Hamburg. Konzern will in diesem Jahr 720 Flugzeuge ausliefern. Bisher sind es 488. Branchenexperte und Bankanalysten hegen Zweifel am Gelingen.
Airbus hat auf dem Weg zu seinem Auslieferungsziel noch einen weiten Weg vor sich. In den ersten neun Monaten lieferte der Flugzeugbauer 488 Jets aus. Vorgenommen für das Jahr hat er sich rund 720 Flugzeuge. Im September wurden nun 55 neue Maschinen an 34 Fluggesellschaften übergeben, teilte der DAX-Konzern mit.
Den Löwenanteil stellte wie immer die A320-Familie, von der etwa jeder zweite Flieger in Hamburg endmontiert wird. 44 Jets des Verkaufsschlagers wechselten den Besitzer. Zudem waren es vier Kurz- und Mittelstreckenjets vom Typ A220, die in Nordamerika gebaut werden, und sieben in Toulouse endmontierte Langstreckenflugzeuge der Typen A330 (zwei Stück) und A350 (fünf).
Airbus – es wird eng für ein wichtiges Geschäftsziel des Flugzeugbauers
Um eines seiner wichtigsten Geschäftsziele zu erreichen, muss Airbus im Schlussquartal also rund 230 Flugzeuge an die Kunden ausliefern. Der monatliche Schnitt müsste auf 77 Flieger steigen – 2023 waren es bisher 55 im Schnitt. Aber wird der Luftfahrtkonzern dies schaffen? Manche Experten bezweifeln es.
„Die Zahl von 720 Auslieferungen halte ich für nicht schaffbar“, sagte der Hamburger Luftfahrtfachmann Heinrich Großbongardt: „Das wäre nur zu schaffen, wenn die Zuliefererkette funktioniert. Sie funktioniert aber an vielen Stellen nicht.“ Termine würden nicht eingehalten, die Branche leide unter dem Fachkräftemangel, und es gebe Rohstoffknappheiten. Die Probleme bei den Zulieferern reichten vom direkten Airbus-Lieferanten bis zum weit in der Kette vorgelagerten Produzenten.
Airbus Hamburg: Hunderte Jets müssen wegen Problemen in die Werkstatt
Dann gibt es noch Triebwerksengpässe und den Fall Pratt&Whitney. Hunderte Flugzeuge müssen außerplanmäßig in die Werkstätten, weil beim Bau der Motoren jahrelang ein Pulvermetall verwendet wurde, an dem man nun Unregelmäßigkeiten entdeckte. Mittlerweile ist von 3000 Triebwerken die Rede, die in den kommenden drei Jahren inspiziert werden müssten. Sie treiben zum Beispiel die A320neos an.
Die für den Austausch benötigten Teile würden mit dem Einsatz in neuen Turbinen konkurrieren, sagte Großbongardt: „Das wird Auswirkungen auf die Auslieferungen haben.“ Zumal der deutsche Pratt&Whitney-Partner und Triebwerksbauer MTU ebenfalls mit der Beseitigung der Mängel beschäftigt ist und andere Triebwerkshersteller wie CFM, Safran und General Electric unter den generellen Zuliefererproblemen leiden.
Luftfahrtexperte Großbongardt sieht Produktionshochlauf in Gefahr
Der Hamburger Fachmann sieht die Lage als so verzwickt an, dass er auch den angestrebten Produktionshochlauf von Airbus in Gefahr sieht. Der DAX-Konzern will bis Ende 2026 die Rate von 75 gebauten Flugzeugen der A320-Familie pro Monat erreichen. „Die Rate ist überambitioniert“, so Großbongardt. Derzeit dürften es 50 plus x sein.
Auch Finanzfachleute sind für den Ausblick des börsennotierten Konzerns skeptisch. Das Analysehaus Jefferies beließ die Einschätzung auf „Halten“ mit einem Kursziel von 130 Euro. Am Dienstag notierte das Papier bei rund 125 Euro leicht im Plus. Der September sei etwas schwächer gewesen als ihre ursprünglichen Erwartungen, so Analystin Chloe Lemarie. Aber für das dritte Quartal bleibe ihre positive Einschätzung bestehen.
Airbus-Aktie: Berenberg-Bank empfiehlt „Verkaufen“
Die Berenberg-Bank bestätigte ihre Einschätzung „Verkaufen“ und sieht das Kursziel bei 101 Euro. Das Erreichen der Rate 75 sei „unwahrscheinlich“, so Analyst Philip Buller. Die Geschäftserwartungen für die Jahre 2024 bis 2026 schätze man als deutlich zu hoch ein. Die Auslieferungen würden wegen der komplexen Zuliefererstruktur und den Problemen bei den Pratt&Whitney-Triebwerken uneinheitlich bleiben. Bisher habe Airbus 68 Prozent seiner geplanten Auslieferungen in diesem Jahr geschafft. Im Schnitt der Vor-Corona-Jahre seien es zu dem Zeitpunkt 72 Prozent gewesen.
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Airbus gibt sich gelassen. Man sei auf dem Weg zur Rate 75 im Jahr 2026, sagte Sprecher Stefan Schaffrath. Die Auslieferungsprognose hatte der Konzern Ende Juli bestätigt. Man habe in den ersten neun Monaten 51 Flieger mehr ausgeliefert als im Vorjahreszeitraum, so Schaffrath: „Auslieferungen verlaufen nicht linear.“ Im Schlussquartal 2022 seien 226 Flugzeuge an Airlines übergeben worden. Soll wohl heißen: Das Auslieferungsziel liegt in Reichweite.
Allerdings war es im Vorjahr Anfang Dezember kassiert worden. Einst waren rund 720 Auslieferungen geplant, später wurde es auf 700 gesenkt. Letztlich geschafft wurden 661 Maschinen. Großbongardt glaubt an eine Wiederholung des Vorgangs: Zwar sei Airbus heiße Jahresendspurts gewöhnt, aber das Delta sei zu groß. „Wenn Airbus 700 schafft, sind sie gut.“