Hamburg. Firmen locken mit höheren Zinsen als Banken mit ihren Angeboten für Spareinlagen. Was Privatanleger beachten sollten.

Der Zinssatz klingt ebenso süß wie die Produkte schmecken, die die Firma herstellt. Mit mindestens 6,25 Prozent Anleihezins wirbt der Lebensmittelhersteller Katjes in Anzeigen für seine neue Unternehmensanleihe und nennt sie in der Anzeige „Erfolgsanleihe“. 110 Millionen Euro will der Hersteller von Yoghurt-Gums, Katzenpfötchen und Fred Ferkel damit einnehmen. In 1000-Euro-Schritten kann investiert werden.

Für Anleger eröffnen sich mit dem Ende der Zinsflaute neue Optionen. Jahrelang empfahlen Finanzexperten für den Vermögensaufbau fast nur Aktien und sich an Börsenindizes orientierende Fonds (Exchange Traded Funds; ETFs). Nun ziehen die Zinsen für Tages- und Festgeld wieder an.

Unternehmensanleihen – eine Alternative zum Festgeld?

Und auch Unternehmen sind bereit, für das Leihen von Geld wieder höhere Zinsen zu bezahlen – und stoßen damit bei Investoren offenbar auf offene Ohren. „Die Nachfrage von privaten wie auch institutionellen Anlegern nach Unternehmensanleihen ist seit Jahresbeginn deutlich gestiegen und hat sich neu belebt“, sagt Christian Hamann von der Hamburger Sparkasse (Haspa).

Aber ist das auch eine gute Alternative für Privatanleger? Unsere Redaktion gibt einen Überblick.

Wie funktionieren Unternehmensanleihen?

Große und kleine Firmen nutzen Unternehmensanleihen, um sich zu finanzieren. Gründe dafür können der geplante Kauf eines Unternehmens, die Expansion ins Ausland oder eine Umschuldung sein, um sich günstiger zu refinanzieren.

Eine Unternehmensanleihe ist die Ausgabe einer Schuldverschreibung. Der Kapitalgeber gibt das Geld und erhält es am Ende einer festgelegten Laufzeit zurück. Das Risiko des Geldgebers (Anleihegläubigers) wird mit Zinsen vergütet, die das Unternehmen jährlich ausbezahlt. Der Zinssatz wird als Kupon bezeichnet.

Der Zins muss aber nicht gleich mit der Rendite sein. Denn die Titel werden nach der Emission (Ausgabe) an der Börse gehandelt. Man kann die Unternehmensanleihe also nahezu täglich kaufen oder verkaufen.

Je nach Geschäftsentwicklung des Unternehmens, aber auch konjunkturellen Faktoren oder Schocks wie einer Pandemie kann der Kurswert vom Nennwert abweichen. Letzteres ist der Geldbetrag, den sich die Firma vom Käufer der Anleihe geliehen hat. Der Kurswert wird in Prozent des Nennwertes angegeben.

Was müssen Anleger beachten?

Hält man die Unternehmensanleihe von Anfang bis zum Ende der Laufzeit, liegt die Rendite nahe des Kupons. Will oder muss der Besitzer von Unternehmensanleihen diese jedoch vor dem Ende der Laufzeit verkaufen, kann der Kurs sowohl höher als auch niedriger liegen. Die Rendite kann somit gesteigert oder gemindert werden. Und bei einer Pleite der Firma kann zumindest ein Großteil des Geldes weg sein.

Grundsätzlich gilt für die Konditionen: „Je mehr Zinsen versprochen werden, desto mehr Risiko steckt in einer Unternehmensanleihe“, sagt Sandra Klug von der Verbraucherzentrale Hamburg. Beispielsweise könnten Unternehmen Anleihen emittieren, weil sie Liquidität brauchen und diese auf dem Markt billiger bekommen als bei den Banken.

„Oder die Bank gibt ihnen keinen Kredit mehr“, sagt die Finanzexpertin. Was die wahren Beweggründe für die Ausgabe der Anleihe sind, können Anleger kaum herausfinden. Die zweite wichtige Regel: Je länger die Laufzeit, desto höher der Zins.

Insbesondere große Firmen lassen ihre Bonität von Rating-Agenturen einschätzen. Damit erhalten Investoren einen Überblick über die Finanzlage. Grundsätzlich auf dieses Urteil verlassen sollte man sich aber nicht, sagt Klug: „Auf Ratings gucken kann helfen – aber es bietet letztlich auch keine Sicherheit.“ Schließlich sind in der Vergangenheit selbst große und bekannte Konzerne wie das DAX-Mitglied Wirecard in die Pleite gerutscht.

Wie sieht der Markt für Unternehmensanleihen aus?

Für Privatanleger gibt es ein strukturelles Problem. „Die meisten Unternehmensanleihen wenden sich an institutionelle Anleger“, sagt Hamann, der bei der Haspa Spezialist in der Marktanalytik ist. „Denn etwa 95 Prozent der gesamten europäischen Unternehmensanleihen haben eine Mindeststückelung von 100.000 Euro.“

Damit dürften die meisten Privatanleger ausscheiden. Der Hintergrund für diese hohe Schwelle: Der Emissionsprospekt kann einfacher gehalten werden, wenn man sich nicht an Privatanleger wendet.

Insbesondere kleine Unternehmen aus dem Konsumbereich, die über bekannte Marken verfügen, sowie Autokonzerne wendeten sich aber auch mit kleineren Stückelungen an Privatanleger. Der Hype um Mittelstandsanleihen, den es vor zehn Jahren einmal gab, habe sich aber beruhigt. Auch weil es einige Zahlungsausfälle gab.

So betrug im Jahr 2013 das Emissionsvolumen allein von Mittelstandsanleihen in Deutschland noch rund 2,3 Milliarden Euro. 2021 waren es aber nur noch knapp 1,4 Milliarden Euro – die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) machte das Segment für Anleger weit weniger interessant. In den vergangenen Jahren wurde mit Unternehmensanleihen kaum noch Rendite erzielt.

Einzeltitel empfiehlt die Haspa derzeit nicht, weil eine breite Streuung für die Kunden nur schwierig zu erreichen sei. Hamann setzt auf Fonds.

Wie funktionieren Fonds mit Unternehmensanteilen?

Laufzeitfonds böten einen festen Zins und seien auf möglichst wenig Schwankungen angelegt, so Hamann. Sie werden in vier oder fünf Jahren wieder aufgelöst. In der Startphase von zwei bis drei Monaten werde ein Portfolio von 80 bis zu 200 einzelnen Anleihen aufgebaut, um eine vernünftige Streuung zu erhalten.

Dabei setzt man vor allem auf Anleihen mit einem Investmentgrade-Rating, so Hamann: „Im Investmentgrade-Bereich liegen die Renditen für Unternehmensanleihen zwischen 3,5 bis 5 Prozent.“ Von Investmentgrade spricht man normalerweise bei den Noten „AAA“ bis „BBB-“.

In der Folgezeit sei kaum noch Bewegung im Fonds, sodass man ziemlich genau sagen könne, wie hoch der Ertrag ausfällt. Bei einem vertriebenen Deka-Fonds liege die Renditeerwartung zum Beispiel bei 4,5 Prozent pro Jahr bei einer Laufzeit bis Ende 2028. Allerdings müsse die Vergütung von etwa einem Prozent pro Jahr davon noch abgezogen werden. Die Rendite liegt also bei 3,5 Prozent.

Die Inflationsrate rangiert momentan noch höher. Wenn sie aber wie von Experten in Richtung zwei Prozent sinkt, kann man in den nächsten Jahren wieder mit einer positiven Realverzinsung rechnen. Zwar seien Bonitätsverschlechterungen und daraus resultierende Kursverluste natürlich möglich, so Hamann. Bei Investmentgrade-Unternehmensanleihen sollte das Kursrisiko aber eigentlich gering sein.

Auch klassische Anleihefonds, bei denen das Fondsmanagement aktiv handelt und zwischen Anleihen mit kürzeren oder längeren Laufzeiten oder als sicherer und unsicherer geltenden variiert, seien durchaus wieder attraktiv.

Zwar hätten diese im vergangenen Jahr fast durchweg alle Verluste durch den Zinsanstieg gemacht, räumt Hamann ein. Aber diese seien nun eingepreist und man kaufe zu den heutigen Kursen. Das biete Chancen – ähnlich wie bei einer Aktie, die man auf dem Tiefpunkt erwirbt.

Sind Unternehmensanleihen für Privatanleger geeignet?

„Unternehmensanleihen sind eine Alternative fürs Depot“, sagt Hamann. Bei einer mittleren Risikoneigung des Anlegers wäre eine typische Aufteilung des Depots: bis zur Hälfte Aktien, je rund zehn Prozent Liquidität auf dem Tagesgeldkonto und in Immobilien. Die restlichen 30 bis 40 Prozent könne man dann in Zinsanleihen stecken – etwa die Hälfte davon könnten Unternehmensanleihen sein.

Die Verbraucherschützerin empfindet Anleihefonds, die es auch als ETFs gibt, als die bessere Wahl als Einzeltitel. Sie verweist aber darauf, dass die Fondsrenditen zuletzt überschaubar waren. Zur Beimischung rät sie eher zu deutschen Staatsanleihen, die als sicher gelten.

Klug hegt grundsätzliche Bedenken gegen die Assetklasse: „Bei großen Vermögen gehören Unternehmensanleihen vielleicht zur Diversifikation dazu.“ Man sollte dann aber schon eine Immobilie, ETFs und Spareinlagen bei der Bank haben. „Für Otto Normalverbraucher finde ich einen Sparbrief oder Festgeld sinnvoller.“

Welche Renditen bringt Festgeld?

Wer für zwölf Monate 10.000 Euro anlegen möchte, findet laut der FMH Finanzberatung das derzeit beste Angebot bei der Aegean Baltic Bank. Das griechische Geldhaus verspricht 4,511 Prozent Rendite. Beim italienischen Kreditinstitut Illimity liegt die Rendite bei 4,501 Prozent, bei dessen nationalem Konkurrenten Banca CF bei glatt 4,5 Prozent.

Alle diese Angebote sind über das Vermittlerportal Weltsparen erhältlich. Gesetzlich abgesichert sind dabei jeweils bis zu 100.000 Euro durch die nationalen Einlagensicherungen.

Wer direkt bei einem Geldhaus sein Geld anlegen möchte, findet bei der deutschen ISBank mit 4,15 Prozent die höchste Rendite. Die tschechische J&T Direktbank folgt mit 4,1 Prozent vor der französischen Crédit Agricole mit 4,05 Prozent. Die ISBank hat noch den Vorteil, dass bei ihr über den Bundesverband deutscher Banken sogar fünf Millionen Euro abgesichert sind.

Die Mindestanlagesummen aller hier vorgestellten Offerten schwankt stark und reicht von 1000 Euro bei der Aegean Baltic Bank über 2500 Euro bei der ISBank bis zu 10.000 Euro bei Illimity.

Bei einem längeren Zeitraum für die Geldanlage gibt es keine höheren Zinsen – im Gegenteil. Für fünf Jahre weist die FMH Finanzberatung die Rietumo Bank über das Vermittlerportal Weltsparen mit einer Rendite von 4,243 Prozent als besten Anbieter aus. Im Direktgeschäft liegt die Crédit Agricole mit 4,15 Prozent vorn. Sie erhöht bei mehrjähriger Anlage den Zinssatz leicht, sodass sie für fünf Jahre den gleichen Zinssatz zahlt wie die ISBank für ein Jahr.

Klug rät, beim Festgeld verschieden lange Laufzeiten zu kombinieren, also zum Beispiel einen Teil für ein Jahr und einen anderen für zwei, drei oder mehr Jahre anzulegen. „Festgeld ist greifbar, das kann man gut verstehen, man weiß, worauf man sich einlässt und es gibt eine Sicherheit durch die Einlagensicherung“, sagt die Verbraucherschützerin: „Das finde ich häufig geeigneter als Unternehmensanleihen.“