Behagliche Talkrunde im Bürgermeistersaal: Ole von Beust, Hans-Ulrich Klose und Klaus von Dohnanyi warben vor rund 60 Schülern für die Reform.
Hamburg. Dass der Auftritt der drei Ersten Bürgermeister ein beinahe historischer Moment sei, stellte Ole von Beust gleich zu Beginn klar. "Es ist durchaus nicht üblich, dass wir gemeinsam auftreten. Das ist der Bedeutung des Themas geschuldet", sagte der Regierungschef zur Begrüßung im Rathaus. Rund 60 Schüler der Gesamtschule Harburg und des Gymnasiums Klosterschule (St. Georg) hatten sich im Bürgermeistersaal versammelt, um Ole von Beust (CDU) und seinen Amtsvorgängern Hans-Ulrich Klose (SPD, 1974 bis 1981) und Klaus von Dohnanyi (SPD, 1981 bis 1988) Fragen zum derzeit heißesten politischen Streitfall zu stellen: dem Volksentscheid über die sechsjährige Primarschule am 18. Juli und die Schulreform insgesamt.
"Es ist zwar nicht üblich, dass wir zusammen auftreten, aber schön", freute sich Klose. Und so hatte das Ganze auch etwas von einer behaglichen Talkrunde, schließlich ist sich das Trio - trotz unterschiedlicher Parteienzugehörigkeit - in einem Punkt völlig einig: Alle drei sind für längeres gemeinsames Lernen bis Klasse sechs, also das Projekt Primarschule. "Wir meinen, dass es klüger ist, wenn junge Leute länger zusammen lernen", gab von Beust den Takt vor. Davon könnten diejenigen profitieren, die "von Zuhause nicht das optimale Rüstzeug mitbekommen haben". Außerdem sei das System auch für die Leistungsstärkeren von Vorteil. "Und die Entscheidung über die richtige weiterführende Schule ist am Ende von Klasse sechs genauer als am Ende von Klasse vier", so von Beust.
+++ Das ist der Spot, den die Medienanstalt verbietet +++
"Wir holen nur nach, was andere in Europa längst machen - mit Erfolg. Deswegen ist das hier kein Experiment", ergänzte von Dohnanyi. Den Eltern von der Primarschulgegner-Initiative "Wir wollen lernen" unterstellte der Altbürgermeister, nur "die Interessen ihrer Kinder, aber nicht der Gesellschaft" zu vertreten.
Klose räumte ein, dass es viele Argumente für und gegen die Schulreform gebe. "Aber eines überzeugt mich am meisten: Wir müssen etwas gegen die viel zu hohe Quote von Schulabbrechern tun", sagte der SPD-Bundestags-Abgeordnete. Während zehn Prozent der Schüler mit Deutsch als Muttersprache ohne Abschluss die Schule verließen, seien es bei Kindern mit Migrationshintergrund 25 Prozent. "Die sind nicht dümmer, die haben im jetzigen System nur die schlechteren Chancen", so Klose. Die Primarschule könnte das "ein bisschen ausgleichen".
War es nun Befangenheit oder mangelnde Überzeugung - die Bekenntnisse der drei Bürgermeister konnten die Schüler nicht zu Beifallsstürmen hinreißen. Stattdessen setzte ein Gymnasiast gleich bei einem kritischen Punkt der Reform an. "Warum soll der Wechsel ausgerechnet nach Klasse sechs mitten in der Pubertät stattfinden, wenn viele Schüler Schwierigkeiten in der Schule haben?", lautete seine Frage.
"Erfahrene Pädagogen kennen das Problem und können damit umgehen. Im Übrigen: Jede Entscheidung dieser Art ist schwierig, egal zu welcher Zeit", sagte von Beust. Er selbst, erzählte der Bürgermeister, musste eine Aufnahmeprüfung für das Gymnasium am Ende von Klasse vier machen. "Ich wäre durchgeplumpst, wenn mein Vater nicht damals Bezirksamtsleiter gewesen wäre." Von Dohnanyi war der Ansicht, es sei besser, die Entscheidung über die weitere Schullaufbahn zu treffen, wenn die Kinder "in der Entwicklung", also in der Pubertät, seien.
Ein Gesamtschüler aus Harburg sorgte für die heikelste Frage: "Wenn längeres gemeinsames Lernen so gut ist, warum dann nicht gleich bis zum Alter von 14 Jahren?" Von Beust antwortete, dass das politisch nicht durchsetzbar wäre. "Das wäre das Aus für das herkömmliche Gymnasium. Das wollen wir nicht", sagte der Bürgermeister. Klose formulierte es drastischer: "Wenn in Deutschland das Gymnasium abgeschafft würde, gäbe es eine Revolution."
Doch besonders die Gesamtschüler trieb noch ein ganz anderes Thema um: die Stadtteilschule, die aus Gesamt-, Haupt- und Realschulen hervorgehen soll. "Ich befürchte, dass das eine Restschule wird, und die Spaltung der Gesellschaft so vorangetrieben wird", sagte ein Junge. Von Beust hielt dagegen, dass auch die Stadtteilschule zum Abitur führt, nur in 13 statt in zwölf Jahren. "Wer weniger Hektik will, kommt auf der Stadtteilschule auch zum Ziel. Das Abitur ist gleich viel wert."
Nach einer Stunde war Schluss. Das Echo der Schüler fiel geteilt aus: Die einen fanden die Frage-Antwort-Runde informativ, andere sahen die wirklichen Probleme der Schulen an anderer Stelle - zum Beispiel in der Lehrerausbildung.
Für Wirbel hat unterdessen die Entscheidung der Medienanstalt Hamburg Schleswig-Holstein gesorgt: Danach darf Radio Hamburg keine Rundfunkspots der Reformgegner mehr senden. "Offenbar steht die politische Kaste in unserer Stadt in Sachen Basisdemokratie noch vor einem großen Lernprozess", empörte sich Initiativensprecher Walter Scheuerl. Die Begründung der Medienwächter: Die Phase vor dem Volksentscheid sei keine Vorwahlzeit, und nur während der sei politische Werbung erlaubt.