Hamburg. Bis 2025 entsteht in Bramfeld ein Haus des Lernens. Investitionen im zweistelliger Millionenhöhe geplant. Über das erste Projekt.
Es ist eine große Vision. Im Sommer 2019 hatten Benjamin und Janina Lin Otto angekündigt, einen neuen innovativen Lern- und Lebensort in Hamburg zu stiften. Unter dem Namen Life Hamburg will das Unternehmerpaar lebenslanges und selbstbestimmtes Lernen von Kita und Schule anbieten, aber auch neue Arbeitsformen, Gesundheits- und Freizeitangebote mit verschiedenen Partnern zusammenführen.
Der Versandhauserbe, der als gestaltender Gesellschafter im Aufsichtsrat der Otto-Gruppe sitzt, und seine Frau wollen damit einen Betrag leisten, „die enormen Herausforderungen der Zeit zu meistern“. Die Planungen für den futuristischen Neubau sind inzwischen weitestgehend abgeschlossen. „Wir haben ein Grundstück, einen Entwurf und einen Zeitplan, der eine Fertigstellung bis 2025 vorsieht“, sagt Janina Lin Otto dem Abendblatt. „Jetzt können wir starten.“
Life Hamburg: Schule soll im Sommer eröffnen
Schon jetzt arbeiten die Ottos unter anderem mit der internationalen Bildungsinitiative Learnlife an ersten Schritten zur inhaltlichen Umsetzung ihres Projekts. Im nächsten Sommer soll eine neue private Schule eröffnen, zunächst in einem bereits bestehenden Gebäude ebenfalls in Bramfeld. Als sogenannter Lernhub in Form einer Grund- sowie Stadtteilschule durchbricht der pädagogische Ansatz von Learnlife klassische Unterrichtsangebote. Nach dem Umzug in den Life-Neubau wäre es zudem die wohl erste Schule auf einem Firmengelände. Aktuell liegt der Antrag für die Ersatzschule in freier Trägerschaft bei der Schulbehörde.
Seit die Ottos selbst ein Kind haben, treibt sie die Frage nach zeitgemäßen Bildungsformen um. „Die Welt steht am Anfang eines globalen Umbruchs“, sagt Janina Lin Otto. Die Menschen seien die Ursache für viele große Probleme wie den Klimawandel, aber zugleich auch Teil der Lösung. „Dafür wollen wir Bewusstsein schaffen und Menschen befähigen, ihre Begabungen einzusetzen.“ Das Ehepaar hat die Stiftung Holistic Foundation gegründet. Life Hamburg gehört zu den ersten Vorhaben.
Life Hamburg ist ein Experiment
Parallel fördert die Stiftung im Rahmen des Programms Update Deutschland mehrere Initiativen, die den gesellschaftlichen Wandel vorantreiben. Außerdem ist eine digitale Plattform im Aufbau, über die künftig die Vernetzung von Ideen und Kontakten ermöglicht werden soll. „Es geht darum, wie wir gemeinschaftlich daran arbeiten können, die Welt zu einem besseren Ort zu machen“, sagt Benjamin Otto, der mit seiner Frau den Stiftungsvorstand bildet.
Dabei ist Life Hamburg eine Art Leuchtturmprojekt – und auch ein Experiment. Das Gebäude, das auf einem Eckgrundstück auf dem Areal der Otto-Zentrale in Bramfeld entsteht, soll Raum für unterschiedlichste Lebensbereiche und generationsübergreifendes Lernen bieten. Geplant sind neben Schule und Kita auch Hochschulangebote sowie Räume für Sport-, Gesundheits- und Freizeitmöglichkeiten von Yoga über Meditation und klassische chinesische Medizin bis zu Urban Gardening und Kunstkursen für alle Altersgruppen vom Kleinkind bis Senioren. Es soll ein Café und Bistro geben, genauso wie einen großen Spielplatz auf dem Außengelände.
„Wir wollen einen einladenden Ort schaffen"
In den ersten Planungen hatte der Bau die Form einer liegenden Acht. Nach Beratungen mit Experten und Behörden sieht der Entwurf von Behnisch Architekten aus Stuttgart jetzt eine Nutzfläche von 12.000 Quadratmetern auf drei Stockwerken vor. „Wir wollen kein Prestigegebäude, sondern einen einladenden Ort schaffen, der so inklusiv wie möglich ist und maximale Flexibilität bietet“, sagt Janina Lin Otto, die mit Mann und Kind auf einen Bauernhof lebt.
Auch Erweiterungsmöglichkeiten sind schon mitgedacht. Gebaut wird nachhaltig vor allem mit Holz. Die Energieversorgung soll über Solarpaneele auf dem Dach erfolgen. Mittelpunkt des Gebäudes ist eine Art Aula mit Platz für 500 Personen. Insgesamt ist der Bau für 1500 Menschen ausgerichtet. Aktuell werden auf dem Grundstück an der Ecke Werner-Otto-Straße/Haldensdorfer Straße das dort bislang stehende Seminargebäude und eine sogenannte Musterhalle abgerissen, die auf dem Otto-Gelände umziehen. Spätestens Anfang 2023 sollen die Bauarbeiten starten.
Zweistelliger Millionenbetrag für das Life-Projekt
„Wir werden innerhalb der kommenden fünf Jahre einen zweistelligen Millionenbetrag für die Stiftung und ihre Projekte zur Verfügung stellen“, sagt Benjamin Otto. „Allein für das Life-Projekt werden wir voraussichtlich einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag zur Verfügung stellen.“ Die ECE-Gruppe, die über Alexander Otto auch ein Teil des Otto-Imperiums ist, übernimmt die Projektsteuerung. Inzwischen gibt es eine Geschäftsführerin, die die operative Arbeit bei Life-Hamburg übernimmt.
Für den Start der neuen Privatschule nach dem Learnlife-Konzept bereits im nächsten Sommer stehen die Chancen offenbar gut. Grundlage für die Genehmigung ist, dass ein „besonderes pädagogisches Interesse“ vorliegt, heißt es aus der Schulbehörde. Das heißt: Das Gründungsvorhaben muss eine sinnvolle Alternative zum bestehenden öffentlichen und privaten Schulangebot darstellen, die der Entwicklung des Schulsystems insgesamt zugutekommt.
Schule soll mit 24 Schülern starten
„Die formelle Prüfung läuft noch, wir gehen aber von einer Genehmigung aus und halten somit einen Schulstart zum kommenden Schuljahr für realistisch“, sagt Behördensprecher Peter Albrecht auf Anfrage.
Im Mittelpunkt des pädagogischen Konzepts stehen persönliche Lernprogramme, eine hohe Eigenverantwortung der Lernenden und ein Lern-Portfolio, das auch über eine digitale Plattform zugänglich ist. Lehrer heißen Lernbegleiter, gelernt wird gemeinschaftlich mit allen Altersgruppen in Form einer offenen Ganztagsschule. Beginnen soll die neue Schule mit 24 Schülern und Schülerinnen sowie vier Lehrern. Als weiterer Partner steht die bilinguale Kita MouseHouse in den Startlöchern, die dort 30 Plätze für Kinder von eins bis sechs Jahren anbieten will.
Benjamin Otto investierte in Learnlife
„Wir bringen eine weltweite Lerninnovation nach Hamburg“, sagt Christopher Pommerening, der Learnlife 2017 mit zwei Mitgründern in Barcelona ins Leben gerufen und die Inhalte mit internationalen Experten entwickelt hat. 2019 war Benjamin Otto mit einer Investitionssumme in Höhe von mehr als drei Millionen Euro bei Learnlife eingestiegen. In der spanischen Stadt nehmen inzwischen 200 Kinder und auch ältere Personen die Angebote wahr. Hamburg soll der zweite Standort werden.
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Planungen für die weitere Expansion laufen. „Als Hamburger freut es mich besonders, dass wir den Grundstein zu einer positiven Weiterentwicklung des Lernens in meiner Heimatstadt setzen, der als Startpunkt und Inspiration für weitere Projekte und Innovatoren in Deutschland und überall auf der Welt dienen wird“, sagt der 47-jährige Pommerening, selbst Vater von drei Kindern, der seit 23 Jahren in Spanien lebt. Nach sechs Jahren soll in Hamburg eine Gesamtgröße mit 350 Schülern erreicht sein.
Life Hamburg: Schulgeld und Stipendien geplant
Wichtig ist den Ottos, dass der Besuch der neuen Learnlife-Schule nicht vom Geldbeutel abhängt. Es werde Schulgeld geben, aber auch Stipendien. Ziel sei es, Bildungsangebote für möglichst viele Menschen zu öffnen. Auch hybride Formen in einer Mischung aus Angeboten in Präsenz und über das Internet seien möglich. Dabei soll das neue Modell des Wissenstransfers das Prinzip der Gegenseitigkeit fördern. „Es wird mehr als eine Schule, mehr als ein Bildungscampus. Es wird ein Zukunftscampus“, sagt Benjamin Otto. „Wir wollen sozialen Wandel erlebbar machen.“