Elmshorn. Traditionsfirma investiert Millionen in neues Werk, Produktionsteigerung und vegane Sorten. Expansion nach Spanien und Italien.
Manfred Vondran hat einen vollen Kalender. Das Gespräch mit dem Abendblatt ist lange verabredet, aber dann ist noch ein Termin mit dem Betriebsrat dazugekommen. Seit gut einem Jahr führt der erfahrene Manager die Geschäfte beim Haferflockenhersteller Peter Kölln.
Sein Auftrag: das 1820 gegründete Traditionsunternehmen auf Modernisierungskurs zu bringen. Da ist vieles im Umbruch. Jetzt heißt es, improvisieren, Gesprächspartner jonglieren und ein bisschen schneller reden. Der 1,94-Mann ist sowieso einer, der schnell auf den Punkt kommt. „Wir planen große Investitionen am Standort“, ist die Botschaft, die ihm besonders wichtig ist.
Kölln: Müsli-Hersteller plant neues Produktionsgebäude an Elmshorner Westerstraße
Konkret will der neue Mann an der Firmenspitze die Kapazitäten für die Verarbeitung und Herstellung von Haferflocken, Müslis und Porridge um bis zu 80 Prozent steigern. Dafür soll auf dem Werksgelände an der Elmshorner Westerstraße ein neues Produktionsgebäude gebaut werden. Interner Name: Werk 6. Hoch automatisierte Anlagen und Maschinen sind schon bestellt. „Das Investitionsvolumen liegt im zweistelligen Millionenbereich“, sagt Manfred Vondran. Im Frühjahr nächsten Jahres sollen die Bauarbeiten beginnen. Wenn alles nach Plan läuft, könnte dort schon von Ende 2024 an produziert werden.
Es ist nicht die einzige Veränderung, die Vondran dem Nahrungsmittelproduzenten in den vergangenen Monaten verordnet hat. Dabei hatte es zunächst für einige Überraschung gesorgt, als er im August 2022 den vorherigen Geschäftsführer Christian von Boetticher ablöste. Denn: Der Wechsel in der Topposition des Familienunternehmens in siebter Generation kam früher und anders, als der langjährige geschäftsführende Gesellschafter und 2016 verstorbene Hans-Heinrich Driftmann es für die Zeit nach seinem Tod vorgesehen hatte.
Kölln-Firmenspitze im Wandel: Manfred Vondran hat große Ziele
Auf dessen Wunsch hatte der bekannte Manager und Politiker von Boetticher 2015 einen Zehn-Jahres-Vertrag unterschrieben – quasi als Generationen-Brücke, bis die designierte Kölln-Chefin Friederike Driftmann den Schreibtisch ihres Vaters dauerhaft übernehmen würde. Die Frage, warum es anders kam, wurde nie so ganz beantwortet. Christian von Boetticher, der weiterhin in der CDU Schleswig-Holsteins aktiv ist, habe seine Ziele bei der Erreichung der Marktführerschaft des Haferflocken-Riesen auch in den Bereichen Müsli und Porridge erreicht, hieß es damals. Er selbst hatte es gegenüber dem Abendblatt so beschrieben: „Mission completed.“
Jetzt sitzt Manfred Vondran im Chefbüro in der siebten Etage der Firmenzentrale, mit Blick über das weitläufige Gelände an der Krückau. „Die Marktführerschaft im Bereich Haferflocken, Müsli und Porridge strategisch ausbauen“, sagt der 58-Jährige auf die Frage nach seinen Zielen. „Außerdem wollen wir zur Ernährungswende beitragen und Alternativen zu tierischen Produkten entwickeln.“ Hafer, als besonders nährstoffreiche Getreideart, komme dabei eine wichtige Rolle zu und ist gerade bei Ernährungsexperten besonders angesagt. „Der Markt wächst“, sagt Vondran.
Kölln: Müsli-Nachfrage sei durch Arbeit im Homeoffice gestiegen
Der Wandel in der Arbeitswelt durch die Corona-Pandemie wirke sich langfristig auf das Ernährungsverhalten der Menschen aus. „Statt auf dem Weg ins Büro schnell ein Brötchen auf dem Weg mitzunehmen, wird im Homeoffice häufiger Müsli gegessen“, so der Topmanager. Für den norddeutschen Lebensmittelproduzenten bedeutet das: prozentual zweistelliges Umsatz- und Absatzwachstum in den vergangenen vier Jahren.
Das Unternehmen verarbeitet in Elmshorn im Jahr 70.000 bis 80.000 Tonnen Hafer größtenteils aus regionalem Anbau und ist mit 60 Produkten in dem Segment vertreten. Dazu kommt das Geschäft mit Speiseölen der Marken Biskin, Mazola oder Livio. 2021 erwirtschaftete Peter Kölln GmbH & Co. KGaA, wie das Unternehmen vollständig heißt, mit knapp 400 Beschäftigten Erlöse in Höhe von 145 Millionen Euro. Für 2022 sollen die Zahlen Ende dieses Jahres veröffentlicht werden. „Wir sind zufrieden“, sagt Geschäftsführer Vondran auch mit Blick auf das laufende Jahr. Konkreter will er nicht werden.
Kölln eröffnet Auslandsdependance in Spanien
Aktuell arbeitet der gelernte Bäckermeister und studierte Betriebswirt, der Karrierestationen beim Kekshersteller Bahlsen und beim Süßwarenunternehmen Storck gemacht hat, an der internationalen Expansion. Kölln ist mit seinen Frühstücksflocken weltweit in 22 Ländern vertreten, hat aber bislang keine eigenen Standorte im Ausland. Das ändert sich jetzt. In Spanien wird im kommenden Jahr das erste Vertriebsbüro mit fünf Beschäftigten eröffnet. Auch in Italien will das Unternehmen die Marke präsenter machen. „Da ist mehr Potenzial“, sagt der Kölln-Chef, der im vergangenen Jahr auch die erweiterte Geschäftsführung umgebaut hat und mit Claudia Kamm als Marketingdirektorin erstmals eine Frau in die Chefetage geholt hat.
Auch ein Schritt auf dem Weg, neue und jüngere Kunden und Kundinnen zu gewinnen. Allein 2023 hat Peter Kölln acht neue Sorten auf den Markt gebracht. Besonders stolz ist das Unternehmen auf drei vegane Schoko-Müslis, die gemeinsam mit dem Start-up Planet A Foods aus München entwickelt wurden und seit September exklusiv bei Rewe in den Supermarktregalen stehen. „Der Markt für vegane und nachhaltige Produkte wächst dynamisch, und wir sind konsequent auf der Suche nach neuen Ansätzen und wegweisenden Ideen, die diesen Markt bedienen“, sagt Manfred Vondran.
Kölln setzt auf Kooperationen mit Food-Start-up und Influencern
Das Besondere: Die Müslis enthalten die von Planet A Foods entwickelte Schokoladenalternative ChoViva, die aus heimischem Hafer und Sonnenblumenkernen hergestellt wird – komplett ohne Kakao. Gegenüber herkömmlicher Schokolade werden den Angaben zufolge bei der Produktion bis zu 94 Prozent weniger Wasser verbraucht und durch kürzere Lieferwege und der Vermeidung von Regenwaldrodung bis zu 90 Prozent CO2 eingespart. „Qualität und Geschmack sind sehr gut“, sagt der Kölln-Chef.
Die Partnerschaft mit dem Münchener Food-Start-up will er konsequent weiter ausbauen. „Es geht um Produktinnovationen über den Frühstücksbereich hinaus. Unser Ziel ist: Hafer für den ganzen Tag.“ So könne Hafer auch als Rohstoff für Fleischersatz eingesetzt werden. Für nächstes Jahr sind bereits weitere Neuerungen geplant. Zu den Details hält er sich bedeckt. Nur so viel: Im Frühjahr soll ein Kölln-Haferdrink (Classic und Barista) mit neuem Rezept und Herstellungsverfahren in die Supermärkte kommen. Auch das Design der Verpackung wurde überarbeitet: Es ist der hellblau-dunkelblauen Tüte der „Blütenzarten Köllnflocken“, einer der bekanntesten und ältesten Sorten von Kölln, nachempfunden.
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Dass es das Unternehmen ernst meint mit Verjüngung und Digitalisierung, zeigt auch, dass erstmals zwei Markenbotschafter in der digitalen Welt für Peter Kölln werben. Kampagnengesicht für die „Blütenzarten“ ist Saliha „Sally“ Özcan, die in den sozialen Medien und auf ihrem YouTube-Kanal „Sallys Welt“ über zwei Millionen Follower mit Back- und Kochrezepten versorgt. Begleitet wird sie von dem Hamburger Profi-Triathleten Fabian Günther für die kernige Variante. Bei Innovationen wie diesen hat Manfred Vondran Aufsichtsrat und Eigentümerfamilie hinter sich. „Wir stehen im engen Austausch“, sagt er.
Der schwere Holzschreibtisch im Büro nebenan, von dem aus fast 30 Jahre Hans-Heinrich Driftmann die Geschicke des Haferflockenspezialisten lenkte, ist im Moment allerdings meistens leer. Friederike Driftmann, Firmenerbin, Buchautorin und promovierte Juristin, arbeitet nach einer Station als Syndikusanwältin in der strategischen Beteiligungsholding Katjes International inzwischen als Beraterin für die Unternehmensberatung Boston Consulting Group. An einem Haken hängt ein weißer Kittel mit ihrem Namen. Wann die heute 32-Jährige ins Unternehmen einsteigt, ist offen. Manfred Vondran hat sich dagegen festgelegt: „Ich bleibe bis zum Ruhestand.“