Hamburg. Der Deutsche Aktienindex hat jüngst kräftig verloren. Wie sich regionale Titel geschlagen haben – und wie die Prognosen sind.

Statistisch gesehen sind Oktober und November eigentlich gute Börsenmonate – und standhafte Optimisten werden sich sagen: Das kann ja immer noch kommen. Doch derzeit scheinen die Chancen auf einen versöhnlichen Jahresabschluss für den Aktienmarkt stetig weiter zu schwinden. Seit dem Jahreshoch Ende Juli hat der Deutsche Aktienindex (DAX) um fast zehn Prozent nachgegeben. Noch stärker – um mehr als 15 Prozent – hat der Haspax, der Index der Titel aus der Metropolregion Hamburg, verloren.

Dabei gerät eines schnell aus dem Blick: Gegenüber dem Jahresbeginn liegt der DAX trotz der jüngsten Kursrückgänge immerhin noch um 6,5 Prozent im Plus. Der Haspax dagegen hat sich seit Anfang Januar um gut sieben Prozent abgeschwächt.

Aktien: Hamburger Titel verliert allein in diesem Jahr um mehr als 70 Prozent an Wert

Tatsächlich sind einige der im Regionalindex enthaltenen Werte extrem stark unter die Räder gekommen. Aktien des Industriekameraherstellers Basler haben seit Januar gar um 73,5 Prozent an Wert verloren. Das Management des Unternehmens, das nicht zuletzt die Computerchipindustrie beliefert, rechnet vor dem Hintergrund einer „anhaltenden Nachfrageschwäche auf den asiatischen und amerikanischen Märkten“ mit einem Rückgang des Auftragseingangs im ersten Halbjahr um 41 Prozent selbst nicht mehr mit einer Erholung vor Anfang 2024 und hat ein Kostensenkungsprogramm eingeleitet. In einer Studie aus dem September lobte ein Analyst des Bankhauses Hauck Aufhäuser zwar die Stellung von Basler als Weltmarktführer für Bildverarbeitungslösungen. Die in der Corona-Pandemie getätigten hohen Investitionen trügen bislang aber keine Früchte. Die Investmentempfehlung für die Aktie, die infolge der Kursschwäche aus dem SDAX herausfiel, lautete „Halten“.

Eine ebenfalls schwächere Nachfrage und der Umbau des Karrierenetzwerkes Xing haben den Recruiting-Spezialisten New Work, die Muttergesellschaft von Xing, zuletzt erheblich belastet, der Kurs ist gegenüber dem Jahresbeginn um gut 55 Prozent abgesackt. „Unternehmen sind viel zögerlicher beim Kauf unserer Lösungen zur Gewinnung von Fachkräften als vielfach prognostiziert, da sie zurzeit teilweise andere Prioritäten setzen“, hieß es in einem Brief des Vorstands an die Aktionäre. Wie der Berenberg-Analyst Wolfgang Specht im Oktober in einer Studie schrieb, dürfte New Work in diesem Jahr einen Rückgang von Umsatz und Gewinn verbuchen. Erst wenn der Jobmarkt wieder boome, sei die Rückkehr in eine Wachstumsphase möglich.

Aktie der Otto-Tochter About You notiert nur knapp über dem Allzeittief

Um 34,5 Prozent ist der Kurs des Wind- und Solarparkbetreibers Encavis seit Jahresbeginn gesunken. Ungünstige Wetterbedingungen und niedrigere Strompreise hatten den Gewinn unter Druck gebracht. Zudem sprächen auch steigende Anleiherenditen gegen die Branche, erklärte Analyst Sam Arie von der Schweizer Großbank UBS, denn damit würden Aktien von Versorgern mit ihrem vergleichsweise stetigen Geschäft weniger interessant. Das Analysehaus Warburg Research bestätigt jüngst aber die Einstufung von Encavis mit „Kaufen“. Die erweiterten Kapazitäten sollten das Unternehmen 2024 wieder auf den Wachstumspfad bringen, erwartet Analyst Jan Bauer.

Zwar ist der Kurs des Online-Modehändlers About You gegenüber Januar „nur“ um 24,5 Prozent gesunken. Doch die Anteilsscheine der Otto-Tochter sind seit Juli um knapp ein Drittel gefallen und notieren aktuell nur knapp oberhalb des Allzeittiefs vom Mai. Auch wenn sich das Management vor wenigen Tagen zuversichtlich zeigte, wie angekündigt in diesem Geschäftsjahr die Gewinnschwelle (vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen) zu erreichen, hat die US-Bank JP Morgan die Schätzungen für die Geschäftszahlen in den kommenden Jahren gesenkt.

Steigende Mieten helfen einem Hamburger Immobilienkonzern

An der Spitze der bisherigen Jahresgewinner im Haspax steht die Aktie des Mietwohnungsinvestors TAG Immobilien mit einem Plus von fast 59 Prozent. Wegen der stark gestiegenen Zinsen hat das Unternehmen zwar den Immobilienbestand in Deutschland um mehr als sieben Prozent abgewertet, was im ersten Halbjahr zu einem herben Verlust führte. Auf der anderen Seite profitiert der Konzern von einer starken Nachfrage nach Wohnraum: Die Nettokaltmiete legte in den ersten sechs Monaten um knapp drei Prozent zu. Aus Sicht des Analysten Andre Remke von der Baader Bank reduziert aber der höhere Fremdkapitalanteil am Gesamtwert des Immobilienportfolios das Kurspotenzial, die Anlageempfehlung lautet „Verkaufen“.

Bulle gegen Bär vor der Frankfurter Börse. Der Bär steht für eine träge Börse, der Bulle für steigende Kurse. Aktuell hat der Bär die Oberhand.
Bulle gegen Bär vor der Frankfurter Börse. Der Bär steht für eine träge Börse, der Bulle für steigende Kurse. Aktuell hat der Bär die Oberhand. © picture alliance / Markus Mainka | Markus Mainka

Wegen des Übernahmeangebots von MSC zählt auch die Aktie des Hafenkonzerns HHLA mit einem Kursplus von knapp 40 Prozent zu den stärksten Gewinnern im Haspax. Die operativen Zahlen hingegen hätten das wohl nicht hergegeben: Im ersten Halbjahr ist der Containerumschlag um fast zwölf Prozent gesunken. Christian Cohrs vom Analysehaus Warburg Research empfiehlt die Aktie denn auch zum „Verkauf“; der Preis, den MSC biete, sei attraktiv, dies sollten Anleger zum Ausstieg nutzen.

Analyst hält nicht viel von Fielmanns Schritt in den US-Markt

Um immerhin 15 Prozent liegen die Papiere des Telekommunikationsunternehmens Freenet im Plus. Im ersten Halbjahr haben sich nicht nur der Umsatz und der Gewinn leicht verbessert. Es gelang dem Unternehmen auch, die Kundenzahl des Bezahlfernsehprodukts waipu.tv um fast 19 Prozent seit Jahresanfang auf 1,2 Millionen zu steigern. Die Privatbank Berenberg hat vor wenigen Tagen das Kursziel für Freenet von 28 auf 30 Euro (aktuell: 23,44 Euro) angehoben und die Einstufung auf „Kaufen“ belassen. Der Mobilfunkanbieter habe reichlich Aussichten auf steigende Gewinne bei geringem Verschuldungsgrad, hieß es.

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Unter den Haspax-Titeln mit überdurchschnittlicher Kursentwicklung befindet sich auch die Optikerkette Fielmann (plus 12,4 Prozent). Der Aktie ist es in diesem Jahr gelungen, die herben Verluste des vorigen Jahres wenigstens zum Teil wieder auszugleichen. In den ersten sechs Monaten haben der Umsatz und der Gewinn um zweistellige Prozentsätze zugelegt. Berenberg-Analyst Graham Renwick empfiehlt, das Papier zu „Halten“. Er hält die langfristigen Margenziele von Fielmann für zu hoch gesteckt und er sieht auch den Einstieg ins US-Geschäft skeptisch, da es sich um einen wettbewerbsintensiven Markt handele.