Hamburg. Bis zu 60 Prozent Rückgang bei Vergabe von Baukrediten. Warum Geldinstitute jetzt ein Personal- und Kostenproblem haben.

Die Immobilienkrise hat inzwischen die Banken erreicht. Denn die Geschäfte mit privaten Baufinanzierungen sind im ersten Halbjahr deutlich ins Stocken geraten, wie eine Umfrage dieser Redaktion bei Hamburger Banken zeigt. Die Einbrüche bei der Neuvergabe von Krediten sind zum Teil dramatisch. Das betrifft die Finanzierung von Neubau- und Bestandsobjekten.

Allein im Juni 2023 wurden in Deutschland rund 39 Prozent weniger Wohnungsbaukredite gegenüber dem entsprechenden Vorjahresmonat vergeben. Das berechnete das Fachportal Kreditvergleich.net aktuell auf Basis der Daten der Deutschen Bundesbank – und die Situation im Norden ist zum Teil noch dramatischer.

Baufinanzierung: Bis zu 60 Prozent weniger Kredite im Vergleich zum Vorjahr

„Bei Anzahl und Volumen der Kredite verzeichnen wir im ersten Halbjahr gegenüber dem Vorjahreszeitraum einen Rückgang von 60 Prozent“, sagt ein Sprecher der Sparkasse Holstein, die auch in Hamburg aktiv ist. Auch andere Geldinstitute melden ähnliche Rückgänge. Bei der Hamburger Volksbank ist das Volumen der neu abgeschlossenen Baufinanzierungen um ein Drittel gesunken.

Die Sparda Bank Hamburg berichtet auch von einer 40 Prozent schwächeren Nachfrage nach Baufinanzierungen im ersten Halbjahr, verweist aber darauf, dass der Vergleichszeitraum, die ersten sechs Monate des Jahres 2022, noch von einer sehr starken Kredit-Nachfrage geprägt waren. Doch damit ist es nun vorbei.

Baufinanzierung: Haspa verrät keine Zahlen

Bei der PSD Bank Nord sind die Nachfragen der Kunden nach Baufinanzierungen um ein Drittel im ersten Halbjahr gesunken. „Beim Volumen ging die Nachfrage der privaten Kunden um 40 Prozent zurück“, sagt Oliver Pöpplau, Vorstand der PSD Bank Nord. Die durchschnittliche Kredithöhe pro Kunde sei gesunken.

Nur die Hamburger Sparkasse (Haspa) wollte bei der Umfrage keine Zahlen nennen und verweist auf ihren Halbjahresbericht, der am 5. September veröffentlicht werden soll. Doch es dürfte bei ihr kaum anders laufen als bei den anderen Geldinstituten.

Hamburger nehmen weniger Kredit für ihre Immobilie auf

Sofern sich die Hamburger den Traum von den eigenen vier Wänden überhaupt noch verwirklichen können, begnügen sie sich mit einer geringeren Kreditsumme. Nach den Zahlen des Baugeldvermittlers Dr. Klein nahmen die Hamburger im zweiten Quartal 2023 knapp 400.000 Euro für einen Immobilienkredit auf. Ein Jahr zuvor waren es noch 460.000 Euro.

Gestiegene Zinsen, hohe Inflation und jede Menge Verunsicherung durch das Heizungsgesetz und andere drohende Auflagen zur Energieeffizienz von Gebäuden erschweren den Immobilienkauf. „Die größte Herausforderung sind zurzeit die gestiegenen Finanzierungskosten bei immer noch hohen Immobilienpreisen – zum Teil hat sich die monatliche Rate verdoppelt“, sagt Frank Lösche von Dr. Klein in Hamburg. Für einen Kredit über 400.000 Euro müssen monatlich 2056 Euro aufgebracht werden. Vor zwei Jahren war es noch weniger als die Hälfte (s. Grafik).

Baufinanzierung: Banken vorsichtiger bei der Kreditvergabe

„Auch wenn die Preise für Wohnungen und Häuser zum Teil leicht nachgeben und Verhandlungen wieder möglich sind: Der Rückgang kann die höheren Zinsen bei weitem nicht kompensieren“, sagt Lösche. „Im Marktumfeld der gebrauchten Immobilien führen weitere Unsicherheiten wegen anstehender Sanierungserfordernisse zusätzlich zur Zurückhaltung bei Kaufentscheidungen“, ergänzt der Sprecher der Sparkasse Holstein.

Aber die Geldinstitute erschweren sich auch selbst das Geschäft. „Sie sind wählerischer geworden, welche Objekte sie noch finanzieren und verlangen höhere Risikoaufschläge“, sagt Professor Martin Faust von der Frankfurt School of Finance & Management. Volkswirtschaftlich sei das natürlich vernünftig, aber es schmälere eben auch das eigene Geschäft.

Kreditvolumen für private Wohnraumfinanzierung sinkt bundesweit um 50 Prozent

Durch gestiegene Energie- und Lebenshaltungskosten steht den Haushalten nicht mehr so viel Geld zur Finanzierung des Kredits zur Verfügung. Makler klagen bei Besichtigungen, dass viele Abschlüsse nicht zustande kommen, weil die Banken nicht mehr mitspielen.

Nach den Zahlen der Bundesbank ging im ersten Halbjahr das Volumen der neu vergebenen Wohnungsbaukredite an private Haushalte im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 50 Prozent auf 80,7 Milliarden Euro zurück. Allein bei den Pfandbriefbanken sanken die Darlehenszusagen für die Wohnimmobilienfinanzierung im zweiten Quartal auf einen neuen Tiefstand von nur noch 14,8 Milliarden Euro. „Die Nachfrage speziell nach Wohnimmobilienfinanzierungen ist weiterhin verhalten“, sagt Jens Tolckmitt, Hauptgeschäftsführer des Verbandes deutscher Pfandbriefbanken (vdp).

Baufinanzierung: Banken bekommen Personal- und Kostenproblem

Bisher war die Baufinanzierung eines der einträglichsten Geschäftsfelder der Banken. Zwar waren die Margen in den Zeiten des Zinstiefs gering, aber am Ende brachte es die Masse der Kredite. Zwischen 2013 und 2022 stieg der Gesamtbestand privater Baufinanzierungen in Deutschland nach Zahlen der Bundesbank von knapp einer Billion auf 1,5 Billionen Euro. Der Anteil der Immobilienfinanzierungen an den gesamten Zinserträgen der Banken liegt bei 30 Prozent.

Wie stark wirkt sich der Einbruch jetzt auf die Banken aus? Experte Faust sieht da zunächst ein „Personal- und Kostenproblem“ auf die Geldinstitute zukommen. „In der Vergangenheit wurden diese Kreditabteilungen ausgebaut, jetzt sind sie mit deutlich weniger Abschlüssen nicht mehr ausgelastet.“

Baufinanzierung: Deutsche Bank plant Stellenabbau

Die Personal- und Sachkosten sinken ja nicht automatisch. „Da müssen die Institute sehen, ob man Mitarbeiter in andere Abteilungen umschichten kann“, sagt Faust. Sparkassen und Genossenschaftsbanken werden nicht gleich zu Entlassungen greifen. Bei der Deutschen Bank werden aber im Rahmen des Projekts „Baufi One“ mehrere hundert Stellen in diesem Bereich abgebaut, berichtet das „Handelsblatt“. Mit dem Projekt will das Institut seine bisher unabhängig agierenden Marken BHW, DSL und Deutsche Bank zentral steuern und Abläufe verschlanken.

Bei der Ertragsseite sind die Auswirkungen nach Fausts Einschätzung nicht so klar. Das hänge auch davon ab, wie die Institute ihre Baufinanzierungskredite zumindest zum Teil refinanzieren. Sparkassen und Genossenschaftsbanken nutzen dazu zum Teil ihre Spareinlagen. „Das führt in der gegenwärtigen Situation zu einer Verbesserung ihrer Margen, weil die Zinsen für Einlagen nicht so gestiegen sind wie die Zinsen für Baufinanzierungen“, sagt Faust. Im Bestandsgeschäft kann sich diese Praxis aber nachteilig auswirken, weil die Sparer doch höhere Zinsen verlangen, die Baufinanzierungen der Vergangenheit aber zu sehr niedrigen Konditionen vergeben wurden.

Baufinanzierung: Banken sind für das zweite Halbjahr optimistischer

Allerdings betrifft diese Praxis nur ein Teil des Geschäfts, weil die Finanzaufsicht BaFin darauf achtet, dass die Kredite auch fristenkongruent refinanziert werden müssen. Langfristig verliehenes Geld muss also auch langfristig finanziert sein.

Die befragten Banken geben sich für das zweite Halbjahr bei den Baufinanzierungen optimistisch. „Wir sind für den Immobilienmarkt nach Durchschreiten der Talsohle wieder zuversichtlich“, sagt Haspa-Sprecherin Stefanie von Carlsburg. „Viele Akteure stehen in den Startlöchern, Immobilien zu bauen. Denn die eigene Immobilie ist für viele Menschen ein Lebenstraum und wichtiger Baustein der Alterssicherung.“

Baufinanzierung: Kunden gewöhnen sich an höhere Zinsen

Auch die Sparda-Bank Hamburg erwartet für den Verlauf des zweiten Halbjahres eine moderat steigende Nachfrage nach Baufinanzierungen. Baugeldvermittler Dr. Klein registriert bereits eine langsam wieder zunehmende Nachfrage. Der Hamburger Niederlassungsleiter Frank Lösche sagt: „Die Baufinanzierungszinsen schwanken zwar, bewegen sich seit einem dreiviertel Jahr aber auf ungefähr demselben Niveau. Das führt zu mehr Akzeptanz und gibt Kaufinteressenten wieder mehr Planungssicherheit.“

Ob es dabei bleibt, wenn sich die wirtschaftlichen Probleme in Deutschland verschärfen und die Arbeitslosigkeit weiter steigt, bleibt abzuwarten. Der Chef des vdp-Verbandes Jens Tolckmitt ist etwas vorsichtiger: „Die Talsohle im Immobilienfinanzierungsgeschäft könnte erreicht sein.“