Hamburg. Erneut droht einem Großteil der 550 Beschäftigten in Waltershof Kurzarbeit. Warum wochenlang die Arbeit eingestellt wird.
Das Stahlwerk Hamburg in Waltershof gehört zu den Industrieunternehmen mit dem höchsten Energieverbrauch. In der Stahlproduktion werden dort große Mengen Gas und elektrischer Strom eingesetzt. Die Energiekosten sind seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine extrem gestiegen. Das ist einer der Gründe dafür, dass der Mutterkonzern ArcelorMittal jetzt entschieden hat, die Produktion noch in diesem Jahr für mehrere Wochen komplett herunterzufahren und das Stahlwerk praktisch stillzulegen.
„Nach sorgfältiger Abwägung und Bewertung aller zur Verfügung stehenden Optionen hat ArcelorMittal beschlossen, Kurzarbeit für das vierte Quartal 2023 im Werk Hamburg einzuführen“, teilte das Unternehmen am späten Mittwochabend dem Abendblatt auf Anfrage mit.
Industrie Hamburg: Kurzarbeit – Stahlwerk in Waltershof stoppt Produktion
Mehr noch: „Die geplanten Änderungen werden eine Arbeitsunterbrechung von fünf Kalenderwochen beinhalten“, so der Stahlkonzern. Ein Sprecher des Unternehmens sagte, dass in dieser Zeit der mit Strom betriebene Elektrolichtbogenofen, in dem Schrott und sogenannter Eisenschwamm zu Stahl geschmolzen wird, nicht in Betrieb sein wird. Das gelte auch für die Direktreduktionsanlage auf dem Werkgelände. In ihr wird mit großen Mengen Erdgas der Eisenschwamm hergestellt.
Von der Kurzarbeit wird nach Angaben des Sprechers „ein großer Teil der Belegschaft“ betroffen sein. Das Stahlwerk hat etwa 550 Beschäftigte. Wann genau das Werk heruntergefahren wird, steht noch nicht fest. Das hänge „von der Marktsituation und der Auftragslage ab“, hieß es. Der zweite Grund neben den „anhaltend hohen Strompreisen“ sei eine „schleppende Nachfrage“. In Hamburg produziert ArcelorMittal vornehmlich Spezialstahl. Das Werk hat die Kapazität für gut eine Million Tonnen pro Jahr.
Industrie Hamburg: Produktion im Stahlwerk ruht für fünf Wochen komplett
Kurzarbeit und eine Teil-Stilllegung des Stahlwerks Hamburg hatte es bereits vor einem Jahr gegeben. Damals war aufgrund des extrem hohen Gaspreises und einer ebenfalls schlechten Auftragslage die Direktreduktionsanlage abgeschaltet worden. Ein halbes Jahr lang wurde in Waltershof kurzgearbeitet. Betroffen gewesen waren nach Unternehmensangaben etwa 300 Beschäftigte, für die an zwei Arbeitstagen pro Monat Kurzarbeit galt. Seit Juni dieses Jahres ist die Reduktionsanlage wieder in Betrieb.
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Langfristig will ArcelorMittal bei der Eisenschwammherstellung statt Gas grünen Wasserstoff einsetzen. Das allerdings erfordert hohe Investitionen. Erst vor zwei Wochen hatten ArcelorMittal, der Betriebsrat des Hamburger Stahlwerks und die Gewerkschaft IG Metall bei einem Aktionstag auf dem Werksgelände einen niedrigeren Strompreis für Industriebetriebe mit besonders hohem Energieverbrauch gefordert. Auch Hamburgs Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard (SPD) sprach sich für die Einführung eines niedrigen „Brückenstrompreises“ aus, damit die deutsche Industrie international konkurrenzfähig bleibt. Der Brückenstrompreis soll nach den Wünschen seiner Befürworter gelten, bis für die Unternehmen genügend günstige Energie aus erneuerbaren Quellen zur Verfügung steht.