Hamburg. Der MSCI World Index, Basis für viele der beliebten Fonds, sendet Verkaufssignale. Was Hamburger Aktienexperten dazu sagen.

Es ist ein unvorstellbar großer Betrag: Umgerechnet mehr als 51 Billionen Euro sind die Aktien wert, die dem Börsenindex MSCI World angehören. Gut 1500 unterschiedliche Titel aus 23 Industrieländern sind darin vertreten. Vor allem aber orientieren sich zahllose Investmentfonds an diesem breit angelegten Marktbarometer; allein 22 sogenannte ETFs, das sind börsengehandelte Indexfonds, mit einem Gesamtwert im dreistelligen Milliardenbereich, bilden den MSCI World unmittelbar nach.

Umso bedeutsamer ist es, wenn dieser Index starke Verkaufssignale liefert, wie er es kürzlich getan hat: Er ist unter die Linie seines 200-Tage-Durchschnitts gefallen, was von Charttechnikern als Anzeichen für das Einschwenken in einen Abwärtstrend interpretiert wird.

Doch es gibt noch andere beunruhigende Indikatoren: Der „Fear & Greed Index“ des US-Senders CNN, ein Messinstrument für die Stimmung am Aktienmarkt, weist auf extreme Angst der Anleger hin. Und in der Meinungsumfrage „Investor Sentiment Survey“ der US-Anlegervereinigung AAII ist der Anteil derer, die für die nächsten sechs Monate einen Börsenabschwung erwarten, zuletzt von Woche zu Woche gestiegen. „Ich sehe mehr Angst als jemals zuvor in meiner Geschäftskarriere”, sagte Larry Fink, der Chef des weltgrößten Vermögensverwalters BlackRock, vor wenigen Tagen auf einer Konferenz in Berlin.

Absturzängste an der Börse – jetzt aus ETFs aussteigen?

„Die Stimmung ist schon ziemlich schlecht“, beobachtet auch Carsten Klude, Chefvolkswirt beim Hamburger Privatbankhaus M.M. Warburg & CO. Sollten Privatanleger jetzt also aus Aktien und den wegen ihrer niedrigen Kosten beliebten ETFs aussteigen? Nein, meint Klude: „Wir raten eher, an Aktien festzuhalten.“

Carsten Mumm, Chefvolkswirt des Bankhauses Donner & Reuschel mit Sitz in Hamburg und München, gibt zu bedenken: „Wenn der Pessimismus am Markt sehr ausgeprägt ist, deutet das häufig eben gerade nicht auf einen starken Rücksetzer oder gar einen Crash hin.“ Denn, so Mumm: „Die zittrigen Hände haben schon verkauft.“

Zwischen Ende Juli und Anfang Oktober hat der MSCI World in der Spitze um 8,6 Prozent nachgegeben, was rein rechnerisch einen Wertverlust von mehr als vier Billionen Euro bedeuten würde. Auch der Deutsche Aktienindex (DAX) hat seit Ende Juli zeitweise um bis zu 8,5 Prozent nachgegeben, wobei sich beide Börsenbarometer zuletzt wieder etwas erholen konnten.

Auffällig ist, dass sich etliche Aktienmärkte auf der Welt wesentlich besser hielten als der MSCI World Index. Der Grund dafür: Auch wenn dieser Index vielen Privatanlegern als Inbegriff einer breiten Risikostreuung gilt, erfüllt er diesen Anspruch bei genauerem Hinsehen nur eingeschränkt. US-Aktien stellen derzeit mehr als zwei Drittel des Index-Marktwerts. Allein die fünf Technologiewerte Apple, Microsoft, Amazon, Alphabet (Google) und Meta (Facebook) kommen zusammen auf einen Anteil von gut 15 Prozent.

Auch Zweifel am Hype um die künstliche Intelligenz spielten eine Rolle

Damit war der MSCI World Index stark von den Kursrückgängen dieser Titel im August und September betroffen: Investoren hatten Zweifel bekommen, ob der Hype um die künstliche Intelligenz nicht vielleicht überzogen ist. Für Bernd Schimmer, den Chef-Anlagestrategen der Haspa, gilt aber auch generell: „Der Rückgang an den Aktienmärkten im August und September war notwendig und gesund. Die Kurse standen nicht mehr in Einklang mit realwirtschaftlichen Entwicklungen.“

Auslöser für die Schwäche der Aktien war der kräftige Anstieg der Renditen festverzinslicher Wertpapiere. So kletterte die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen auf zuletzt knapp 3,0 Prozent und zehnjährige US-Staatsanleihen erreichten sogar fast 4,8 Prozent, gut einen Prozentpunkt mehr als noch Mitte August.

„Wir haben die alte Welt zurück“, sagt Schimmer mit Blick auf die Zinsen. Auch Klude weist darauf hin, dass man in vielen Ländern mit festverzinslichen Papieren inzwischen wieder eine positive Realrendite – die Rendite nach Abzug der Inflationsrate – erzielen kann. Damit ist die Aktienanlage nicht mehr praktisch alternativlos.

Ein Hamburger Aktienexperte sieht den DAX zum Jahresende bei 17.000 Punkten

Trotzdem sind alle drei Hamburger Wertpapierexperten zuversichtlich für die Aktienbörse. Während man bei der Haspa den DAX zum Jahresende bei 16.000 Punkten erwartet, traut Mumm ihm 16.500 Zähler zu und Klude sogar 17.000 Punkte, auch wenn er zugibt, dass diese Prognose „schon ambitioniert“ erscheint. Alle diese Erwartungen beruhen auf der Annahme, dass sich der tragische Konflikt im Nahen Osten nicht noch erheblich verschlimmert.

„Die jetzt beginnende Berichtssaison für das dritte Quartal könnte der Katalysator für wieder steigende Kurse sein, weil die Erwartungen des Marktes sehr moderat sind“, sagt Klude. Hinzu komme: „Oktober und November sind historisch gesehen gute Börsenmonate.“

Risikoscheue Anleger fahren in diesem Jahr voraussichtlich nicht besser

Darauf dürften auch zahlreiche Hamburger Privatanleger hoffen. Schließlich sind in Publikums-Aktienfonds bundesweit fast 600 Milliarden Euro angelegt. Ein großer Teil davon dürfte auf ETFs entfallen. Sie werden von Verbraucherzentralen für die längerfristige Geldanlage empfohlen, weil sie nur jährliche Kosten von durchschnittlich weniger als 0,4 Prozent des Anlagebetrags verursachen, während die Gebühren von Fonds mit aktivem Management häufig vier- bis fünfmal so hoch liegen.

Wer risikoscheu ist und Aktien meidet, fährt trotz der jüngsten Schwächephase an der Börse aber nicht unbedingt besser: Nach Berechnungen des Portals Tagesgeldvergleich.net wird jeder Einwohner in Deutschland in diesem Jahr im Schnitt voraussichtlich gut 2200 Euro an Kaufkraft auf seine Spareinlagen bei Banken verlieren, weil die Sparzinsen weiterhin unter der Inflationsrate liegen. Der Aktienmarkt dagegen legte seit Jahresbeginn um gut elf Prozent zu.