Hamburg. Experten rechnen mit weiteren Preisrückgängen. Um wie viel Prozent es noch nach unten gehen könnte – und warum die Suche dennoch lohnt

Die jüngsten Zahlen des Statistischen Bundesamtes zeigen: Die Preiskorrektur am Immobilienmarkt gewinnt an Dynamik. In Metropolen wie Hamburg, Berlin oder München sanken die Preise für Wohnungen im zweiten Quartal auf Jahressicht um 9,8 Prozent. Ein- und Zweifamilienhäuser verbilligten sich sogar um 12,6 Prozent. Das war der stärkste Rückgang seit Beginn der Zeitreihe im Jahr 2000. Auch die hohen Zinsen sprechen für eine weitere Korrektur bei den Immobilienpreisen.

Potenzielle Immobilienkäufer starten mit unverändert hohen Zinsen in den Herbst. Ob fünf, zehn, 15 oder gar 20 Jahre Zinsbindung: Eine vier steht bei allen Laufzeiten vor dem Komma. Bei einer 15-jährigen Zinsbindung liegen die durchschnittlichen Zinsen laut der FMH-Finanzberatung bei 4,22 Prozent. Die Zeiten der Ein-Prozent-Finanzierung sind endgültig vorbei. Die Europäische Zentralbank (EZB) hält an der Politik steigender Zinsen fest und erhöhte die Leitzinsen Mitte September erneut um 0,25 Prozentpunkte auf 4,50 Prozent.

Bauzinsen in einer Spanne von 3,50 bis 4,50 Prozent

Die hohe Inflation von aktuell 4,3 Prozent im Euroraum soll bis 2025 in Richtung zwei Prozent gedrückt werden. „Ein Korridor zwischen 3,50 und 4,50 Prozent für eine zehnjährige Zinsbindung entwickelt sich gerade zum Standard“, sagt Michael Neumann, Vorstandsvorsitzender des Baugeldvermittlers Dr. Klein. „In den nächsten Wochen erwarte ich Schwankungen, aber keine grundlegende Anhebung der Baufinanzierungszinsen.“ Auch das Abwärtspotenzial sei begrenzt.

Zu Zinssenkungen der EZB wird es frühestens Ende 2024 kommen. Aber Zinsen von zwei oder 2,50 Prozent sind auf absehbare Zeit nicht wieder möglich. „Die Baufinanzierungszinsen werden die Leitzinsentwicklung auch im Rückwärtsgang nicht 1:1 abbilden“, sagt Neumann.

Immobilienerwerb für viele Hamburger nicht mehr finanzierbar

Hoffnungen auf eine Belebung des Immobilienmarktes haben sich bisher nicht erfüllt. Zwar sind die Immobilienpreise gefallen, aber das reicht nicht aus, um die gestiegenen Zinsen auszugleichen. „Junge Berufstätige mit guter Ausbildung und gutem Gehalt aus der Mittelschicht können sich derzeit in Hamburg keine Immobilie leisten, wenn sie nicht geerbt haben“, sagt der Wirtschaftswissenschaftler und frühere Vizepräsident der Uni Hamburg, Karl-Werner Hansmann. „Das war zu meiner Zeit als junger Familienvater anders“, sagt der heute 80-Jährige. „Eigentlich müssen die Immobilienpreise in Hamburg wieder auf das Niveau von 2013 sinken.“

Damals kostete ein Einfamilienhaus mit einer Wohnfläche von 120 Quadratmetern in Hamburg im Schnitt 362.000 Euro, so die Zahlen des LBS-Immobilienmarktatlas. Wenn man davon ausgeht, dass zu den aktuellen Zinsen 300.000 Euro finanziert werden müssen, läge die monatliche Belastung bei einer Tilgung von zwei Prozent und einem Zins von 4,22 Prozent bei 1555 Euro. Für viele Familien gerade noch verkraftbar. Aktuell nehmen Hamburger 400.000 Euro Kredit für die eigene Immobilie auf, die monatliche Belastung erreicht damit rund 2100 Euro. Das können sich viele nicht mehr leisten.

Mehr als 300.000 Euro Eigenkapital ist für viele unerreichbar

Hinzu kommt: Im Beispiel von 2013 haben rund 100.000 Euro Eigenkapital für eine solide Finanzierung ausgereicht. Heute müssten es rund 315.000 Euro sein, wenn man auf der Basis der Daten von Empirica von einem Hauspreis von 650.000 Euro ausgeht. Nicht nur die aktuelle Finanzierungsrate ist für viele Familien zu hoch, sie verfügen bei Weitem nicht über das Eigenkapital. Folglich scheitern viele Immobilienkäufe.

Immobilienexperte Hansmann glaubt allerdings selbst nicht daran, dass die Immobilienpreise wieder das Niveau von 2013 erreichen. Dazu müssten sie um fast 50 Prozent fallen. „Denn es gibt auch viele Faktoren wie die steigende Wohnungsnachfrage und Mieten sowie ausbleibender Neubau, die dem Immobilienpreisverfall entgegenwirken“, sagt Hansmann. Auch sieht er keinen wirklichen Verkaufsdruck bei den Verkäufern. „Wer von den Älteren nicht gerade in ein Pflegeheim einziehen muss, der wartet mit großem Beharrungsvermögen ab und hofft auf bessere Zeiten“, sagt Hansmann.

Preisrückgang von 30 Prozent korrigiert Anstieg während der Corona-Pandemie

Er rechnet aber mit weiteren Preisrückgängen. Vom Hoch gerechnet können die Immobilienpreise in Hamburg um bis zu 30 Prozent fallen, erwartet Hansmann. Damit wäre dann aber gerade einmal der Preisanstieg korrigiert, der sich zwischen März 2020, also dem Beginn der Corona-Pandemie, und dem Februar 2022, dem Beginn des Ukraine-Krieges, vollzogen hat, wie eine neue Studie des Immobiliendienstleisters von Poll zeigt. Danach kletterten die Preise für Wohnungen und Häuser in der Hansestadt in diesem Zeitraum um 28,2 Prozent. „Während der Pandemie haben das gestiegene Bewusstsein für das Thema Wohnen hinsichtlich mehr Sicherheit sowie Privatsphäre und der Homeoffice-Effekt die Preisentwicklung bei Wohnungen und Häusern zusätzlich beflügelt“, sagt Daniel Ritter, geschäftsführender Gesellschafter bei von Poll Immobilien.

Nach den Berechnungen von Dr. Klein auf Basis tatsächlicher Verkaufspreise kosteten Eigentumswohnungen in Hamburg und dem Umland im zweiten Quartal 2023 14,5 Prozent weniger im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Häuser verbilligten sich um 7,3 Prozent. „Ich gehe davon aus, dass die Preise für Immobilien in Hamburg auch in den kommenden Monaten noch leicht nach unten gehen werden – zwar nicht mehr in dem Tempo und dem Umfang wie bisher, aber sanierungsbedürftige Gebäude werden immer schwieriger zu verkaufen sein“, sagt Frank Lösche, Spezialist für Baufinanzierung bei Dr. Klein in Hamburg. Viele Objekte seien jetzt gut verhandelbar.

64 Prozent der Käufer schrecken vor unsanierten Objekten zurück

Eine Studie des Hamburgischen WeltwirtschaftsInstituts im Auftrag der Postbank zeigt erstmals die Preisunterschiede bei Wohnungen mit einer noch akzeptablen Energieeffizienzklasse, also bis D und den Objekten mit den deutlich schlechteren Klassen von E bis H (siehe Grafik). Während der Unterschied in Hamburg bei rund 1400 Euro je Quadratmeter Wohnfläche liegt, fallen die Differenzen im Umland deutlich geringer aus. In den Kreisen Stormarn und Steinburg bleibt die Differenz sogar unter 500 Euro pro Quadratmeter. Bis auf Lüneburg liegen die Unterschiede in den anderen Kreisen unter 1000 Euro pro Quadratmeter. Das dürfte nicht ausreichen, um eine Wohnung energieeffizient zu sanieren.

Zwei Szenarien sind möglich: Die Immobilien mit den schlechten Energieeffizienzklassen müssen im Preis noch weiter sinken. Dafür spricht im Moment viel, denn potenzielle Käufer meiden diese Objekte, wie die Interhyp-Wohnraumstudie zeigt: Mieter, die sich vorstellen können, eine Immobilie zu kaufen, schließen zu 64 Prozent unsanierte Bestandsimmobilien mit einem eindeutigen „Nein“ aus ihren Überlegungen aus. Anderseits ist es auch möglich, dass die besser gedämmten Immobilien schnell im Preis wieder steigen, sobald der Immobilienmarkt anspringt. Auch diese Entwicklung würde die Preisdifferenz vergrößern.

Commerzbank rechnet noch mit bis zu 25 Prozent Preisrückgang

Zwar zeichnet sich ab, dass die Bundesregierung nach dem jüngsten Baugipfel das Ziel der EU, wonach bis 2033 alle Wohngebäude die Energieeffizienzklasse D erreichen müssen, nicht unterstützen wird. Aber mit Blick auf die Wärmepumpe als dominierende Heizungsform der Zukunft, bleibt bei vielen Objekten ein gewisser Modernisierungsbedarf bestehen.

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Preise und Zinsen sind gegenwärtig die dominierenden Faktoren für die weitere Entwicklung am Immobilienmarkt. Auch die Commerzbank geht davon aus, dass die Immobilienpreise noch um 15 bis 25 Prozent fallen können. „Für niedrigere Preise von Bestandsimmobilien spricht auch der zunehmende Sanierungsbedarf bei Altbauten wegen der Energiewende, der den Wert der bestehenden Immobilie aus Sicht der Käufer drückt“, sagt Marco Wagner von der Commerzbank.

Hamburg bietet Immobilienkäufern zwei Prozent Zinsen

Die Suche nach einer Immobilie dauert sechs bis neun Monate. Auch wenn die Preise für viele Objekte noch zu hoch erscheinen, kann man jetzt schon mit der Suche beginnen. Zur Hoffnung auf weiter fallende Preise können weitere Erleichterungen bei der Finanzierung kommen. Geplant ist ein Eigentumsförderprogramm bei der KfW für den Kauf von bestehenden Immobilien. Wer nicht so lange warten will, kann auch ein Programm der Investitions- und Förderbank Hamburg (IFB) nutzen. Mit dem IFB-Eigenheimdarlehen können maximal 150.000 Euro für den Ersterwerb einer selbst genutzten Immobilie beantragt werden. Der Zinssatz liegt bei zwei Prozent, also halb so hoch wie am Markt.