Hamburg. Hamburger Ökokunststoff-Firma überzeugt Investoren. Und jetzt ist auch klar, wo in Hamburg das Start-up seine Produktion aufbaut.
Hamburger Gründerpreis, Deutscher Gründerpreis und jede Menge Pilotprojekte mit Unternehmen wie Lufthansa, Otto, Das Futterhaus oder C & A. Das vor drei Jahren gegründete Hamburger Öko-Start-up Traceless hat bislang reichlich Vorschusslorbeeren und Aufmerksamkeit geerntet. Große Firmen testen reihenweise, ob sich der von Traceless entwickelte Öko-Kunststoff tatsächlich als vollgültiger Ersatz für Verpackungen oder Essgeschirr aus Plastik eignet.
Was den Gründerinnen Anne Lamp und Johanna Baare bislang fehlte, war genügend Geld, um in größerem Stil den Grundstoff für einen umwelt- und klimaverträglichen Plastikersatz herzustellen, der sich nach Gebrauch binnen kurzer Zeit spurlos (engl.: traceless) zersetzt. Doch das hat sich jetzt geändert. Lamp und Baare werden am Montagvormittag bekannt geben, dass sie bei Investoren insgesamt 36,6 Millionen Euro eingesammelt haben.
Öko statt Plastik: 36 Millionen Euro für Traceless – auch Haspa gibt Geld
Anfang des Jahres hatte bereits das Bundesumweltministerium 5 Millionen Euro Fördergeld für den Bau einer Demonstrationsanlage zugesagt. Nun soll alles ganz schnell gehen. „Das Geld ist da, jetzt ist Baustart“, sagten Lamp und Baare dem Abendblatt am Wochenende. Voraussichtlich im ersten Quartal 2025 werde die Produktion in Hamburg beginnen. In der Demonstrationsanlage sollen dann aus Pflanzenresten pro Jahr mehrere Tausend Tonnen eines Granulats gewonnen werden, das sich auf den herkömmlichen Maschinen in der Kunststoff- und Verpackungsindustrie in Produkten wie Folien, Beschichtungen oder einem Hartplastikersatz verarbeiten lässt – genauso wie Plastik, nur eben öko.
So testete Otto in diesem Jahr Versandtüten, die mit dem Traceless-Material hergestellt wurden. Lufthansa arbeitete mit dem Hamburger Unternehmen an umweltverträglichen Essensverpackungen. Andere Firmen kündigten die Entwicklung von Müll- und Gefriertüten sowie Beuteln für Tierfutter gemeinsam mit Traceless an.
Traceless baut mit Investorengeld die Produktion auf
„Es gibt mit zahlreichen weiteren Unternehmen feste Kundenbeziehungen, viele davon sind bislang gar nicht öffentlich kommuniziert worden“, sagte die promovierte Verfahrenstechnik-Ingenieurin Lamp. „Wir bereiten den Markteintritt vor, haben bislang aber nicht genug Produktionskapazität.“
Mit der sogenannten Series-A-Finanzierungsrunde sei nun ein ganz wichtiger Schritt gelungen. „Für viele junge Unternehmen, die eine neue Technologie entwickelt haben, ist es nicht leicht, genügend Geld von Investoren einzuwerben, um in die Produktion gehen zu können“, so Lamp. Banken hielten sich oft zurück, Start-ups in dieser Entwicklungsphase Kredite zu geben.
Wie viel Kredit die Haspa dem Start-up gibt bleibt geheim
„Deshalb freuen wir uns besonders, dass sich auch ein lokales Bankenkonsortium aus der GLS Bank Hamburg und der Hamburger Sparkasse an der Finanzierungsrunde beteiligt hat“, sagte Johanna Baare. Das Konsortium beteiligt sich mit Krediten an der Finanzierung. Die Gespräche mit ihnen hätten gezeigt, dass sich das Öko-Start-up und die Kreditinstitute „auch inhaltlich sehr nahe“ seien.
Angeführt wurde die Finanzierungsrunde jedoch vom Private-Equity-Fonds UB Forest Industry Green Growth Fund, der in nachhaltige forstwirtschaftliche und biobasierte Industrien investiert. Ein anderer großer Traceless-Geldgeber heißt Swen Blue Ocean. Er investiert in Innovationen, die dazu beitragen, die existenziellen Bedrohungen der Ozeane zu bekämpfen.
Auch die Investoren Planet A, High-Tech Gründerfonds (HTGF) und b.value, die schon kurz nach der Gründung bei Traceless eingestiegen waren, beteiligten sich erneut. Wie viel der Unternehmensanteile Lamp und Baare im Gegenzug an die Investoren abgegeben haben, bleibt ein Geheimnis der Gründerinnen.
Mittlerweile zeichnet sich aber genauer ab, wo in Hamburg Traceless seine Demonstrationsanlage betreiben wird. „Wir werden das Werk in Neuland errichten“, sagte Anne Lamp. In dem Stadtteil an der Autobahnanschlussstelle Harburg bezieht Traceless ein leer stehendes Gebäude. „Es wird jetzt umgebaut, im Mai 2024 feiern wir eine Art Richtfest“, sagte Baare.
Traceless – warum Hamburg den Standortwettkampf gewann
Zuvor hatte es einen Standort-Wettkampf um Traceless gegeben. Derzeit arbeitet die Mehrzahl der etwa 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter noch in einem Innovationszentrum nahe des Möbelhauses Kraft in Buchholz/Nordheide. Die Wirtschaftsförderer von HamburgInvest hatten bereits vor einem Jahr durchblicken lassen, man habe für Traceless „ein interessantes Angebotspaket“ geschnürt.
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Die Stadt habe aber keine direkte Förderung gezahlt, betonte Lamp. „Letztlich war für uns entscheidend, einen Standort zu wählen, an dem die Mehrzahl der Beschäftigten lebt.“ Nach dem Produktionsstart in etwa eineinhalb Jahren werde sich deren Zahl absehbar auf 80 verdoppeln. Und die Demonstrationsanlage soll dem jungen Unternehmen so viele Einnahmen einspielen, dass dann der Bau einer Großanlage möglich wird.
Öko statt Plastik: Traceless beim Chemie-Gipfel im Kanzleramt
Nachdem der wichtige Meilenstein erreicht und das Geld auf dem Konto ist, folgt für die Gründerinnen ein Termin, der einmal mehr deutlich macht, wie viel Wertschätzung Traceless in Politik und Industrie genießt und wie groß die Hoffnungen sind, die sich um seine Technologie ranken. Das Start-up nimmt am Mittwoch am Gipfeltreffen von Chemieindustrie und Bundesregierung im Bundeskanzleramt teil. Geladen zum Gipfel mit Kanzler Olaf Scholz sind Konzerne, Branchenverbände, Gewerkschaft. Anne Lamp: „Wir sind das einzige kleinere Unternehmen, das dabei ist.“