Hamburg. Benjamin und Janina Lin Otto sprechen exklusiv über ihr digitales Projekt namens „Holi“. Das Ziel: engagierte Menschen zu vernetzen.
Als Unternehmer haben die Ottos schon zahlreiche Geschäftsideen gestartet. Konzern-Erbe und Otto-Aufsichtsrat Benjamin Otto (48) engagiert sich als Investor bei Start-ups und im Venture-Capital-Bereich. Er hat den Onlinehändler About You mitgegründet, begleitet das Unternehmen bis heute als Gesellschafter. Auch seine Frau Janina Lin Otto (38) war mit ihrer Firma Frau Ultrafrisch mehrere Jahre lang unternehmerisch tätig und ist aktuell unter anderem als Podcasterin aktiv.
Mit ihrem neuesten Projekt setzt das prominente Ehepaar allerdings auf einen Mehrwert anderer Art. Es heißt Holi und ist eine neuartige Online-Plattform, die sie gemeinsam mit dem Hamburger Piet Mahler gegründet haben. „Holi ist ein digitales Ökosystem, über das sich gemeinnützige Initiativen, Netzwerke, Vereine und Organisationen sowie engagierte Menschen vernetzen können“, sagt Benjamin Otto. Es soll der Ort im Internet für Menschen werden, um gemeinsam in Aktion zu treten. Oder etwas verkürzt: eine Art Tinder für den sozialen Wandel.
Benjamin Otto: Neuer digitaler Ort für soziales Engagement
„Die Herausforderungen unserer Zeit lassen sich nur gemeinsam lösen“, sagt Janina Lin Otto. Passend dazu hat sich das Gründerpaar zum Gespräch mit dem Abendblatt im sogenannten Collabor8 verabredet, einer Coworking-Fläche auf dem Otto-Campus in Bramfeld – auch eine Idee von Benjamin Otto. Aber während es hier normalerweise um Vermarktungsstrategien, Produktinnovationen oder Teambuilding der Otto-Beschäftigten geht, reicht das Spektrum, das die Ottos für Holi im Blick haben, von Bildung über Gesundheit bis zu gesellschaftlicher Spaltung und Klimakrise. Die ganz großen Themen eben.
Schon 2018 haben sie die Holistic Foundation gegründet, mit der sie Veränderungen in der Gesellschaft initiieren und vorantreiben wollen. Nach dem Bildungscampus Life Hamburg ist Holi das zweite Leuchtturmprojekt der Stiftung. In den nächsten Jahren will das Ehepaar dafür einen hohen Millionenbetrag zur Verfügung stellen.
Holi: Projekt der Otto-Erben soll Kollaboration fördern statt Spaltung
„Es gibt viele Ideen und Initiativen, wie man die Welt besser machen kann. Aber wir müssen jetzt vom Reden ins Handeln kommen. Es ist höchste Zeit“, sagt Benjamin Otto. Holi soll einen professionellen Rahmen und Strukturen bieten, damit diese Initiativen ihr Potenzial voll ausschöpfen und aus der Nische kommen können.
„Im Moment gibt es nur Schotterpisten, die sozial nachhaltiges Engagement miteinander verbinden, wir wollen eine Autobahn“, macht Janina Lin Otto die Intention mit einem Vergleich deutlich. Dabei geht es den Initiatoren auch darum, einen Gegenentwurf zu bestehenden Plattformen wie Facebook & Co. zu entwickeln, mit positiven Nachrichten, konstruktiven Lösungsbeispielen und sinnhaften Kollaborationen.
Gegründet wurde Holi Ende 2022. „Wir haben mit vielen engagierten Menschen gesprochen, um herauszufinden, was sie brauchen, um effizienter zu arbeiten“, sagt Benjamin Otto. Wichtig ist ihm, dass Holi neben passenden Vernetzungs- und Informationsangeboten zu Themen wie Klimaschutz, Politik und Gesellschaft, geistige und körperliche Gesundheit, Bildung und Wissenschaft oder Biodiversität und Tierschutz und auch konkrete Werkzeuge für gemeinnütziges und soziales Engagement bietet.
So sollen Management-Tools für Crowdfunding, Kommunikation, Spenden, Freiwilligenarbeit, Projektmanagement oder Datensicherheit integriert werden. Frei verfügbar und direkt nutzbar, sowohl für größere Netzwerke als auch für lokale Initiativen.
30 Beschäftigte arbeiten schon für das neue Sozial-Start-up
„Das, was wir machen, gibt es weltweit so noch nicht“, sagt der Enkel von Versandhausgründer Werner Otto. Aktuell arbeiten 30 Frauen und Männer an Holi, darunter zahlreiche Software-Entwickler. Das Team soll noch deutlich wachsen. Operativ geleitet wird das Sozialunternehmen von Geschäftsführer Piet Mahler. Der Betriebswirt war vorher bei Risk.Ident, einer anderen Otto-Firma und Marktführer für digitale Betrugsprävention. Seit September gibt es eine Beta-Version der neuen Plattform, die in App-Stores von Apple und Google heruntergeladen oder über das Internet aufgerufen werden kann. „Die erste Resonanz ist sehr positiv“, sagt Janina Lin Otto. Noch sei das Projekt aber in einem frühen Stadium.
Als Partner dabei sind derzeit Viva con Agua (Entwicklungshilfe), Aktion Mensch (Menschen mit Handicap), Haus des Stiftens (Stifter-Unterstützung), 105 Viertel Hamburg (Kreativraum-Vermittlung), Plan 2030 Berlin (Stadtentwicklung) und das Weizenbaum-Institut (digitale Vernetzung). Außerdem arbeitet Holi mit externen Unternehmen zusammen. So liefert die Plattform Goodnews.eu positive Nachrichten, und Betterplace.org empfiehlt Spendenprojekte. Auch auf der politischen Ebene ist die Idee inzwischen angekommen. „Wir reden mit verschiedenen Ministerien und Organisationen“, sagt Benjamin Otto. Darunter das Bundesbildungsministerium, die Hamburger Finanzbehörde und der Rat für nachhaltige Entwicklung.
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„Wir haben eine Vision und wollen einen Beitrag leisten“, sagt Janina Lin Otto. „Die aktuellen Krisen zeigen es: Die Probleme, die wir haben, wurden von Menschen verursacht. Aber wir sind sicher, dass Menschen in der Gemeinschaft auch Teil der Lösung sind. Daher schaffen wir neben dem digitalen Holi auch einen physischen Ort. Das ist der Gründungsgedanke hinter dem anderen großen Projekt der Holistic Foundation: dem Zukunftscampus Life Hamburg.
Seit die Ottos selbst Kinder haben, treibt sie die Frage nach zeitgemäßen Bildungsformen um. Entstehen soll der neue Lernort am Rande des Otto-Geländes in Bramfeld auf einer Fläche von 15.000 Quadratmetern. Geplant ist ein mehrstöckiger Neubau, in den unter anderem eine neue Schule einziehen soll. Entstehen soll ein Ort, an dem lebenslanges und selbstbestimmtes Lernen angeboten wird, aber auch neue Arbeitsformen, Gesundheits- und Freizeitangebote mit verschiedenen Partnern zusammengeführt werden sollen.
Benjamin Otto: „Holi hat das Potenzial, etwas Großes zu werden“
Die Vorbereitungen laufen seit 2019. Nachdem sich Pläne für die Gründung einer Privatschule mit der internationalen Bildungsinitiative Learnlife in einem bereits bestehenden Gebäude zerschlagen haben, laufen den Angaben zufolge inzwischen Gespräche mit der Schulbehörde über die Gründung einer öffentlichen Schule oder einer Schule in privater Trägerschaft. Auch der erste Entwurf für das Life-Gebäude wurde inzwischen noch mal überarbeitet. „Wir erwarten eine Baugenehmigung für Anfang des zweiten Quartals nächsten Jahres“, sagt Benjamin Otto. „Die Fertigstellung ist für 2026 geplant.“
Erst einmal wird in den nächsten Monaten viel Zeit und Kraft in das Projekt Holi gehen. Vorstellbar ist auch die Vernetzung mit anderen Stiftungen der großen Otto-Familie, wie der Umweltstiftung seines Vaters Michael Otto. 2024 und die Folgejahre sollen zeigen, ob die Idee in der Realität Bestand hat. „Wenn es funktioniert, hat Holi das Potenzial, etwas Großes zu werden.“ Da gehen die Ottos ganz unternehmerisch ran.