sowie Fliegen sorgen sollen.

Brennstoffzellen für Flugzeuge sind laut Airbus noch zu sperrig

Noch sei offen, welcher Wasserstoffflieger später umgesetzt wird. „Entscheiden werden wir uns erst in ein paar Jahren“, sagt Dreyer-Langlet und ergänzt: „Es sind alles relevante und nachvollziehbare Konzeptflugzeuge und keine Hirngespinste.“

Bis die Brennstoffzellen für den Einsatz in der Luft geeignet sind, müssen sie allerdings noch deutlich kompakter konstruiert werden. Momentan sei die etwa drei Meter lange Anlage bewusst groß und weitläufig gebaut worden. Es sei viel Sensorik eingebaut worden, um viele Messungen durchführen zu können und alle Details über das Verhalten von Wasserstoff zu erfahren.

Später soll das Brennstoffzellensystem direkt in der etwa acht Meter langen Triebwerkseinheit sitzen und dürfte einem ersten Modell nach grob geschätzt vielleicht einen Meter lang und in der Höhe etwas flacher sein. Die ganze Technik muss dabei, wie in der Luftfahrt üblich, großen Druck- und Temperaturunterschieden sowie Vibrationen gewachsen sein. Es warten noch viele Herausforderungen, doch man ist optimistisch, diese zu meistern. Zum Beispiel auch bei der Robustheit der Brennstoffzellen. Aber selbst wenn einer der Antriebe mal gestört sei, könne die Maschine mit den anderen problemlos weiterfliegen – das ist auch bei den heutigen Jets der Fall.

Viele technische Fragen sind bei Wasserstoff-Flugzeugen noch offen

Verwendet werden soll der Wasserstoff auf jeden Fall bei einer Temperatur von mehr als 0 Grad Celsius. Offen ist, an welcher Stelle der minus 253 Grad kalte Wasserstoff vom flüssigen in den gasförmigen Zustand gebracht wird. Das könne direkt am Tank passieren und in den Leitungen gasförmiger Wasserstoff zum Triebwerk transportiert werden oder erst im Triebwerk. Egal auf welchem Weg, Sicherheitsrisiken sieht Lüdders nicht, auch weil die Energiezufuhr schnell abgedreht werden kann: „Airbus als Weltmarktführer in der Luftfahrt steht für die Sicherheit im Luftverkehr, und das werden wir auf keinen Fall durch eine neue Technik riskieren.“

Die drei möglichen Wasserstoffflieger: der Nurflügler (links oben), die ­Turboprop-Variante (rechts oben) und das Turbofan-Design
Die drei möglichen Wasserstoffflieger: der Nurflügler (links oben), die ­Turboprop-Variante (rechts oben) und das Turbofan-Design © Airbus

Doch der Flieger ist das eine, eine für ihn benötigte Infrastruktur das andere. Damit ab dem Jahr 2035 auch genügend Energie für die Wasserstoff-Flieger vorhanden ist, erhöhte Airbus in den vergangenen Monaten weltweit den Druck auf Politik sowie Industrie und fordert einen Schulterschluss aller Beteiligten. „Die In­frastruktur muss bereits jetzt geschaffen werden“, sagt Dreyer-Langlet. Man sehe sich in einer Vermittlerrolle, quasi als Katalysator, zwischen verschiedenen Playern wie Investoren und Flughafenbetreibern.

Doch für die nächsten Jahre sei zunächst der Ausbau von Sustainable Aviation Fuel (SAF) notwendig. Für dessen Herstellung wird Kohlendioxid (CO2) aus der Atmosphäre entnommen und zusammen mit Wasserstoff zu einem synthetischen Rohöl verarbeitet. Fliegen Jets mit diesem Treibstoff, emittieren sie dieselbe Menge CO2 in die Atmosphäre und bewegen sich unter dem Strich CO2-neutral, lautet die Argumentation des Bundesverbandes der Deutschen Luftverkehrswirtschaft.

Airbus will bis 2030 alle Flugzeuge nachhaltig fliegen lassen

Bei der Verbrennung des Sprits in der Höhe werden laut Umweltbundesamt neben CO2 aber auch kleinere Mengen der Treibhausgase Methan und Lachgas sowie Stickoxide frei. Er trägt also weiter zur Verschmutzung der Umwelt bei.

Der Konzern gibt das Ziel aus, dass bis 2030 alle Airbus-Jets zu 100 Prozent mit SAF fliegen können. Derzeit können bis zu 50 Prozent beigemischt werden – tatsächlich verwendet wird es aber zu weniger als einem Prozent. Weil es nicht genügend SAF zu marktfähigen Preisen gibt. Doch wegen der bestehenden Flotte, die noch Jahrzehnte geflogen werden soll, müsse die Zeitstrecke bis 2045 von SAF dominiert werden, sagt Dreyer-Langlet: „Wir starten jetzt mit den wasserstoffbasierten Flugzeugen. Bis wir eine Marktdurchdringung haben, wird es aber noch eine Zeit dauern.

Eins ist aber klar: Zum Null-Emissions-Flugzeug gibt es keine Alternative.“ Zu groß ist der Druck auf die Branche, die für etwa 3,5 Prozent der menschengemachten Klimaerwärmung verantwortlich gemacht wird.

Airbus will A380 als Testflugzeug einsetzen

Für die nächsten Schritte auf dem Weg zum „grünen“ Flieger greift man übrigens auf ein Auslaufmodell zurück. Ein A380, der seit 2019 nicht mehr gebaut wird, soll als Testflugzeug eingesetzt werden.

Der Konzern plant, neben den herkömmlichen vier Turbinen am oberen Rand des Rumpfes hinter den Tragflächen ein fünftes Triebwerk zu installieren. Durch diesen besonderen Montageort sollen die Umweltbelastungen wie Emissionen und Kondensstreifen genau gemessen werden, und zwar unabhängig von den vier Triebwerken, die den A380 antreiben. „Der Demonstrator soll zwischen 2026 und 2028 fliegen – ich hoffe eher früher als später“, sagt Lüdders und hofft, dass das von seinem Team entwickelte Brennstoffzellentriebwerk dann an Bord des größten Passagierflugzeugs der Welt ist.