Hamburg. Autohändler aus Altona über einen wachsenden Markt und Fahrzeuge im Millionenwert. Viele haben Vertrauen in die Banken verloren.
Den orangefarbenen Porsche Carrera 2,7 RS aus den 70er-Jahren hat Eberhard Thiesen schon einmal verkauft. Jetzt steht der Sportwagen wieder in seiner Ausstellung, zu kaufen für rund 650.000 Euro. In den vergangenen fünf Jahren hat der Klassiker seinen Wert vervielfacht, der Besitzer konnte in kurzer Zeit eine Traumrendite einfahren.
„In letzter Zeit haben die Leute das Vertrauen in die Banken verloren“, sagt Thiesen über das Publikum für Oldtimer. Früher wären nur Paradiesvögel in alten Autos durch die Gegend gefahren, heute interessierten sich viel mehr Menschen für das Thema. „Nach wie vor sind viele unserer Kunden reine Sammler, aber bereits die Hälfte der Käufer sehen einen Oldtimer als Baustein für ihr Portfolio“, fasst Thiesen seine Beobachtungen nach mehr als 30 Jahren Erfahrung in der Branche zusammen.
Auch wegen der charmanten Option, Oldtimer als Anlageobjekt in der Garage zu parken, steigt deren Beliebtheit immer mehr. Die Zahl der mehr als 30 Jahre alten Autos, wie Oldtimer definiert werden, hat sich seit 2011 um 36 Prozent auf 500.000 im vergangenen Jahr gesteigert. Die beliebtesten Marken der betagten Fahrzeuge, die auf deutschen Straßen rollen, sind Mercedes, Volkswagen und Porsche.
Thiesen hat sich auf besonders wertvolle Fahrzeuge spezialisiert und konkurriert in diesem Segment lediglich mit einer Handvoll weiterer Autohändler, aber auch mit den Auktionshäusern. Nur jeder zehnte Käufer des Hamburgers kommt aus der Region. 40 Prozent ist bundesweit ansässiges Publikum, jeder Zweite kommt aus dem Ausland. Diese internationale Kundschaft kauft zum Teil auch per Internetkontakt bei Thiesen. Dabei würde sich der Besuch in der Hansestadt durchaus lohnen. Der Betrieb ist vor Kurzem nach Altona gezogen, in ein Industrieambiente, das mehr Platz bietet als die früheren Standorte des Händlers. In Thiesens Schauraum, einem ehemaligen Wolllager, stehlen sich die Schönheiten auf rund 2000 mit Parkett ausgelegten Quadratmetern gegenseitig die Schau. Hier ein 6,5 Meter langer Maybach DS 8 von 1933, der als Geschenk der deutschen Reichsregierung an einen Maharaja in Indien geliefert wurde. Heutiger Wert: mehr als drei Millionen Euro. Dort ein Mercedes 300 S Cabrio von 1954, das für 585.000 Euro zum Verkauf steht.
Beliebt sind derzeit auch gut erhaltene Vorkriegsmodelle
„Der Seltenheitswert und der Originalzustand sind wichtige Kriterien für den Wertzuwachs“, sagt Thiesen. Eine starke Nachfrage sieht er bei gut erhaltenen Vorkriegsklassikern, etwa beim Mercedes 500 K, dem Modell der Schönen und Reichen. Andererseits bestimmten aktuelle Vorlieben in Mode und Design die Chancen der Wagen auf dem Markt. So beobachtet Thiesen bei Ferrari-Modellen aus den 60er- und 70er-Jahren in Sachen Preisanstieg auch schon eine leichte Phase der Konsolidierung.
Marktanalysten haben die Modelle mit der besten Wertentwicklung zwischen 1999 und 2014 ermittelt: Die Rangliste führt an das Mercedes-Benz 300 SL Coupé, der legendäre Flügeltürer, der zwischen 1954 und 1957 gebaut wurde. Dann folgen der Citroën 2CV 6, die Ente und schließlich noch ein weiteres Modell, das für Freiheit steht: Der VW Bulli aus den Baujahren 1967 bis 1972.
Einen Kaufanreiz bieten für viele Kunden auch die H-Kennzeichen. Durch die Genehmigung dieses Kennzeichens wird das historische Gefährt als Kulturgut eingestuft und damit steuerlich begünstigt. Der Steuersatz für Oldtimer beträgt auf diese Weise einheitlich 191,73 Euro pro Jahr. Auch die meisten Versicherungsgesellschaften bieten günstige Konditionen für derart von Gutachtern eingestufte Fahrzeuge an. Allerdings sind hiermit oft Auflagen wie eine maximale Kilometerzahl pro Jahr verbunden, häufig 10.000 Kilometer.
Einen besonderen Zuwachs in Deutschland erleben derweil die Youngtimer. Seit 2011 ist ihr Bestand um beinahe 65 Prozent auf über 1,68 Millionen Fahrzeuge angestiegen. Zu dem Segment gehören Autos im Alter zwischen 20 und 30 Jahren. Etliche Einsteiger in den Markt reizt dabei die Erinnerung an die eigene Jugend, der nostalgische Moment, heute wieder das Auto zu fahren, das damals vor der Studentenbude parkte.
Auch der soziale Aspekt beflügelt die Branche, sagt Thiesen. So geht es immer mehr Haltern nicht nur um den Besitz eines Oldtimers, die Pflege und natürlich auch das Fahren, sondern auch um Treffen mit anderen Klassikerfans. Über das Jahr verteilt finden zahllose Oldtimertreffen, Schauen und Rallyes statt, sodass gemeinsame Ausfahrten für viele Eigentümer längst zum Urlaubs-Ersatz geworden sind.
Nach dem Philosophiestudium in den Autohandel
Für Thiesen selber entspringt sein Beruf zwischen alten Karossen zwar ebenfalls einem Jugendtraum, denn schon immer faszinierten den Hamburger automobile Schätze. Schon als junger Mann fuhr er einen Mercedes 170 S von 1951. Es gibt aber auch noch andere Dinge im Leben des Kaufmanns: Er studierte Geschichte und Philosophie und greift in der Buchhandlung noch heute gerne zu entsprechender Fachliteratur. Außerdem liebt der Eppendorfer Musik, er lässt sich in seiner Freizeit in klassischem Gesang ausbilden.