Hamburg. Claus Mirbach war ein Pionier des Oldtimer-Handels. Was er über den Motorschaden von Götz George weiß und wie alles begann.
Manche nennen ihn den deutschen Oldtimer-Papst. „Immerhin habe ich das Wort Oldtimer erfunden. Weil ich so schlecht englisch kann. Old und timer, das habe ich gerade noch so zusammenbekommen“, sagt Claus Mirbach und schmunzelt. Sicher ist: Oldtimer als Bezeichnung für ein mehr als 30 Jahre altes Auto, das noch weitgehend im Originalzustand ist, ist ein nur im deutschsprachigen Raum gebräuchlicher Begriff. In der englischsprachigen Welt sind Classic Cars oder Vintage Cars die gängigen Bezeichnungen.
Wie auch immer. Der Hamburger Mirbach hat die Oldtimer-Szene hierzulande jahrzehntelang mitgeprägt, den Markt für Wagen aus der Vorkriegszeit und für historische Porsche, Mercedes, Bentley, Ferrari und Co. beständig mit Nachschub versorgt, gekauft und verkauft. Oldtimer waren und sind sein Leben, jetzt zieht sich der 86-Jährige zurück und gibt das Steuer aus der Hand. Anfang des Jahres hat der Mann, von dem es heißt, er habe den Handel mit Oldtimern hierzulande erfunden, das nach ihm benannte Unternehmen verkauft.
Mercedes, Porsche Ferrari: Hamburger Oldtimer-Legende Claus Mirbach zieht sich zurück
Angefangen hatte all das 1958 in Südfrankreich. „Ich war 20, wollte Fotograf werden, meine Chefin schickte mich zu den Filmfestspielen in Cannes, um Stars zu fotografieren“, erzählt Mirbach. Auf einem Schrottplatz in Nizza entdeckte er zufällig einen alten Bugatti. „Der Betreiber sagte: Der fährt noch, ist aber Schrott.“ Mirbach kaufte den Wagen für umgerechnet 500 Mark, traf mit dem kühlwasserdurstigen Bugatti sechs Tage später in Hamburg ein – und hatte ihn zwei Wochen später für 3500 Mark an einen Mann verkauft, der den in der Cäcilienstraße geparkten Wagen zufällig entdeckt hatte.
Vom Gewinn – damals etwa das halbe Jahresgehalt eines Arbeiters – kaufte er einen Ford des Vorkriegs-Modells Eifel. „Für 400 Mark, kurz darauf habe ich ihn für 1400 Mark verkauft. Da wusste ich, dass es da einen Markt gibt.“ Mirbach verlegte sich ganz auf das Geschäft mit alten Autos, die ihn seit der Kindheit fasziniert hatten. Sein Vater, ein erfolgreicher Bauunternehmer, besaß einen Horch. Als Siebenjähriger sah Claus Mirbach Vorkriegswagen durch Hamburg rollen, die von den britischen Besatzern beschlagnahmt worden waren. „Seitdem war es mein Traum, so ein Auto selbst zu besitzen.“
Porsche 356 von Schauspieler Götz George hatte einen Motorschaden
Mirbach kaufte und verkaufte schon bald in großem Stil, auch alte Austin Healey, Triumph und MG aus Großbritannien. Die Oldtimer fand er in den Kleinanzeigen im Abendblatt und durch Inserate in anderen Zeitungen bundesweit. „Ich hatte sechs Jahre lang keine Konkurrenz in Deutschland, Autohändler riefen mich an, wenn sie einen alten Wagen in Zahlung genommen hatten.“ Mit Ende 20 fuhr Mirbach im eigenen Bentley durch Hamburgs Straßen.
Er fand einen Käufer für Inge Meysels Mercedes-Coupé, verkaufte Nino de Angelo einen Ferrari. Er kaufte von Schauspieler Götz George einen Porsche 356 – der allerdings einen Motorschaden hatte, wie sich schnell herausstellte. „Ich habe 3000 Mark zurückgefordert, er war nicht gerade freundlich am Telefon. Das Geld konnte ich mir dann an der Rezeption des Hotel Atlantic abholen“, erinnert sich Mirbach lebhaft.
Mercedes-Dienstwagen: Verleger Axel Springer stellte genaue Bedingungen
Auch an die beiden Mercedes-Dienstwagen, die der Verleger Axel Springer einem in Ungnade gefallenen Top-Manager entzogen hatte, erinnert er sich. „Im Vertrag war ausführlich geregelt, an wen ich auf keinen Fall verkaufen darf, unter anderem an den früheren Besitzer und an niemanden, der auf St. Pauli wohnt.“ Den 300 SL-Flügeltürer nahm Mirbach dem Verleger für 20.000 Mark ab, der Wagen kam von den folgenden Eigentümern immer wieder zu ihm zurück. „Ich habe ihn fünfmal verkauft, zuletzt für 150.000 Mark.“
Aber es gab auch Geschäfte, die für ihn besser hätten laufen können. Wie das mit dem Ferrari SF 500, den er einst für 50.000 Mark kaufte, aber lange keinen Käufer fand. „Ich bin ihn nach fast einem Jahr für unter 100.000 Mark schließlich doch noch losgeworden. Zehn Jahre später hat das Auktionshaus Christie’s genau dieses Auto für drei Millionen Dollar versteigert.“
1987 verkaufte Mirbach sein Unternehmen, das von mehreren Nachfolgern unter seinem Namen weitergeführt wurde. Der Gründer verlegte sich zeitweise auf Oldtimer-Beratung und den Handel mit jungen Gebrauchten, seit 2010 existiert wieder ein Unternehmen in Hamburg, hinter dem er persönlich steht. Heute heißt es: Claus Mirbach die Oldtimeragentur. „Es ist tatsächlich wie bei Immobilien, wir finden neue Eigentürmer für Oldtimer, die der Eigner verkaufen möchte“, sagt Frank Sawatzki.
Neuer Eigentümer wollte eigentlich nur einen alten Mercedes kaufen
Er hat die Firma Anfang des Jahres übernommen. Es war ein Zufall. „Eigentlich interessierte ich mich für ein seltenes Heckflossen-Mercedes-Coupé, bekam dann aber mit, dass das Unternehmen zum Verkauf stand“, sagt Sawatzki. Dem Gründer hatte sein Körper nach mehr als 60 Jahren als Unternehmer zu verstehen gegeben, „dass es jetzt mal an der Zeit ist, den Laden abzugeben“, wie Mirbach es ausdrückt.
Er und seine Frau sind aber weiter in der Firma als Berater tätig und an zwei Tagen pro Woche im Büro präsent. Es ist eine Abmachung, die beiden Seiten nützt. Frank Sawatzki ist zwar Oldtimer-Fan, aber seine Vernetzung in der Branche ist naturgemäß geringer. Er war viele Jahre als Manager und Berater in der Medizintechnik tätig, zuletzt Geschäftsführer mehrerer Medizinischer Versorgungszentren.
Mercedes, Jaguar, Triumph: Frank Sawatzki will jüngere Käuferschichten gewinnen
Nun ist der 61-Jährige Herr über gut 40 Oldtimer, die die Eigentümer der Agentur überlassen haben und in der Tiefgarage eines Bürogebäudes in der City Nord für potenzielle Käufer zur Ansicht bereitstehen. Ein fast 90 Jahre alter Rechtslenker des längst nicht mehr existenten englischen Autobauers Singer gehört dazu, der knapp 50.000 Euro kosten soll. Sawatzki will die Geschäfte künftig aber stärker auf Autos aus den 1960er- bis zu den 1980er-Jahren ausrichten, um jüngere Käuferschichten anzusprechen.
Nicht weit entfernt vom Singer steht ein Karmann Ghia von 1966 in der gleichen Preisklasse. An einem Mercedes 190 SL Roadster, Baujahr 1957, stehen 149.900 Euro auf dem Preisschild. In Reihe stehen Mercedes, Jaguar, MG, Triumph, Land Rover, BMW und Adler. „Wir verkaufen Oldtimer in der Preisklasse zwischen 20.000 und 400.000 Euro“, sagt Sawatzki.
Der Markt ist potenziell riesig. Nach jüngsten Zahlen sind in Deutschland etwa 650.000 Pkw zugelassen, die älter als 30 Jahre sind, in Hamburg sind es laut einer Studie 22.000. Diese taxiert den Wert aller Oldtimer hierzulande auf 31 Milliarden Euro. Sawatzkis erstes Geschäft als neuer Chef: „Ein Aston Martin DB 6, den ein Hamburger Reeder für 250.000 Euro kaufte.“
Mercedes, Porsche, Ferrari – Oldtimer fahren oft nur 2000 Kilometer pro Jahr
An mehreren Dutzend Eigentümerwechseln pro Jahr sei die Agentur Mirbach beteiligt, heißt es. Für die Provision, die das Unternehmen erhält, gibt es mehrere Modelle. Und zum Geschäftsmodell gehört, dass die Firma für Kunden auf die Suche nach ganz bestimmten Fahrzeugen geht. „Die meisten fahren ihren Oldtimer regelmäßig und im Schnitt 1500 bis 2500 Kilometer pro Jahr“, sagt Sawatzki.
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Der 86 Jahre alte Mirbach selbst bewegt neben einem Smart, einem Nissan Geländewagen und einem Jaguar, die beide bald 30 Jahre alt werden, einen historischen Citroën. Der ist gerade mal ein Jahr jünger als sein Eigentümer. Ohnehin hat Claus Mirbach seinen eigenen Autogeschmack und seine eigene Oldtimer-Definition: „Alles, was älter ist als Baujahr 1970“, ist für ihn dieses Namens würdig.
Der Heckflossen-Mercedes, für den Frank Sawatzki sich im Sommer 2022 so interessierte, gehört nicht mehr zum Angebot der Agentur. Er hat für einen sechsstelligen Preis einen anderen Käufer gefunden. Als sich abzeichnete, dass Mirbach das Steuer aus der Hand gibt und Sawatzki übernehmen würde, nahm er Abstand vom Kauf: „Ich brauchte das Geld ja für etwas anderes.“